Mächtige graue Kegelberge überragen die fruchtbare Hochebene, auf der das Dorf Mangue liegt. Strohgedeckte, viereckige Lehmhütten ducken sich zwischen Bäumen und Sträuchern. Vor einer der Hütten sitzen Männer und Frauen mit ernsten Gesichtern. Das Dorf trauert: Der im Haus aufgebahrte Tote sei erst 23 Jahre alt gewesen, erzählt ein Mann. Der Junge habe seit ein paar Tagen über Schmerzen in der Brust geklagt, der Tod kam plötzlich.
Erst 2003 sind die Bewohner von Mangue auf das Land ihrer Ahnen zurückgekehrt. Mehr als 20 Jahre harrten die meisten von ihnen in den Städten des Hochlandes aus. Die 25-jährige Albertina Teixeira wurde auf der Flucht geboren:
"Unser Dorf lag mitten im Kriegsgebiet. Die Leute konnten überhaupt nicht mehr die Felder bestellen, deshalb flüchteten sie. Die Häuser wurden zerstört, die Schule und auch die Gesundheitsstation.
Die Rückkehrer haben aus Lehm Ziegel geformt, sie in der Sonne getrocknet und ihre Hütten gebaut - oft mit knurrendem Magen. Wer Saatgut besaß, gab denen, die keins hatten, Arbeit und brachte sie mit durch. In der kleinen Schule findet nur die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen einen Platz. Die beiden Pfleger der kleinen Gesundheitsstation werden alle vier Monate mit einem dürftigen Päckchen Pillen beliefert. Damit müssen sie über 4000 Menschen versorgen.
Als hätten sie nicht genug Sorgen, machten ihnen außerdem Kleinbauern aus dem Nachbardorf Jambe den Acker streitig. Ein Zwist, dessen Wurzeln in der Kolonialzeit liegen. In den 50er Jahren verloren die Bauern von Jambe selbst ihr Land und die Portugiesen zwangen sie, umzusiedeln und auf den Kaffeeplantagen in Kwanza Sul zu arbeiten. Araujo de Almeida, in Mangue der Pastor der Pfingstkirche Assembleia de Deus berichtet:
"Nach der Rückkehr nach Kriegsende wuchsen beide Dörfer ziemlich stark. Und die in Jambe haben schlechtere und steinige Äcker. Deshalb brauchten sie zusätzliches Land und dann fingen sie einfach an, unser Land zu bewirtschaften, ohne bei unserem Dorfchef eine Erlaubnis zu erbitten. "
Theoretisch könnten die Bauern von Mangue den Zwist beenden, indem sie ihre Dorfgrenzen offiziell anerkennen lassen, wie es das neue Landgesetz in Zukunft erlaubt. Boden gehört grundsätzlich dem Staat, aber es können langfristige Nutzungsrechte erworben werden. Auch Dorfgemeinschaften haben neuerdings einen Anspruch auf solche Besitztitel für ihr angestammtes Land. Der Soba, der traditionelle Dorfchef, kann diese Rechte nach Absprache mit seinen Familien auch teilweise an Dritte abtreten.
Wer nach Mangue will, nimmt eine achtstündige beschwerliche Fahrt auf sich. Panzerketten und Lastwagen, explodierte Minen und Unwetter haben auf der früheren Strasse tiefe Löcher hinterlassen. Von Landgesetzen erfahren die Dorfbewohner in Mangue nicht. Der Konflikt mit den Nachbarbauern fand ein einfaches Ende. Weil sie sich uneinig waren, ergriff der örtliche MPLA-Funktionär die Gelegenheit und bat den Dorfchef von Mangue darum, das umstrittene Gebiet auf seinen eigenen Namen eintragen zu lassen. Der Mann habe ihnen zugesagt, dass sie auf einem Teil dort weiter Landwirtschaft betreiben könnten. Und falls Mangue wächst und mehr Äcker braucht, um sich zu ernähren? Dann gebe der Mann ihnen das Land zurück, ist Pastor Araujo überzeugt:
"Weil er einer von uns ist. Er ist aus dem Nachbardorf, aber er ist einer von uns. Wenn unser Dorf wächst, dann wird er fühlen, dass er uns Land abgeben muss, damit wir darauf arbeiten können. "
In der Hauptstadt Luanda: Miriam Bunga arbeitet für die katholische Landrechtsorganisation Mosaiko. Die Juristin überrascht die Argumentation des Pastors nicht. Denn ein Teil der Bevölkerung kennt keinen ländlichen Privatbesitz im kapitalistischen Sinne. Im traditionellen Rechtsverständnis der Kleinbauern ergibt sich der Anspruch auf Land nicht durch einen Kaufvertrag, sondern durch die Vorfahren:
"Sie sagen: Dieses Land gehört uns. Hier wurde unsere Nabelschnur vergraben, hier ruhen unsere Ahnen. Wir sind hier geboren, unsere Kinder wuchsen hier auf, dieses Land ernährt uns, hier sterben wir. Damit ist das ihr Land, ihr Land. Und dass ihnen die Ahnen dieses Land überlassen haben, ist von hohem symbolischem Wert. "
Wer auf welches Land einen legalen und legitimen Anspruch hat, ist in Angola heute in vielen Fällen nur schwer zu bestimmen.
