Es ist früh am Abend in dieser Kneipe am Bahnhof im niederbayerischen Städtchen Straubing. Gut 50 Gäste nehmen im Nebenzimmer des Wirtshauses Platz. Die Männer sind deutlich in der Überzahl auf der Wahlkampfkundgebung der örtlichen "Freien Wähler".
"Guten Abend, meine Damen und Herren. An der Spitze unser Landesvorsitzender Hubert Aiwanger, ein Niederbayer. "
Der Vorsitzende des Landesverbands ist "das Gesicht" der Freien Wähler im Freistaat. Er ist 37 Jahre alt. Ledig. Ein Agraringenieur, der mit seinen Eltern bei Landshut einen Bauernhof mit 20 Milchkühen und 50 Zuchtsauen bewirtschaftet. Der Mann mit der hohen Stirn gilt als bodenständig und erzkonservativ. Eigenschaften, mit denen es sich bei der ländlichen Bevölkerung punkten lässt.
An diesem Abend in Straubing sitzen Landwirte, Handwerker, Ärzte, Polizisten und vor allem Kommunalpolitiker im Publikum: ein Landrat, einige Bürgermeister und viele ehrenamtliche Gemeinderäte. Sie wollen die Freien Wähler künftig als Ausdruck ihres Protestes im bayerischen Landtag sehen. Was sie eint, ist die Unzufriedenheit mit der CSU, die seit 51 Jahren in Bayern regiert; seit 1962 mit absoluter Mehrheit.
"Um in Bayern andere Mehrheitsverhältnisse zu schaffen, die Alleinherrschaft der CSU zu brechen, das ist nach langer Zeit einfach mal notwendig. Ich finde sehr gut an der Partei, dass eigentlich sehr viele Bürger und Seiteneinsteiger da drin sind. Nicht so die rund geschliffenen Parteisoldaten von der CSU, weil sich da Seilschaften bilden, die nicht sein sollten. Weil die 50 Prozent geknackt werden muss. Wenn mehrere Gruppierungen im Landtag vertreten sind, hat das Volk nur Vorteile. "
Zwei Mal schon hatten die Parteifreien für den bayerischen Landtag kandidiert. Zwei Mal ohne Erfolg: Bei der Landtagswahl 1998 verfehlten die Wählervereinigungen mit 3,7 Prozent, bei der Wahl 2003 mit vier Prozent den Einzug ins Maximilianeum. Am 28. September kann Landeschef Aiwanger aber darauf hoffen, mit den Freien Wählern erstmals den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen.
Wegen ihrer inhaltlichen Nähe zur Regierungspartei schon mal als "CSU light" verspottet, sind die Freien Wähler auf kommunaler Ebene im Freistaat längst eine ernstzunehmende politische Kraft. Die Wählervereinigungen waren mit den Grünen die Gewinner der bayerischen Kommunalwahlen im März dieses Jahres. Sie konnten die Zahl ihrer Mandate in den Gemeinderäten und Kreistagen um 20 Prozent steigern. Mittlerweile regieren 800 "freie" Bürgermeister im Freistaat - das ist jeder dritte Rathauschef. Ferner stellen die Freien 15 von 71 Landräten. Angesichts dieser Bilanz lässt Aiwanger selbstbewusst die Muskeln spielen.
"Wir sind die einzige Kraft, die groß zugelegt hat. Und die CSU hat am allerbesten verloren: Von 45,5 auf 40. Und wir haben von 15 auf 19 Prozent zugelegt. Dieses Ergebnis zeigt, dass wir es geschafft haben an die Bürger heranzukommen, dass wir es geschafft haben mit unseren Themen und unseren Leuten zu überzeugen. "
In den Umfragen der Meinungsforschungsinstitute zur Landtagswahl liegen die Freien Wähler zwischen vier bis sieben Prozent - mit leicht steigender Tendenz. Weit über 50 Prozent der Wahlberechtigten gelten laut ZDF-Politbarometer jedoch als Unentschlossene, die noch gar nicht wissen, ob sie am 28. September überhaupt zur Wahl gehen und falls ja, wen sie dann wählen sollen. Vor allem die CSU könnte nach ihrer jahrzehntelangen Vorherrschaft in Bayern ein Mobilisierungsproblem haben. In dem Unmut über die Staatsregierung sehen die Freien Wähler ihre Chance: Enttäuschte CSU-Wähler suchen eine bürgerliche Alternative zur Regierungspartei, glaubt Hubert Aiwanger - und zählt genüsslich deren Fehler auf. Angriffsflächen bietet die CSU nach fünfjähriger Zwei-Drittel-Mehrheit jede Menge.
"Und wenn wir hier analysieren, warum diese Fehler in dieser Dichte und in dieser Anwirkung so gemacht worden sind, dann kann man eindeutig sagen: weil hier eine absolute Mehrheit am Ruder ist, die niemand anderen fragen muss. Weil wir hier Leute am Tisch sitzen haben, die seit Jahren mit der Basis nicht mehr kommunizieren, die mit den Bürgermeistern, mit den Landräten, mit den kleinen Leuten draußen kein Gespräch mehr suchen, die sich eher verbarrikadieren und vor dem Volk verstecken."
