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Angriff auf Klinik in Kundus
US-Militär: Afghanische Armee forderte Luftangriff an

Der US-Luftangriff auf eine Klinik in Kundus mit 22 Toten wurde auf Bitten der afghanischen Sicherheitskräfte geflogen. Damit korrigieren die USA vorherige Angaben, wonach eigene Truppen unter Taliban-Beschuss gewesen waren. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen als Betreiber der Klinik bezeichnete den Vorfall als Kriegsverbrechen.

    Afghanische Armee in Kundus (30.09.2015)
    Die USA haben den Luftangriff nach eigenen Angaben auf Bitten Afghanistans geflogen. (picture alliance / dpa / Jawed Kargar)
    "Wir haben jetzt erfahren, dass die afghanischen Streitkräfte am 3. Oktober Feuer von Feindespositionen gemeldet haben und um Unterstützung der US-Luftwaffe baten", sagte der US-General John Campbell. Dann sei ein Luftangriff angeordnet worden, "um die Bedrohung durch Taliban zu eliminieren, und mehrere Zivilisten wurden unbeabsichtigt getroffen."
    Am Samstag war die Klinik von US-Kampfflugzeugen angegriffen und zerstört worden. Die Stadt war zuvor von den radikalislamischen Taliban erst erobert, dann von Regierungstruppen wieder eingenommen worden. Nach Angaben der Ärzte ohne Grenzen (MSF) starben bei dem Angriff zwölf Klinik-Mitarbeiter und zehn Patienten. Die Organisation kündigte an, sich vorerst aus Kundus zurückzuziehen, und forderte eine unabhängige Untersuchung der Bombardierung ihres Krankenhauses. "Unter der klaren Annahme, dass ein Kriegsverbrechen begangen wurde, fordert MSF eine vollständige und transparente Untersuchung des Vorfalls durch eine unabhängige internationale Organisation", sagte Generaldirektor Christopher Stokes.
    Auch der UN-Hochkommissar für Menschenrechte schloss nicht aus, dass es sich um einen kriminellen Akt gehandelt haben könnte. "Dieses Ereignis ist absolut tragisch, unentschuldbar und möglicherweise sogar kriminell", sagte Prinz Said Raad al-Hussein.
    MSF: Keine Kämpfe in der Klinik
    Ärzte ohne Grenzen wies zudem Vorwürfe der afghanischen Regierung zurück, Taliban-Kämpfer hätten aus der Klinik heraus auf afghanische Soldaten und US-Truppen geschossen. "Diese Erklärungen implizieren, dass afghanische und US-Kräfte entschieden, zusammenzuarbeiten, um ein voll funktionierendes Krankenhaus mit über 180 Mitarbeitern und Patienten dem Boden gleich zu machen, weil sie behaupteten, dass Taliban-Mitglieder dort präsent seien", betonte Stokes. Per Twitter teilte die Organisation zudem mit, keiner ihrer Mitarbeiter habe Kämpfe in der Klinik gemeldet.
    Die Hilfsorganisation hatte nach eigenen Angaben die GPS-Koordinaten des medizinischen Zentrums an die Streitkräfte weitergegeben. Dieses Vorgehen ist üblich, um zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser zu schützen. Die Organisation betrieb die Klinik in Kundus seit mehr als vier Jahren. Sie war das einzige im Nordosten Afghanistans, das schwere Kriegsverletzungen behandeln konnte. Zudem soll das Personal in Kundus militärische Stellen in Kabul und Washington per Telefon davon informiert haben, dass die Klinik angegriffen werde. Dennoch sei das Krankenhaus mehr als eine Stunde lang in Abständen von 15 Minuten bombardiert worden.
    US-Militär: Angriff war auf Bitten Afghanistans
    Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes betonte, es müsse geklärt werden, wer für den Vorfall verantwortlich sei. "Wenn es Verantwortlichkeiten gibt, bedeutet das, dass die, die Verantwortung tragen, dafür geradestehen müssen." Ob es sich bei dem Angriff auf die Klinik um ein Kriegsverbrechen handelt, wollte er nicht kommentieren: "Unsere Informationen über die Lage in Kundus sind lückenhaft." Die Bundeswehr hatte in der nordafghanischen Stadt von 2003 bis 2013 ein Feldlager betrieben. Die NATO teilte unterdessen mit, eine Untersuchung des Angriffs sei angelaufen. Man erwarte die Ergebnisse in wenigen Tagen.
    (hba/tzi)