Kabul, die Hauptstadt von Afghanistan in diesen Tagen. An einem Verkehrskreisel winkt ein Taliban-Kämpfer Autos an die Seite. Zu seinem Turban trägt er einen Kampfanzug in Tarnfleck, in einer Hand hält er ein amerikanisches Sturmgewehr. In den Kofferraum müsse er mal reinschauen, sagt er. Wer nichts im Schilde führe, brauche sich nicht zu sorgen. Er sei nur für die Sicherheit zuständig, fahnde nach Dieben und Terroristen des „IS“.
„Als wir in Kabul ankamen, waren die Leute etwas ängstlich. Sie hielten uns für unzivilisiert. Aber jeden Tag mehr begreifen sie, dass wir ganz anders sind. Wir mögen die Menschen hier – und sie sind auch glücklich, dass wir jetzt da sind.“
Fast ein halbes Jahr auf der Flucht im eigenen Land
Die Frau, die unweit vom Checkpoint auf uns wartet, ist keine Diebin und gehört auch nicht zur Terrororganisation „IS“. Und doch: Nichts fürchtet sie so sehr wie eine derartige Kontrolle.
„Früher haben die Taliban noch offizielle Drohbriefe geschickt, mit Briefkopf und Siegel des Emirats. Aber inzwischen rufen sie an, sie geben uns die Wahl, entweder, uns zu stellen oder von ihnen getötet zu werden. Sie melden sich direkt von ihren Telefonen, mit unterschiedlichen Nummern. Dabei stellen sie sich sogar namentlich vor: „Wir kennen euch und ihr kennt uns. Wir wissen auch, wo ihr euch aufhaltet. Bald kommen wir euch holen!“ Sie tun so, als ob sie wissen, wo wir uns gerade aufhalten. Das ist der Grund, weshalb wir alle in der Familie ständig die Wohnung wechseln.“
Golzom Rezaee ist Anfang 40. Sie trägt eine Brille und hat sich ein schwarzgelbes Tuch locker um die Haare gebunden. In einer Trabantenstadt Kabuls, in einer von vielen gleichförmigen Wohnungen, kauert auf sie einem Teppich. Neben sich eine Thermoskanne mit Tee, hinter sich die Reisetasche, aus der sie lebt. Alle paar Tage müsse sie die Unterkunft wechseln, erzählt sie, aus Sicherheitsgründen. Die Sim-Karte ihres Handys müsse sie ständig erneuern. Es dauere nie lange, bis die Taliban sie wieder aufspürten und sich meldeten. Vor fünf Monaten war Rezaee noch Abgeordnete im Provinzparlament von Ghor, Zentralafghanistan.
„Ich war für die Rechte von Frauen und Kindern zuständig, in einer Provinz die ziemlich unterentwickelt ist. Dort gibt es viele Minderjährige, die zur Heirat gezwungen werden. Ich habe mich immer gegen solche Zwangsehen engagiert. In einem Fall zum Beispiel wurden wir tätig, als ein Mädchen gezwungen wurde, einen Taliban-Kämpfer zu heiraten. Wir versuchten, sie von diesem Talib wegzuholen und sie wieder zu ihrer Familie zu bringen.“
Seit August 2021, seit der Machtübernahme der Taliban, ist Golzom Rezaee nun schon auf der Flucht im eigenen Land. Und so wie ihr, sagt sie, gehe es auch anderen Frauen aus den Provinzparlamenten. Über ihren Laptop setzt sie uns mit einer Kollegin in Verbindung, mit Nufisa Huran, Abgeordnete des Lokalrats von Logar, einer Provinz im äußersten Osten. Bereits 2020 wurde sie dort von Taliban angeschossen und schwer verletzt. Noch immer erhole sie sich von den Folgen, erzählt Huran. Die Verletzung mache es ihr schwer, ständig auf der Flucht zu sein.