Der Stachel im Fleisch der CSU zu sein, in dieser Rolle gefällt sich der hemdsärmelig auftretende Aiwanger, der der CSU die absolute Mehrheit streitig machen will. Einen Anti-CSU-Landwirt, so nennt ihn das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Dabei müsste er der CSU eigentlich dankbar sein: Sein Studium an der Fachhochschule Weihenstephan hat Hubert Aiwanger mit Hilfe der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung finanziert.
Der 37-Jährige legt eine steile politische Karriere hin: Vor sieben Jahren erst trat er dem als "Freie Wähler Bayern" eingetragenen Verein bei. Im März 2006 wurde er bereits zum Landesvorsitzenden gekürt. Kaum im Amt ließ er, um seinen Bekanntheitsgrad zu steigern, sein Konterfei landesweit plakatieren. Vom politischen Gegner lange belächelt, hat Aiwanger von Anfang an keinen Zweifel aufkommen lassen, welche Mission er zu erfüllen gedenkt: Viel zu lange seien die Freien Wähler viel zu brav der allmächtigen CSU gegenüber gewesen.
Mit den Themen Bildung und Landwirtschaft und dem Slogan "Frischer Wind für Bayern" versucht er seine biedere Truppe auf Landesebene zu positionieren. Aiwanger spricht eine einfache Sprache; er poltert und polarisiert. Das kann gefährlich für die CSU sein, denn er spricht - anders als beispielsweise die FDP - vor allem die auch von der CSU umworbenen so genannten "kleinen Leute" an.
"Es ist mittlerweile schon so, dass es genügend Leute gibt, die es mit Grauen erfüllt, wie hier mit einer Machtarroganz gesagt wird: die CSU ist Bayern und Bayern ist die CSU. Eigentlich ist ja diese Aussage schon ein leichter Hauch von Totalitarismus, hätte ich jetzt bald gesagt. Deshalb brauchen wir eine Kraft im Landtag, die der CSU auf die Finger schaut"
Die Freien Wähler wollen da punkten, wo die CSU ihrer Meinung nach Schwächen aufweist: Kostenfreie Kindergärten, kleinere Klassen, flächendeckende Versorgung mit Hausärzten, Nein zum strikten Rauchverbot, den ländlichen Raum mit Straßenbau und schnellen Internetanschlüssen verbessern - ihre Forderungen haben sie in so genannten Leitlinien zusammengefasst. Antworten, wie sie ihre Vorschläge finanziell umsetzen wollen, bleiben sie in ihren nur plakativ formulierten Wahlversprechen allerdings schuldig. Auf dem flachen Land, wo die Menschen über Nachteile gegenüber den Ballungsräumen klagen, fallen die Wünsche der Parteifreien jedoch auf fruchtbaren Boden.
Wer es mit Aiwanger gut meint, sagt: er habe die rund 40.000 Mitglieder der Freien Wähler aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt. Seine Kritiker halten ihm dagegen seinen oft polemischen Stil vor. So manchem Landrat oder Bürgermeister in den eigenen Reihen ist der 37-Jährige zu populistisch, zu unseriös, zu frech - etwa wenn er die CSU durch die Blume als korrupt und käuflich beschimpft.
"Wenn ich von der CSU und einem Wahlkampfetat von elf Millionen Euro höre, dann würde es mich interessieren, woher die elf Millionen kommen? Ob es auch so ist wie bei den Freien Wählern, dass das alles Mitgliedsbeiträge sind und Rückerstattungen von der letzten Wahl - oder ob da einige Gelder dabei sind, wo es vielleicht nach der Wahl so ist, dass ein paar unsichtbare Gestalten mit am Parlamentstisch sitzen. Und derjenige, der die Hand heben muss, nicht mehr frei entscheiden kann. Das ist jetzt als Frage formuliert, da kann sich jeder seinen Reim drauf machen. "
Seine Reden sind Stimmungsmache pur gegen die CSU. Koalieren mit den Christsozialen würde Aiwanger trotzdem - falls sie nach dem 28. September einen kleinen Koalitionspartner bräuchten.
Die bayerische Landtagwahl verspricht spannend zu werden wie lange nicht mehr: Reicht es für die CSU oder nicht? Wird die Partei ihre absolute Mehrheit im Parlament verteidigen, und ihr Wahlziel "50 plus X" erreichen? Und wie viele Parteien werden in den neuen bayerischen Landtag einziehen? Drei wie bisher? Vier, fünf, oder sogar sechs? Alles ist offen - gut sechs Wochen vor dem Wahltermin.
Eingebunden in die Große Koalition in Berlin, müssen CSU und SPD zuhause Protest fürchten. Es werden die kleinen Parteien profitieren, sind sich die Meinungsforschungsinstitute einig: Neben den Grünen, die bereits im Landesparlament vertreten sind, können sich die FDP, die Freien Wähler und vielleicht sogar die Linkspartei Hoffnungen machen, dem nächsten bayerischen Landtag anzugehören.
