Erst beschimpft und geschlagen, später Schrauben im Autoreifen - das ist zuletzt einem Reporter der Ostthüringer Zeitung am Rande einer AfD-Veranstaltung in Plothen, im Saale-Orla-Kreis, passiert. Es ist nicht der erste Vorfall für den Journalisten. Im vergangenen Jahr wurde er bereits während einer Begegnung mit dem damaligen Bürgermeister Bad Lobensteins angegriffen.
Bedrohung unverändert hoch
Die Studie "Feindbild Journalist:in 7: Berufsrisiko Nähe" des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit in Leipzig hat zwar für 2022 weniger Angriffe auf deutsche Medienschaffende verzeichnet, stellt aber zugleich fest:
Als Anzeichen für eine Entspannung der Sicherheitslage lässt sich der Rückgang jedoch nicht lesen.
Vor allem für Lokaljournalistinnen und -reporter ist die Gefahr unverändert hoch. Die Zahl der Angriffe auf sie hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht.
Angriffe vor allem in antisemitischen und rechtsextremen Kontexten
Zu einer anderen Einschätzung kommt die Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen". Sie hat letztes Jahr so viele Angriffe auf deutsche Medienschaffende gezählt wie noch nie zuvor seit Beginn der Zählung: insgesamt 103. Über 80 Prozent davon in verschwörungsideologischen, antisemitischen und rechtsextremen Kontexten.
Auch Nils Kawig, Chefredakteur der Ostthüringer Zeitung, kommt zu einem ähnlichen Schluss. Am Rande von AfD-Veranstaltungen, aber auch bei der Berichterstattung zu den Reichsbürgern und ähnlichen Gruppierungen komme es immer wieder zu Behinderungen.
Neue Qualität der Angriffe
Das Level der Angriffe habe eine neue Qualität erreicht und gehe über Pöbeleien hinaus. Seine Redaktion versuche möglichst immer Teams aus mindestens zwei Reporter oder Reporterinnen raus zu schicken. Vereinzelt gebe es auch Personenschutz, um eine freie Berichterstattung zu ermöglichen. Außerdem ist die Funke-Mediengruppe Mitglied bei "Schutzkodex". Dieser umfasst Standards und Schutzmaßnahmen für Medienhäuser und ihre Mitarbeitenden.
Reporter ohne Grenzen kritisieren mangelnden Schutz von Journalistinnen und Journalisten sowie, dass Angriffe nicht juristisch geahndet werden. Dadurch sinke die Hemmschwelle.
Bedroht, eingeschüchtert, angegriffen
Angriffe passieren auf die unterschiedlichste Art und Weise. Anfang des Jahres berichtete ein Reporter des NDR von Eierwürfen und eingeschlagenen Autoscheiben bei einem Routine-Einsatz in der Nähe von Hannover.
Obligatorisch sind für einige Medienschaffende Lügenpresse-Rufe oder Begleitschutz auf Demonstrationen geworden. Aber es gibt auch immer wieder Einschüchterungsversuche auf ganz anderer Ebene. So berichtete die Siegener Zeitung, wie die IHK Siegen kritische Berichterstattung verhindern wollte.