"Unser Land ist ein bisschen – na – es ist ziemlich durcheinander. Es gibt keine Volkszählung, keine Daten, kein Kataster. Und in der Hauptstadt fehlt das Bewusstsein dafür, was im Rest des Landes passiert. Mir erging das bis vor kurzem auch so. "
Zuviel ist in nur wenigen Jahrzehnten passiert: Vertreibungen in der Kolonialzeit; ab 1975 Enteignungen unter der sozialistischen MPLA; die durch den Bürgerkrieg erzwungene Flucht und Neuansiedlung von vier Millionen Menschen. Dazwischen – 1991 – vollzog die MPLA den Systemwechsel und bekannte sich fortan zur Marktwirtschaft. Bei der nachfolgenden Privatisierungswelle eigneten sich viele MPLA-Funktionäre legal und illegal Ländereien an. Die älteren Rechte der von den Portugiesen vertriebenen Kleinbauern wurden einfach ignoriert.
Das neue Landgesetz versucht nun, die Ansprüche der europäisch geprägten Städter Angolas und die der traditionellen Dorfgemeinschaften unter einen Hut zu bringen. Ob es überhaupt praxistauglich ist, muss es aber noch beweisen. Miriam Bunga empfiehlt zudem jedem Rechtsunkundigen, niemals allein auf eine Behörde zu gehen:
"Wer ein wertvolles Stück Land besitzt, könnte es am Ende verlieren. Wir haben das in Huambo erlebt. Da wollte eine Frau ihren Besitzanspruch legalisieren. Auf dem Amt nahmen sie ihr die Papiere weg. Und einige Zeit später hatte das Land plötzlich einen anderen Besitzer.
Immerhin: erstmals wurde ein Farmmanager, der Kleinbauern gefoltert und vertrieben hatte, jetzt zu 28 Jahren Haft verurteilt. Aber die Frage ist, wie viel davon er tatsächlich absitzen muss. Und der Farmbesitzer, ein Ex-Minister, wurde nicht belangt.
Mühsam schaukelt der Jeep von Mangue wieder in Richtung Küste. Aber die Architekten in Luanda planen bereits mit Hilfe chinesischer Kredite den Ausbau des Straßennetzes. Die Wiederansiedlung der lukrativen Kaffeewirtschaft ist nur eine Frage der Zeit. Was der örtliche MPLA-Funktionär dann mit seinem Grundbesitz vorhat, den ihm die Kleinbauern von Mangue so großzügig überließen, war nicht in Erfahrung zu bringen. Zum verabredeten Interviewtermin kam er nicht.
Erst 2003 sind die Bewohner von Mangue auf das Land ihrer Ahnen zurückgekehrt. Mehr als 20 Jahre harrten die meisten von ihnen in den Städten des Hochlandes aus. Die 25-jährige Albertina Teixeira wurde auf der Flucht geboren:
"Unser Dorf lag mitten im Kriegsgebiet. Die Leute konnten überhaupt nicht mehr die Felder bestellen, deshalb flüchteten sie. Die Häuser wurden zerstört, die Schule und auch die Gesundheitsstation.
Die Rückkehrer haben aus Lehm Ziegel geformt, sie in der Sonne getrocknet und ihre Hütten gebaut - oft mit knurrendem Magen. Wer Saatgut besaß, gab denen, die keins hatten, Arbeit und brachte sie mit durch. In der kleinen Schule findet nur die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen einen Platz. Die beiden Pfleger der kleinen Gesundheitsstation werden alle vier Monate mit einem dürftigen Päckchen Pillen beliefert. Damit müssen sie über 4000 Menschen versorgen.
Als hätten sie nicht genug Sorgen, machten ihnen außerdem Kleinbauern aus dem Nachbardorf Jambe den Acker streitig. Ein Zwist, dessen Wurzeln in der Kolonialzeit liegen. In den 50er Jahren verloren die Bauern von Jambe selbst ihr Land und die Portugiesen zwangen sie, umzusiedeln und auf den Kaffeeplantagen in Kwanza Sul zu arbeiten. Araujo de Almeida, in Mangue der Pastor der Pfingstkirche Assembleia de Deus berichtet:
"Nach der Rückkehr nach Kriegsende wuchsen beide Dörfer ziemlich stark. Und die in Jambe haben schlechtere und steinige Äcker. Deshalb brauchten sie zusätzliches Land und dann fingen sie einfach an, unser Land zu bewirtschaften, ohne bei unserem Dorfchef eine Erlaubnis zu erbitten. "
Theoretisch könnten die Bauern von Mangue den Zwist beenden, indem sie ihre Dorfgrenzen offiziell anerkennen lassen, wie es das neue Landgesetz in Zukunft erlaubt. Boden gehört grundsätzlich dem Staat, aber es können langfristige Nutzungsrechte erworben werden. Auch Dorfgemeinschaften haben neuerdings einen Anspruch auf solche Besitztitel für ihr angestammtes Land. Der Soba, der traditionelle Dorfchef, kann diese Rechte nach Absprache mit seinen Familien auch teilweise an Dritte abtreten.