Über keinen Konkurrenten ärgern sich die Christsozialen mehr als über die Aiwanger-Truppe. Es fällt auf, dass die CSU mit keiner Partei so scharf ins Gericht geht wie mit den Freien Wählern, weil sich beide in ihren konservativen Politikansätzen so ähnlich sind. Die Freien Wähler profilieren sich ausschließlich auf Kosten der CSU, giftet Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber auf einer Wahlkampfveranstaltung. "Sie sind Trittbrettfahrer unserer Politik", schimpft sein Nachfolger an der Parteispitze, CSU-Chef Erwin Huber, bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
"Mit absurden Ideen müssen wir uns auch kämpferisch auseinandersetzen. Und wenn ich dazu sage, das Programm der Freien Wähler, das ist so ergiebig, das es auf einer Briefmarke locker geschrieben werden kann, dann muss man es den Menschen auch sagen. Für nichts darf man nicht gewählt werden, liebe Freunde. "
Hubers Kampfansage hat ihren Grund: Denn ob die CSU ihre Regierungsmehrheit verteidigen kann, hängt auch von der künftigen Zahl der Fraktionen im Landtag, vor allem von deren Stärke ab. Sollte es nur ein Drei- oder Vier-Parteien-Parlament geben, könnte der CSU bereits ein Stimmenanteil von unter 50 Prozent reichen für die absolute Mehrheit der Mandate. Sollten also die Freien Wähler und die Linkspartei an der Fünf-Prozent-Hürde knapp scheitern, könnte die CSU auch mit rund 48 Prozent allein, ohne Koalitionspartner weiter regieren. Bis das aber feststeht, macht sich der Parteivorsitzende über die Opposition lustig.
"Unsere politischen Gegner - SPD, Grüne, Linke, FDP und Freie Wähler und andere - sie wollen sich jetzt zusammentun zu einer Vierer- oder Fünferkoalition. Das einzige, was eine solche Koalition zusammenhält, ist die Abneigung gegen die CSU, ist ja der Hass gegen die CSU. Das Destruktive darf doch nicht gewinnen, weil es den Absturz Bayerns bedeuten würde. Jetzt muss man sich eine solche Viererkoalition mal vorstellen: Da joggt einer vorweg im Obama-T-Shirt, dahinter gaukeln die grünen Hofnarren, dann marschieren die Roten Garden, und zum Schluss trotteln die Freien Wähler mit ihrem neuen Funkenmariechen. "
Einen Namen muss er nicht nennen. Jeder weiß, wer gemeint ist: Ex-CSU-Rebellin Gabriele Pauli. Ihre Kandidatur gegen Duz-Freund Günther, Ministerpräsident Günther Beckstein, verblüfft und schockiert in Bayern gleichermaßen. Die Ex-Landrätin aus Fürth tritt am 28. September als Kandidatin für die Freien Wähler an - ausgerechnet in Becksteins Stimmkreis Nürnberg-Nord.
"Nicht mit dem Ziel, irgendeinen einen Posten zu erreichen. Ich brauche auch keine Position in irgendeinem Mandat. Ich glaube, ich habe in der Vergangenheit gezeigt, dass es mir nicht darum geht, irgendein Amt zu haben oder zu halten. Sonst hätte ich ja auch nicht aufzuhören brauchen. Sondern mir geht es darum, das, was ich sich versuche seit 30 Jahren in der Politik zu erreichen, auch wirkungsvoll einzusetzen. Ich will nicht mehr in hunderten von Sitzungen dabeisitzen, wo alle nur einstimmig abnicken, was einer sagt. Da ist mir meine Zeit zu schade. "
Die "Freien Wähler" leben vom Protest gegen die Regierungspartei. Mit ihrer Popularität passt die 51-Jährige da scheinbar perfekt ins Konzept. Noch ist nicht vergessen, dass es Gabriele Pauli war, die zur Jahreswende 2007 den Mut aufgebracht hat, offen gegen die CSU-Größe Edmund Stoiber zu rebellieren; was letztendlich zu dessen Rücktritt führte. Auf die Frage aber, welche konkreten Ziele sie mit ihrer Kandidatur verbindet, bleibt sie vage:
"Es geht darum zu zeigen, dass wir eine Bürgerbewegung sind. Dass sich hier alle Bürger einbringen können, die es satt haben, dass nur Macht zählt, dass einige Politiker daran kleben, ihre Ministersessel zu erhalten und alles daran ausrichten. Und Fähnchen im Wind werden wie beim Rauchverbot, wo man wieder umkippt und sich nur an Umfragewerten orientiert.. "
Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die Begeisterung Hubert Aiwangers für Gabriele Pauli in Grenzen hält. Der ehrgeizige Landesvorsitzende hat Paulis Wechsel zu den Freien Wählern nicht eben forciert; zumal er ihre Konkurrenz in der öffentlichen Wahrnehmung fürchten muss. Doch Aiwanger wird von seinen Nürnberger Parteifreunden schlicht überrumpelt und vor vollendete Tatsachen gestellt.
