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Angriff in Straßburg
"Das war ein Schock"

Nach dem Angriff in Straßburg hat sich EU-Politiker Elmar Brok für eine Stärkung der Polizei und eine bessere Zusammenarbeit der Behörden ausgesprochen. Der EVP-Abgeordnete hielt sich während des Angriffs im EU-Parlament auf. Im Dlf sagte er, man dürfe sich nicht von solchen Ereignissen einschränken lassen.

Elmar Brok im Gespräch mit Philipp May |
    Einsatzkräfte der Polizei sichern einen Eingang zur Straßburger Altstadt
    Einsatzkräfte der Polizei sichern einen Eingang zur Straßburger Altstadt (Christoph Schmidt / dpa)
    Philipp May: Wir kommen natürlich auch nicht an diesem Thema vorbei. Wieder hat es einen Weihnachtsmarkt getroffen, diesmal in Straßburg, wieder Frankreich. Kein anderes Land in Europa ist bisher so oft heimgesucht worden von terroristischen Attentätern. Und auch dieses Mal gehen die Behörden von einem Terroranschlag aus, nachdem gestern Abend ein 29jähriger Mann das Feuer eröffnet hat. Mindestens drei Menschen starben, zwölf wurden verletzt. Und das in einer Woche, in der das EU-Parlament in Straßburg Plenarwoche hat.
    Auch viele Abgeordnete und ihre Mitarbeiter erlebten gestern bange Stunden. Einer von ihnen der CDU-Politiker Elmar Brok, Abgeordneter der konservativen EVP-Fraktion. Er ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!
    Elmar Brok: Guten Morgen. – Der christdemokratischen EVP-Fraktion.
    May: Alles klar. So viel Zeit muss sein, Herr Brok. Christdemokratisch trotz der ungarischen Fidesz-Partei?
    Brok: Ja.
    May: Okay, Herr Brok, in solchen Momenten wird sogar der Brexit kurz mal unwichtig, oder?
    Brok: Das ist wahr. Das war schon eine Schockwirkung, als wir das hörten und immer mehr von den Dingen hörten und feststellten, dass wir selbst nicht herauskamen, sondern für mehrere Stunden Gefangene im Europäischen Parlament waren, bis etwa zwei Uhr heute Nacht. Das war schon ein seltsames und mulmiges Gefühl. Aber insbesondere heute Morgen kommt einem das besonders unwirklich vor.
    "Ich fürchte, dass man damit umgehen muss"
    May: Herr Brok, wir verstehen Sie ganz schlecht. Können Sie vielleicht das Telefon etwas anders halten und noch mal erzählen, wie Sie den Abend erlebt haben?
    Brok: Wir sind im Parlament gewesen. Wir hatten Debatte weiterhin, bis spät in den Abend, und hörten dann, was passiert ist und dass das Parlament abgeschlossen ist, dass wir nicht mehr das Parlament verlassen durften. Wir haben uns dann im Parlament bis spät in die Nacht aufgehalten und konnten dann schließlich weit nach Mitternacht erst auf eigenes Risiko das Parlament verlassen und zu unseren Hotels gehen. In der Innenstadt war sogar der Zugang höchst problematisch und wurde nur möglich durch Polizei, die die Kollegen dann in die Hotels gebracht haben.
    May: Und was haben Sie dann gemacht? Sie sind das Risiko eingegangen? Hatten Sie keine Angst?
    Brok: Es ist ganz seltsam. Ich habe mehrfach nicht direkt so eine ähnliche Situation gehabt. Wenn eine solche Situation da ist, hat man keine Angst mehr. Dann spielt wahrscheinlich der Adrenalinspiegel eine Rolle, so dass man das dann erträgt.
    May: Ich habe das heute schon Robert Habeck von den Grünen gefragt. Ich frage Sie das auch. Immer wieder terroristische Anschläge in Europa. Auch hier geht die Polizei ja von einem terroristischen Hintergrund aus. Der mutmaßliche Täter war als Gefährder eingestuft. Wie sollen wir als westliche Gesellschaft mit so etwas umgehen?
    Brok: Ich fürchte, dass man damit umgehen muss. Wir müssen Polizei stärken. Wir müssen vorsichtig sein. Die Sicherheitsdienste müssen zusammenarbeiten, um etwas zu erfahren. Manche dieser Überfälle, dieser Attentate sind dann auch verhindert worden. Aber wenn das Menschen sind, die hier geboren sind, die hier leben und dann als Einzeltäter auftreten, dann hat natürlich Polizei selten eine Chance, wirklich dort frühzeitig etwas zu tun. Aus dem Grunde werden wir, glaube ich, in modernen Gesellschaften mit so etwas leben müssen.