Wer nach Mangue will, nimmt eine achtstündige beschwerliche Fahrt auf sich. Panzerketten und Lastwagen, explodierte Minen und Unwetter haben auf der früheren Strasse tiefe Löcher hinterlassen. Von Landgesetzen erfahren die Dorfbewohner in Mangue nicht. Der Konflikt mit den Nachbarbauern fand ein einfaches Ende. Weil sie sich uneinig waren, ergriff der örtliche MPLA-Funktionär die Gelegenheit und bat den Dorfchef von Mangue darum, das umstrittene Gebiet auf seinen eigenen Namen eintragen zu lassen. Der Mann habe ihnen zugesagt, dass sie auf einem Teil dort weiter Landwirtschaft betreiben könnten. Und falls Mangue wächst und mehr Äcker braucht, um sich zu ernähren? Dann gebe der Mann ihnen das Land zurück, ist Pastor Araujo überzeugt:
"Weil er einer von uns ist. Er ist aus dem Nachbardorf, aber er ist einer von uns. Wenn unser Dorf wächst, dann wird er fühlen, dass er uns Land abgeben muss, damit wir darauf arbeiten können. "
In der Hauptstadt Luanda: Miriam Bunga arbeitet für die katholische Landrechtsorganisation Mosaiko. Die Juristin überrascht die Argumentation des Pastors nicht. Denn ein Teil der Bevölkerung kennt keinen ländlichen Privatbesitz im kapitalistischen Sinne. Im traditionellen Rechtsverständnis der Kleinbauern ergibt sich der Anspruch auf Land nicht durch einen Kaufvertrag, sondern durch die Vorfahren:
"Sie sagen: Dieses Land gehört uns. Hier wurde unsere Nabelschnur vergraben, hier ruhen unsere Ahnen. Wir sind hier geboren, unsere Kinder wuchsen hier auf, dieses Land ernährt uns, hier sterben wir. Damit ist das ihr Land, ihr Land. Und dass ihnen die Ahnen dieses Land überlassen haben, ist von hohem symbolischem Wert. "
Wer auf welches Land einen legalen und legitimen Anspruch hat, ist in Angola heute in vielen Fällen nur schwer zu bestimmen.
"Unser Land ist ein bisschen – na – es ist ziemlich durcheinander. Es gibt keine Volkszählung, keine Daten, kein Kataster. Und in der Hauptstadt fehlt das Bewusstsein dafür, was im Rest des Landes passiert. Mir erging das bis vor kurzem auch so. "
Zuviel ist in nur wenigen Jahrzehnten passiert: Vertreibungen in der Kolonialzeit; ab 1975 Enteignungen unter der sozialistischen MPLA; die durch den Bürgerkrieg erzwungene Flucht und Neuansiedlung von vier Millionen Menschen. Dazwischen – 1991 – vollzog die MPLA den Systemwechsel und bekannte sich fortan zur Marktwirtschaft. Bei der nachfolgenden Privatisierungswelle eigneten sich viele MPLA-Funktionäre legal und illegal Ländereien an. Die älteren Rechte der von den Portugiesen vertriebenen Kleinbauern wurden einfach ignoriert.
Das neue Landgesetz versucht nun, die Ansprüche der europäisch geprägten Städter Angolas und die der traditionellen Dorfgemeinschaften unter einen Hut zu bringen. Ob es überhaupt praxistauglich ist, muss es aber noch beweisen. Miriam Bunga empfiehlt zudem jedem Rechtsunkundigen, niemals allein auf eine Behörde zu gehen:
"Wer ein wertvolles Stück Land besitzt, könnte es am Ende verlieren. Wir haben das in Huambo erlebt. Da wollte eine Frau ihren Besitzanspruch legalisieren. Auf dem Amt nahmen sie ihr die Papiere weg. Und einige Zeit später hatte das Land plötzlich einen anderen Besitzer.
Immerhin: erstmals wurde ein Farmmanager, der Kleinbauern gefoltert und vertrieben hatte, jetzt zu 28 Jahren Haft verurteilt. Aber die Frage ist, wie viel davon er tatsächlich absitzen muss. Und der Farmbesitzer, ein Ex-Minister, wurde nicht belangt.
Mühsam schaukelt der Jeep von Mangue wieder in Richtung Küste. Aber die Architekten in Luanda planen bereits mit Hilfe chinesischer Kredite den Ausbau des Straßennetzes. Die Wiederansiedlung der lukrativen Kaffeewirtschaft ist nur eine Frage der Zeit. Was der örtliche MPLA-Funktionär dann mit seinem Grundbesitz vorhat, den ihm die Kleinbauern von Mangue so großzügig überließen, war nicht in Erfahrung zu bringen. Zum verabredeten Interviewtermin kam er nicht.