"Natürlich ist eine Frau Pauli gestartet als Volksheldin damals, als sie einen Stoiber gestürzt hat. Und ist dann aus der politischen Öffentlichkeit verschwunden, als ihr Ansehen einigermaßen ramponiert gewesen ist und sie vielleicht auf die zwei Punkte "Ehe auf Zeit" und "Handschuhgeschichte" reduziert worden ist. Das ist natürlich für uns nicht ganz unproblematisch, eine Frau Pauli ins unseren Reihen zu haben, das spreche ich ganz offen an. Wer sich bei uns einbringen will, ist herzlich willkommen, wenn er sich unseren Leitlinien, unseren Grundzielen unterordnet, wenn er sich hier einordnet. "
Dass sich eine Rebellin unterordnet, sich also unterwirft, ist da nur schwer zu glauben. Die Freien Wähler geben sich konservativ. Die traditionelle Familie ist ihnen heilig - doch Gabriele Pauli hält noch immer an ihrem unkonventionellen Vorschlag einer "Sieben-Jahres-Ehe" fest. Weshalb ihre Kritiker fürchten, dass sie den Parteifreien mehr schaden als nutzen wird, dass sie die biederen Wähler in den ländlichen Regionen wie im niederbayerischen Straubing eher abschreckt.
"Ich habe eher den Eindruck, dass die Frau Pauli keiner so richtig ernst nimmt. Nicht einmal innerhalb der Freien Wähler. Wir sind ein bisschen bodenständig. Wir sind ja alle schon Jahrzehnte verheiratet. Immer noch mit der gleichen Frau. Deswegen sind wir sicher nicht begeistert. Sie war ja immer schon ein wenig ein schräger Vogel. Aber das war sie nicht erst das letzte Jahr, das war sie früher bei der CSU genauso. Mir gefällt die Art der Frau, Themen aufzugreifen. Aber ob die Zeit reif ist für alles, was sie bisher von sich gegeben hat, wage ich zu bezweifeln. "
Noch hält sich Gabriele Pauli im Wahlkampf auffallend zurück. Intern aber soll sie großspurig angekündigt haben, sie allein werde bei den Freien Wählern künftig die Familienpolitik bestimmen. Dieses Gerücht jedenfalls lässt die Nürnberger CSU bereits eifrig streuen. Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Christsozialen - vor allem in ihren altbayerischen Kernregionen, dort wo die Wähler als besonders bodenständig gelten. "Wenn wir uns hätten etwas aussuchen dürfen, um den Freien Wählern zu schaden, dann sie", lässt sich ein CSU-Stratege zitieren. Und Ministerpräsident Günther Beckstein wird in einer seiner Wahlkampfreden noch deutlicher.
"Der eine gibt sich ganz konservativ und die andere sagt, sieben Jahre Ehe ist schon zu lang. Ich kenne Frau Pauli, wahrscheinlich besser als die meisten von Ihnen. Ich weiß, dass die in wenigen Wochen mehr zu sagen hat als der ganze Landesvorstand der Freien Wähler zusammen. Die versteht nämlich, wie man mit einem kurzen Höschen oder mit Latexhandschuhen dafür in jede Zeitschrift in Europa kommt. "
Viel Beifall erntet Beckstein mit dieser eher schlüpfrigen Bemerkung bei seinen Zuhörern nicht. Der Ton aber wird schärfer: Denn die CSU versteht keinen Spaß mehr, wenn es um die Frage geht, wer die Belange Bayerns in Berlin oder in Brüssel besser durchsetzen kann.
"Unser Gütesiegel ist natürlich die durchgängige Darstellung der Politik, weil Kommunalpolitik nur erfolgreich sein kann, wenn ich in Brüssel, Berlin und München auch erfolgreich bin. "
So der Leiter der bayerischen Staatskanzlei, Eberhard Sinner. Auf kommunaler Ebene hat die CSU die Wählergruppierungen jahrzehntelang - wenn auch zähneknirschend - akzeptiert. Und sie stets mit freundlicher Herablassung behandelt. Wenn es beispielsweise darum geht, wo in einer Kommune ein neuer Fußballplatz oder ein neues Feuerwehrhaus gebaut werden soll, gestehen die Christsozialen den Parteifreien großmütig Sachverstand zu. Mit einem möglichen Einzug ins Landesparlament schade sich die Aiwanger-Truppe doch nur selbst, hofft CSU-Minister Sinner.
"Denn der Vorteil, in Anführungszeichen, der Freien Wähler war, dass sie für keine irgendwie geartete Politik, die in Brüssel, Berlin oder München stattfindet, in Anspruch genommen werden konnte. Sie sind weder für eine Steuererhöhung verantwortlich noch für schwierige Entscheidungen bei Sparbeschlüssen. Sie waren in einer ganz komfortablen und bequemen Situation des Kritisierens der Landes-, Bundes- und europäischen Politik und konnten sagen, mein Spielfeld ist alleine die kommunale Ebene. Und diesen Ansatzpunkt verlassen sie jetzt. "
Schaffen die Freien Wähler tatsächlich erstmals den Sprung in den Landtag, ist für die CSU die Koexistenz mit ihnen auf kommunaler Ebene beendet. In Hintergrundgesprächen deuten führende CSU-Politiker an, die neue Konkurrenz dann mit allen Mitteln bekämpfen und bloßstellen zu wollen. Staatskanzleichef Sinner sieht es gelassener - oder sagt es zumindest so:
"Das Kuriose an dieser Protestbewegung ist, dass diese Protestbewegung sich selbst zu einer Partei macht und im Grunde nichts anderes ist, als eine andere Partei auch. Und es gibt viele unter den Freien Wählern, die im Grunde genommen von dieser Idee nicht sehr begeistert sind, weil sie sagen, da wird die Philosophie der Freien Wähler verraten, die eben gerade keine Partei sein wollen. "
"Guten Abend, meine Damen und Herren. An der Spitze unser Landesvorsitzender Hubert Aiwanger, ein Niederbayer. "
Der Vorsitzende des Landesverbands ist "das Gesicht" der Freien Wähler im Freistaat. Er ist 37 Jahre alt. Ledig. Ein Agraringenieur, der mit seinen Eltern bei Landshut einen Bauernhof mit 20 Milchkühen und 50 Zuchtsauen bewirtschaftet. Der Mann mit der hohen Stirn gilt als bodenständig und erzkonservativ. Eigenschaften, mit denen es sich bei der ländlichen Bevölkerung punkten lässt.