    Brok redet auf dem Podium zu den Delegierten.
    Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok (imago / Sven Simon)
    "Wenn man das als ständige Bedrohung betrachtet, dann haben die Attentäter auch gewonnen"
    May: Verändert dieser Anschlag Ihr persönliches Sicherheitsgefühl, wenn Sie da so nah dran waren?
    Brok: Das frage ich mich heute Morgen auch. Aber ich glaube nicht, denn wir müssen sehen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es einen selbst trifft, obwohl ich jetzt nah dran war, in derselben Stadt war, das ist ja recht selten. Und ich glaube, man muss auch zur Tagesordnung ein Stückchen übergehen, weil man sonst das nicht erträglich findet. Wenn man das als ständige Bedrohung betrachtet, dann ist Leben, glaube ich, nicht möglich und dann haben die Attentäter auch gewonnen.
    May: Das heißt, Sie versuchen, heute so schnell es geht zur politischen Tagesordnung überzugehen?
    Brok: Ja. Ich werde um neun Uhr im Parlament wieder sein, wie vorgesehen. Wenn wir das anders machten, hätte ja der Terrorismus gewonnen. Gerade wir Politiker müssen doch zeigen, dass wir dann das normale Leben weiterführen und uns durch diese Terroristen nicht das Leben vergraulen lassen.
    "Ich hoffe, dass in Großbritannien Vernunft einkehren wird"
    May: Herr Brok, dann will ich mir an dieser Stelle einfach mal ein Beispiel nehmen. Ich habe am Anfang gesagt, wir haben gesagt, dass der Brexit kurz unwichtig wird, wenn so etwas passiert. Aber er wird nur kurz unwichtig. Natürlich ist er wichtig.
    Sie sind ja mit im Verhandlungsteam beziehungsweise im Brexit-Team des EU-Parlaments, besser gesagt. Erlauben Sie mir eine Frage zum Brexit: Ist Theresa Mays Hoffnung auf ein Entgegenkommen der EU zum Scheitern verurteilt?
    Brok: Entgegenkommen ist, dass wir Erklärungen herbeiführen können. Wir brauchen diesen Backstop, diese Versicherung für Irland, damit es weiterhin eine offene Grenze zwischen den beiden Irlands gibt. Das ist Bedingung auch für uns. Sonst gibt es keinen Deal mit Großbritannien. Das ist auch ausverhandelt worden.
    Diese Art Zollunion, die greifen soll, wenn es zu keiner anderen zukünftigen Vereinbarung kommen sollte, diese Versicherung ist von Großbritannien selbst vorgeschlagen worden. Wir hatten andere Vorschläge und jetzt kann man das nicht abschaffen. Das wäre, als wenn man eine Feuerversicherung abschafft, weil das Feuer bisher noch nicht eingetreten ist. Aus diesem Grunde muss, glaube ich, Theresa May dieses durchs Parlament bringen.
    Ich sehe auch die Schwierigkeiten, die dort sind. Ich sehe, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt sie das nicht gewinnen kann. Aber ich glaube, die britische Bevölkerung sowie die Abgeordneten in Westminster müssen lernen: Es gibt diese Möglichkeiten dieses Backstops, dieses Austrittsvertrages, der uns die Möglichkeit gibt, dann anschließend für zwei, drei oder vier Jahre ein großartiges Freihandelsabkommen auszuhandeln, damit der Schaden vom Brexit gemindert wird. Oder es gibt einen harten Brexit, unter dem wir alle leiden werden, aber Großbritannien weit mehr, und ich hoffe, dass so viel Vernunft dort einkehren wird.
    Aber gegenwärtig gibt es in London für nichts eine Mehrheit. Es gibt nur negative Mehrheiten, etwas abzulehnen, aber Gestalterisches gibt es dort nicht. Das ist eine wahnsinnige Situation, wie ich sie in der Politik noch nicht erlebt habe, wenn ein Land kollektiv an die Wand gefahren wird.
    May: Macht sich die EU auf einen harten Brexit gefasst?
    Brok: Ja, wir bereiten uns vor. Es werden die entsprechenden gesetzgeberischen Maßnahmen vorbereitet, damit man das Schlimmste auffangen kann. Unternehmen bereiten sich klugerweise darauf vor, um auf diese Art und Weise den Schaden in den Griff zu bekommen, der unweigerlich eintreten wird. Aber dasselbe passiert auch in Großbritannien und ich glaube, dass die Vorsicht das gebietet. Aber noch ist nicht aller Tage Abend.
    May: … sagt Elmar Brok live in Straßburg, Mitglied der christdemokratischen Fraktion im Europaparlament. Herr Brok, vielen Dank für das Gespräch.
    Brok: Danke, Herr May.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.