„Seit die Taliban Kabul erobert haben, bin ich bis jetzt in sechs verschiedenen Unterkünften gewesen, nur um mein Leben zu retten. 2020 bin ich von den Taliban angeschossen worden und habe acht Monate im Krankenhaus in Kabul gelegen. Um aus Afghanistan rauszukommen, habe ich die Internationale Organisation für Migration schon längst per Mail um Hilfe gebeten. Aber bisher ohne Antwort. Mein Name ist bisher auf keiner Evakuierungsliste.“
Das „Ministerium zur Verbreitung von Tugend und Verhinderung des Lasters“ dominiert die Politik
Golzom Rezaee und Nafisa Huran sind zwei Abgeordnete aus der Provinz. Sie wirken erst einmal unscheinbar, zu unwichtig, könnte man meinen – die beiden Frauen widersprechen. Ihr Gesellschaftsmodell, also das, wofür sie sich engagierten, unterscheide sich ganz grundsätzlich vom Modell der Taliban. Tatsächlich zeichnet sich immer klarer ab, was unter diesem neuen „Islamischen Emirat Afghanistan“ zu verstehen ist. Repräsentiert wird es vor allem durch eine Institution: Das „Ministerium zur Verbreitung von Tugend und Verhinderung des Lasters“. Untergebracht ist es in den Räumen des Frauenministeriums, das abgeschafft wurde. Der Sprecher des Ministeriums ist der Religionsgelehrte Maulana Sadiq Akif. Er behauptet:
„Ich bin überzeugt: Die Regierung, die wir jetzt aufbauen, wird sich zum Musterbeispiel für die ganze Welt entwickeln. Denn im Islam steht jedes Recht bereits geschrieben. Alles ist dort schon festgelegt: Was die Rechte der Menschen sind, und was die Aufgaben des Staates.“
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Das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern – im neuen „Islamischen Emirat Afghanistan“ soll es nicht auf einem Gesellschaftsvertrag aufbauen, den Menschen miteinander abgeschlossen haben, mit einklagbaren Rechten vor Institutionen, die ebenfalls von Menschen geschaffen wurden. Nein, Gott ist der Souverän. Und wer sich gegen Gott stellt, begeht, so jedenfalls die Logik des Tugendministeriums, keinen Gesetzesverstoß, sondern eine Sünde. Wie aber zu verstehen ist, was Gott sagt und wie eine Sünde auf Erden dann gesühnt werden kann, genau das festzustellen, sei die Aufgabe des Tugendministeriums, so sein Sprecher. Viel Macht also in den Händen von wenigen.
„Wenn Bürger unislamisch handeln, dann besteht unser erster Schritt darin, die Betreffenden zu islamischem Verhalten zu ermutigen. Sollten sie nicht Folge leisten, erfolgt der zweite Schritt, die Warnung: Ändere dein Verhalten! Das wiederholen wir dann auch im dritten Schritt. Im vierten Schritt schicken wir einen Brief, in dem geschrieben steht: Wir haben Sie bereits gewarnt und dennoch fahren Sie mit Ihrem Verhalten fort! Wenn der Betreffende auch darauf nicht reagiert, lasse ich ihn verhaften und behalte ihn für 24 Stunden ein. Anschließend überstelle ich ihn den Sicherheitsbehörden, damit sie den Fall weiter untersuchen.“
Dissidenten in Lebensgefahr
Sich in die angebliche Obhut der Taliban begeben. Sich dort offenbaren, ein mögliches Fehlverhalten eingestehen. Auf Barmherzigkeit hoffen und Besserung geloben – diesem Muster folgend laden unterschiedliche Repräsentanten des neuen Taliban-Regimes Angehörige der Zivilgesellschaft gezielt vor: Aus der Politik, dem Bildungssektor, den Medien. Menschenrechtler und Aktivistinnen. Wir treffen in Kabul einen Journalisten, der untergetaucht ist. Er zeigt uns ein Originalschriftstück. Es wurde von seinem Vater unterzeichnet und richtet sich an den Taliban-Gouverneur seiner Heimatprovinz.