An diesem Abend in Straubing sitzen Landwirte, Handwerker, Ärzte, Polizisten und vor allem Kommunalpolitiker im Publikum: ein Landrat, einige Bürgermeister und viele ehrenamtliche Gemeinderäte. Sie wollen die Freien Wähler künftig als Ausdruck ihres Protestes im bayerischen Landtag sehen. Was sie eint, ist die Unzufriedenheit mit der CSU, die seit 51 Jahren in Bayern regiert; seit 1962 mit absoluter Mehrheit.
"Um in Bayern andere Mehrheitsverhältnisse zu schaffen, die Alleinherrschaft der CSU zu brechen, das ist nach langer Zeit einfach mal notwendig. Ich finde sehr gut an der Partei, dass eigentlich sehr viele Bürger und Seiteneinsteiger da drin sind. Nicht so die rund geschliffenen Parteisoldaten von der CSU, weil sich da Seilschaften bilden, die nicht sein sollten. Weil die 50 Prozent geknackt werden muss. Wenn mehrere Gruppierungen im Landtag vertreten sind, hat das Volk nur Vorteile. "
Zwei Mal schon hatten die Parteifreien für den bayerischen Landtag kandidiert. Zwei Mal ohne Erfolg: Bei der Landtagswahl 1998 verfehlten die Wählervereinigungen mit 3,7 Prozent, bei der Wahl 2003 mit vier Prozent den Einzug ins Maximilianeum. Am 28. September kann Landeschef Aiwanger aber darauf hoffen, mit den Freien Wählern erstmals den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen.
Wegen ihrer inhaltlichen Nähe zur Regierungspartei schon mal als "CSU light" verspottet, sind die Freien Wähler auf kommunaler Ebene im Freistaat längst eine ernstzunehmende politische Kraft. Die Wählervereinigungen waren mit den Grünen die Gewinner der bayerischen Kommunalwahlen im März dieses Jahres. Sie konnten die Zahl ihrer Mandate in den Gemeinderäten und Kreistagen um 20 Prozent steigern. Mittlerweile regieren 800 "freie" Bürgermeister im Freistaat - das ist jeder dritte Rathauschef. Ferner stellen die Freien 15 von 71 Landräten. Angesichts dieser Bilanz lässt Aiwanger selbstbewusst die Muskeln spielen.
"Wir sind die einzige Kraft, die groß zugelegt hat. Und die CSU hat am allerbesten verloren: Von 45,5 auf 40. Und wir haben von 15 auf 19 Prozent zugelegt. Dieses Ergebnis zeigt, dass wir es geschafft haben an die Bürger heranzukommen, dass wir es geschafft haben mit unseren Themen und unseren Leuten zu überzeugen. "
In den Umfragen der Meinungsforschungsinstitute zur Landtagswahl liegen die Freien Wähler zwischen vier bis sieben Prozent - mit leicht steigender Tendenz. Weit über 50 Prozent der Wahlberechtigten gelten laut ZDF-Politbarometer jedoch als Unentschlossene, die noch gar nicht wissen, ob sie am 28. September überhaupt zur Wahl gehen und falls ja, wen sie dann wählen sollen. Vor allem die CSU könnte nach ihrer jahrzehntelangen Vorherrschaft in Bayern ein Mobilisierungsproblem haben. In dem Unmut über die Staatsregierung sehen die Freien Wähler ihre Chance: Enttäuschte CSU-Wähler suchen eine bürgerliche Alternative zur Regierungspartei, glaubt Hubert Aiwanger - und zählt genüsslich deren Fehler auf. Angriffsflächen bietet die CSU nach fünfjähriger Zwei-Drittel-Mehrheit jede Menge.
"Und wenn wir hier analysieren, warum diese Fehler in dieser Dichte und in dieser Anwirkung so gemacht worden sind, dann kann man eindeutig sagen: weil hier eine absolute Mehrheit am Ruder ist, die niemand anderen fragen muss. Weil wir hier Leute am Tisch sitzen haben, die seit Jahren mit der Basis nicht mehr kommunizieren, die mit den Bürgermeistern, mit den Landräten, mit den kleinen Leuten draußen kein Gespräch mehr suchen, die sich eher verbarrikadieren und vor dem Volk verstecken."
Der Stachel im Fleisch der CSU zu sein, in dieser Rolle gefällt sich der hemdsärmelig auftretende Aiwanger, der der CSU die absolute Mehrheit streitig machen will. Einen Anti-CSU-Landwirt, so nennt ihn das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Dabei müsste er der CSU eigentlich dankbar sein: Sein Studium an der Fachhochschule Weihenstephan hat Hubert Aiwanger mit Hilfe der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung finanziert.
Der 37-Jährige legt eine steile politische Karriere hin: Vor sieben Jahren erst trat er dem als "Freie Wähler Bayern" eingetragenen Verein bei. Im März 2006 wurde er bereits zum Landesvorsitzenden gekürt. Kaum im Amt ließ er, um seinen Bekanntheitsgrad zu steigern, sein Konterfei landesweit plakatieren. Vom politischen Gegner lange belächelt, hat Aiwanger von Anfang an keinen Zweifel aufkommen lassen, welche Mission er zu erfüllen gedenkt: Viel zu lange seien die Freien Wähler viel zu brav der allmächtigen CSU gegenüber gewesen.
Mit den Themen Bildung und Landwirtschaft und dem Slogan "Frischer Wind für Bayern" versucht er seine biedere Truppe auf Landesebene zu positionieren. Aiwanger spricht eine einfache Sprache; er poltert und polarisiert. Das kann gefährlich für die CSU sein, denn er spricht - anders als beispielsweise die FDP - vor allem die auch von der CSU umworbenen so genannten "kleinen Leute" an.
"Es ist mittlerweile schon so, dass es genügend Leute gibt, die es mit Grauen erfüllt, wie hier mit einer Machtarroganz gesagt wird: die CSU ist Bayern und Bayern ist die CSU. Eigentlich ist ja diese Aussage schon ein leichter Hauch von Totalitarismus, hätte ich jetzt bald gesagt. Deshalb brauchen wir eine Kraft im Landtag, die der CSU auf die Finger schaut"
Die Freien Wähler wollen da punkten, wo die CSU ihrer Meinung nach Schwächen aufweist: Kostenfreie Kindergärten, kleinere Klassen, flächendeckende Versorgung mit Hausärzten, Nein zum strikten Rauchverbot, den ländlichen Raum mit Straßenbau und schnellen Internetanschlüssen verbessern - ihre Forderungen haben sie in so genannten Leitlinien zusammengefasst. Antworten, wie sie ihre Vorschläge finanziell umsetzen wollen, bleiben sie in ihren nur plakativ formulierten Wahlversprechen allerdings schuldig. Auf dem flachen Land, wo die Menschen über Nachteile gegenüber den Ballungsräumen klagen, fallen die Wünsche der Parteifreien jedoch auf fruchtbaren Boden.
Wer es mit Aiwanger gut meint, sagt: er habe die rund 40.000 Mitglieder der Freien Wähler aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt. Seine Kritiker halten ihm dagegen seinen oft polemischen Stil vor. So manchem Landrat oder Bürgermeister in den eigenen Reihen ist der 37-Jährige zu populistisch, zu unseriös, zu frech - etwa wenn er die CSU durch die Blume als korrupt und käuflich beschimpft.
"Wenn ich von der CSU und einem Wahlkampfetat von elf Millionen Euro höre, dann würde es mich interessieren, woher die elf Millionen kommen? Ob es auch so ist wie bei den Freien Wählern, dass das alles Mitgliedsbeiträge sind und Rückerstattungen von der letzten Wahl - oder ob da einige Gelder dabei sind, wo es vielleicht nach der Wahl so ist, dass ein paar unsichtbare Gestalten mit am Parlamentstisch sitzen. Und derjenige, der die Hand heben muss, nicht mehr frei entscheiden kann. Das ist jetzt als Frage formuliert, da kann sich jeder seinen Reim drauf machen. "
Seine Reden sind Stimmungsmache pur gegen die CSU. Koalieren mit den Christsozialen würde Aiwanger trotzdem - falls sie nach dem 28. September einen kleinen Koalitionspartner bräuchten.
Die bayerische Landtagwahl verspricht spannend zu werden wie lange nicht mehr: Reicht es für die CSU oder nicht? Wird die Partei ihre absolute Mehrheit im Parlament verteidigen, und ihr Wahlziel "50 plus X" erreichen? Und wie viele Parteien werden in den neuen bayerischen Landtag einziehen? Drei wie bisher? Vier, fünf, oder sogar sechs? Alles ist offen - gut sechs Wochen vor dem Wahltermin.
Eingebunden in die Große Koalition in Berlin, müssen CSU und SPD zuhause Protest fürchten. Es werden die kleinen Parteien profitieren, sind sich die Meinungsforschungsinstitute einig: Neben den Grünen, die bereits im Landesparlament vertreten sind, können sich die FDP, die Freien Wähler und vielleicht sogar die Linkspartei Hoffnungen machen, dem nächsten bayerischen Landtag anzugehören.