„Euer Exzellenz! Ich, Piepton, Einwohner der Provinz Parwan und zurzeit wohnhaft in Baghlan gebe im Beisein von Zeugen und im Namen Allahs Folgendes zu Protokoll: 'Wann immer ich Informationen über den Aufenthalt meines Sohnes, Piepton, Journalist und Menschenrechtsaktivist in Afghanistan, erhalte, werde ich die Gotteskrieger des Islamischen Emirats Afghanistan in Baghlan oder allen anderen Orten Afghanistans darüber informieren.'“
Neben der Unterschrift des Vaters steht auch die des Taliban-Gouverneurs der Provinz, die eines prominenten Stammesführers und die eines namhaften Geistlichen. Der Unterzeichnende und alle Zeugen bürgen außerdem mit ihren Fingerabdrücken. Was dem Papier nicht zu entnehmen ist, so die Angaben des Untergetauchten: Der Vater war verhaftet worden, musste in der Haft eine angeblich „freiwillige“ Erklärung abgeben, den eigenen Sohn zu denunzieren. Der Vorgang macht deutlich, dass sich hinter der vorgeblichen Attitüde eines Dialogs anderes verbirgt – dass nämlich diejenigen dingfest gemacht werden sollen, die das „Islamische Emirat Afghanistan“ als Bedrohung seiner Ideologie wahrnimmt. Bismillah Rahimi ist ebenfalls Journalist, versteckt sich derzeit in einem geheimen „Safe-House“ für verfolgte Medienvertreter. Auch er wird immer wieder aufgefordert, sich an seinen Heimatort nach Baghlan zu begeben – zur Klärung eines Sachverhaltes, wie es heißt.
„Sie sagen: ‚Kommen Sie nach Baghlan. Wir haben einige Fragen an Sie‘. Aber wenn ich zurückgehe, dann bringen sie mich um.“
Neben ihm sitzt der Schriftsteller und Journalist Mohammed Jan. Wegen seiner Satiren, in denen er die Islamauffassung der Taliban und ihre mittelalterlichen Körperstrafen aufs Korn nimmt, bezeichneten ihn Geistliche per Rechtsgutachten als „Abtrünnigen“ – was für Hardliner einem Tötungsaufruf gleichkommt.
„Ich muss hier weg. Solange die derzeitige Situation anhält, habe ich keine Chance. Mein Gesicht ist bekannt. Im Augenblick kann ich mich nur verstecken. Sobald die Taliban erfahren, wo ich mich aufhalte, werden sie kommen und mich hier rausholen. Und wenn die Taliban-Regierung länger andauert, dann wird auch unser Safe-House irgendwann geschlossen werden müssen. Und was dann? Dann ist es ohnehin aus.“
Zuflucht in Deutschland?
Viele Vertreterinnen und Vertreter der afghanischen Zivilgesellschaft hoffen, den Zuständen entfliehen und ausreisen zu können. Viele von ihnen hoffen vor allem auf ein Land: Die Bundesrepublik Deutschland. Doch sind ihre Hoffnungen berechtigt?
„Natürlich ist es die erste Priorität einer jeden Regierung den eigenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern und zu helfen, denen bei der Ausreise zu helfen, ihren Familien zu helfen“, sagte Niels Annen. Er war während der Umbruchphase im Sommer 2021 als Staatsminister im Auswärtigen Amt für Afghanistan zuständig.