Über keinen Konkurrenten ärgern sich die Christsozialen mehr als über die Aiwanger-Truppe. Es fällt auf, dass die CSU mit keiner Partei so scharf ins Gericht geht wie mit den Freien Wählern, weil sich beide in ihren konservativen Politikansätzen so ähnlich sind. Die Freien Wähler profilieren sich ausschließlich auf Kosten der CSU, giftet Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber auf einer Wahlkampfveranstaltung. "Sie sind Trittbrettfahrer unserer Politik", schimpft sein Nachfolger an der Parteispitze, CSU-Chef Erwin Huber, bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
"Mit absurden Ideen müssen wir uns auch kämpferisch auseinandersetzen. Und wenn ich dazu sage, das Programm der Freien Wähler, das ist so ergiebig, das es auf einer Briefmarke locker geschrieben werden kann, dann muss man es den Menschen auch sagen. Für nichts darf man nicht gewählt werden, liebe Freunde. "
Hubers Kampfansage hat ihren Grund: Denn ob die CSU ihre Regierungsmehrheit verteidigen kann, hängt auch von der künftigen Zahl der Fraktionen im Landtag, vor allem von deren Stärke ab. Sollte es nur ein Drei- oder Vier-Parteien-Parlament geben, könnte der CSU bereits ein Stimmenanteil von unter 50 Prozent reichen für die absolute Mehrheit der Mandate. Sollten also die Freien Wähler und die Linkspartei an der Fünf-Prozent-Hürde knapp scheitern, könnte die CSU auch mit rund 48 Prozent allein, ohne Koalitionspartner weiter regieren. Bis das aber feststeht, macht sich der Parteivorsitzende über die Opposition lustig.
"Unsere politischen Gegner - SPD, Grüne, Linke, FDP und Freie Wähler und andere - sie wollen sich jetzt zusammentun zu einer Vierer- oder Fünferkoalition. Das einzige, was eine solche Koalition zusammenhält, ist die Abneigung gegen die CSU, ist ja der Hass gegen die CSU. Das Destruktive darf doch nicht gewinnen, weil es den Absturz Bayerns bedeuten würde. Jetzt muss man sich eine solche Viererkoalition mal vorstellen: Da joggt einer vorweg im Obama-T-Shirt, dahinter gaukeln die grünen Hofnarren, dann marschieren die Roten Garden, und zum Schluss trotteln die Freien Wähler mit ihrem neuen Funkenmariechen. "
Einen Namen muss er nicht nennen. Jeder weiß, wer gemeint ist: Ex-CSU-Rebellin Gabriele Pauli. Ihre Kandidatur gegen Duz-Freund Günther, Ministerpräsident Günther Beckstein, verblüfft und schockiert in Bayern gleichermaßen. Die Ex-Landrätin aus Fürth tritt am 28. September als Kandidatin für die Freien Wähler an - ausgerechnet in Becksteins Stimmkreis Nürnberg-Nord.
"Nicht mit dem Ziel, irgendeinen einen Posten zu erreichen. Ich brauche auch keine Position in irgendeinem Mandat. Ich glaube, ich habe in der Vergangenheit gezeigt, dass es mir nicht darum geht, irgendein Amt zu haben oder zu halten. Sonst hätte ich ja auch nicht aufzuhören brauchen. Sondern mir geht es darum, das, was ich sich versuche seit 30 Jahren in der Politik zu erreichen, auch wirkungsvoll einzusetzen. Ich will nicht mehr in hunderten von Sitzungen dabeisitzen, wo alle nur einstimmig abnicken, was einer sagt. Da ist mir meine Zeit zu schade. "
Die "Freien Wähler" leben vom Protest gegen die Regierungspartei. Mit ihrer Popularität passt die 51-Jährige da scheinbar perfekt ins Konzept. Noch ist nicht vergessen, dass es Gabriele Pauli war, die zur Jahreswende 2007 den Mut aufgebracht hat, offen gegen die CSU-Größe Edmund Stoiber zu rebellieren; was letztendlich zu dessen Rücktritt führte. Auf die Frage aber, welche konkreten Ziele sie mit ihrer Kandidatur verbindet, bleibt sie vage:
"Es geht darum zu zeigen, dass wir eine Bürgerbewegung sind. Dass sich hier alle Bürger einbringen können, die es satt haben, dass nur Macht zählt, dass einige Politiker daran kleben, ihre Ministersessel zu erhalten und alles daran ausrichten. Und Fähnchen im Wind werden wie beim Rauchverbot, wo man wieder umkippt und sich nur an Umfragewerten orientiert.. "
Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die Begeisterung Hubert Aiwangers für Gabriele Pauli in Grenzen hält. Der ehrgeizige Landesvorsitzende hat Paulis Wechsel zu den Freien Wählern nicht eben forciert; zumal er ihre Konkurrenz in der öffentlichen Wahrnehmung fürchten muss. Doch Aiwanger wird von seinen Nürnberger Parteifreunden schlicht überrumpelt und vor vollendete Tatsachen gestellt.
"Natürlich ist eine Frau Pauli gestartet als Volksheldin damals, als sie einen Stoiber gestürzt hat. Und ist dann aus der politischen Öffentlichkeit verschwunden, als ihr Ansehen einigermaßen ramponiert gewesen ist und sie vielleicht auf die zwei Punkte "Ehe auf Zeit" und "Handschuhgeschichte" reduziert worden ist. Das ist natürlich für uns nicht ganz unproblematisch, eine Frau Pauli ins unseren Reihen zu haben, das spreche ich ganz offen an. Wer sich bei uns einbringen will, ist herzlich willkommen, wenn er sich unseren Leitlinien, unseren Grundzielen unterordnet, wenn er sich hier einordnet. "
Dass sich eine Rebellin unterordnet, sich also unterwirft, ist da nur schwer zu glauben. Die Freien Wähler geben sich konservativ. Die traditionelle Familie ist ihnen heilig - doch Gabriele Pauli hält noch immer an ihrem unkonventionellen Vorschlag einer "Sieben-Jahres-Ehe" fest. Weshalb ihre Kritiker fürchten, dass sie den Parteifreien mehr schaden als nutzen wird, dass sie die biederen Wähler in den ländlichen Regionen wie im niederbayerischen Straubing eher abschreckt.
"Ich habe eher den Eindruck, dass die Frau Pauli keiner so richtig ernst nimmt. Nicht einmal innerhalb der Freien Wähler. Wir sind ein bisschen bodenständig. Wir sind ja alle schon Jahrzehnte verheiratet. Immer noch mit der gleichen Frau. Deswegen sind wir sicher nicht begeistert. Sie war ja immer schon ein wenig ein schräger Vogel. Aber das war sie nicht erst das letzte Jahr, das war sie früher bei der CSU genauso. Mir gefällt die Art der Frau, Themen aufzugreifen. Aber ob die Zeit reif ist für alles, was sie bisher von sich gegeben hat, wage ich zu bezweifeln. "
Noch hält sich Gabriele Pauli im Wahlkampf auffallend zurück. Intern aber soll sie großspurig angekündigt haben, sie allein werde bei den Freien Wählern künftig die Familienpolitik bestimmen. Dieses Gerücht jedenfalls lässt die Nürnberger CSU bereits eifrig streuen. Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Christsozialen - vor allem in ihren altbayerischen Kernregionen, dort wo die Wähler als besonders bodenständig gelten. "Wenn wir uns hätten etwas aussuchen dürfen, um den Freien Wählern zu schaden, dann sie", lässt sich ein CSU-Stratege zitieren. Und Ministerpräsident Günther Beckstein wird in einer seiner Wahlkampfreden noch deutlicher.
"Der eine gibt sich ganz konservativ und die andere sagt, sieben Jahre Ehe ist schon zu lang. Ich kenne Frau Pauli, wahrscheinlich besser als die meisten von Ihnen. Ich weiß, dass die in wenigen Wochen mehr zu sagen hat als der ganze Landesvorstand der Freien Wähler zusammen. Die versteht nämlich, wie man mit einem kurzen Höschen oder mit Latexhandschuhen dafür in jede Zeitschrift in Europa kommt. "
Viel Beifall erntet Beckstein mit dieser eher schlüpfrigen Bemerkung bei seinen Zuhörern nicht. Der Ton aber wird schärfer: Denn die CSU versteht keinen Spaß mehr, wenn es um die Frage geht, wer die Belange Bayerns in Berlin oder in Brüssel besser durchsetzen kann.
"Unser Gütesiegel ist natürlich die durchgängige Darstellung der Politik, weil Kommunalpolitik nur erfolgreich sein kann, wenn ich in Brüssel, Berlin und München auch erfolgreich bin. "
So der Leiter der bayerischen Staatskanzlei, Eberhard Sinner. Auf kommunaler Ebene hat die CSU die Wählergruppierungen jahrzehntelang - wenn auch zähneknirschend - akzeptiert. Und sie stets mit freundlicher Herablassung behandelt. Wenn es beispielsweise darum geht, wo in einer Kommune ein neuer Fußballplatz oder ein neues Feuerwehrhaus gebaut werden soll, gestehen die Christsozialen den Parteifreien großmütig Sachverstand zu. Mit einem möglichen Einzug ins Landesparlament schade sich die Aiwanger-Truppe doch nur selbst, hofft CSU-Minister Sinner.
"Denn der Vorteil, in Anführungszeichen, der Freien Wähler war, dass sie für keine irgendwie geartete Politik, die in Brüssel, Berlin oder München stattfindet, in Anspruch genommen werden konnte. Sie sind weder für eine Steuererhöhung verantwortlich noch für schwierige Entscheidungen bei Sparbeschlüssen. Sie waren in einer ganz komfortablen und bequemen Situation des Kritisierens der Landes-, Bundes- und europäischen Politik und konnten sagen, mein Spielfeld ist alleine die kommunale Ebene. Und diesen Ansatzpunkt verlassen sie jetzt. "
Schaffen die Freien Wähler tatsächlich erstmals den Sprung in den Landtag, ist für die CSU die Koexistenz mit ihnen auf kommunaler Ebene beendet. In Hintergrundgesprächen deuten führende CSU-Politiker an, die neue Konkurrenz dann mit allen Mitteln bekämpfen und bloßstellen zu wollen. Staatskanzleichef Sinner sieht es gelassener - oder sagt es zumindest so:
"Das Kuriose an dieser Protestbewegung ist, dass diese Protestbewegung sich selbst zu einer Partei macht und im Grunde nichts anderes ist, als eine andere Partei auch. Und es gibt viele unter den Freien Wählern, die im Grunde genommen von dieser Idee nicht sehr begeistert sind, weil sie sagen, da wird die Philosophie der Freien Wähler verraten, die eben gerade keine Partei sein wollen. "