„Aber Deutschland hat auch aus seiner eigenen Verantwortung heraus gesagt: Es gibt Personen, die sind keine deutschen Staatsbürger, die haben vielleicht auch nicht für deutsche Organisationen gearbeitet, aber die waren in Afghanistan so sichtbar in ihrer Arbeit für ein demokratisches Afghanistan. Wir konnten jetzt viele dieser Menschen auch mit ihrer Kernfamilie nach Deutschland bringen.“
Seit den Friedensgesprächen mit den Taliban in Doha, spätestens aber seit der von Präsident Biden gesetzten Deadline für den Rückzug des US-Militärs bis zum September 2021 zeichnete sich Zweierlei immer deutlicher ab: Dass auch alle anderen NATO-Partner ihre Truppen abziehen würden. Und dass dann die afghanische Zivilgesellschaft bedroht sein würde. War die inzwischen abgewählte schwarz-rote Bundesregierung tatsächlich so wenig vorbereitet?
Ruben Neugebauer von der Nichtregierungsorganisation „Kabul Luftbrücke“: „Ja, das war schon eine Überraschung. Dass dieser Zusammenbruch so schnell stattfindet, das habe ich auch nicht erwartet. Wo die Anzahl, die sich bei uns in unsere Listen eingetragen haben, innerhalb von Stunden quasi explodiert ist – und das deutet doch alles ein bisschen darauf hin, dass sehr, sehr viele Menschen auch in Afghanistan die Lage anders eingeschätzt haben und dass sich dadurch eine Krise ergeben hat, die in der Zuspitzung dann auch für uns, mit der wir versucht haben, so gut wie möglich umzugehen.“
„Kabul Luftbrücke“ hat sich zum Ziel gesetzt, bedrohten Afghanen bei der Ausreise zu helfen. Die angebliche Überraschung nimmt Neugebauer Politikern wie Niels Annen nicht ab. Er wirft dem Stab im Auswärtigen Amt – zu dem Zeitpunkt noch unter der Leitung von Außenminister Heiko Maas – Versagen vor. Im Vorfeld der Machtübernahme durch die Taliban sei die Gefährdungslage in Afghanistan bewusst heruntergespielt worden:
„Ich würde sagen: Das Auswärtige Amt hat da mitgemacht. Da wurden Lageberichte im Auswärtigen Amt geschönt. Allerdings ist klar, wo der Druck herkam: aus dem Innenministerium. Ich glaube, man wollte weiter abschieben, man wollte diesen rechten Diskurs im Wahlkampf noch befeuern. Und wenn man gleichzeitig gefährdete Personen evakuiert hätte, dann hätte man ja nicht argumentieren können, dass man weiter abschiebt.“
Für Neugebauer ist es unverständlich, dass die Risiken des Abzugs samt dem Szenario von Evakuierungen nicht mindestens durchgespielt und mit eingeplant wurden.
„Ich glaube, dass viel von dem Chaos vermeidbar gewesen wäre, wenn man sich zumindest mit dieser Option ernsthaft auseinandergesetzt hätte vorher. Und das hat eben gefehlt. Was dann zu diesem extremen Chaos dann am Flughafen geführt hat, was dann wirklich auch tödlich war.“
Evakuierungen im Chaos der Machtübernahme
Das Chaos am Flughafen. Wie kaum etwas Anderes wurden die Bilder davon – nicht nur für Deutschland, sondern für den Westen insgesamt – zum Inbegriff des Scheiterns.
„Vier Tage lang haben wir versucht, bis zum Eingangstor zu kommen. Am ersten und am zweiten Tag, als wir uns zum Flughafen aufmachten, sahen wir Tausende von Menschen, die zu fliehen versuchten. Die Tore waren zu. Die Taliban kontrollierten den ersten Sperrgürtel. Sie schossen in die Luft, um die Menschenmenge aufzulösen. Aber trotzdem, die Leute versuchten, immer noch raus zu kommen.“
Amir Akbari, ARD-Mitarbeiter in Kabul, war einer der ersten, die gleich im August 2021 auf die Evakuierungslisten kamen. Was ihm zunächst nur wenig half. Denn die Frage war, wie er zu den deutschen Repräsentanten im Inneren des Flughafens überhaupt vordringen sollte.
„Mein Kind bekam es mit der Angst, weil die Taliban in die Luft feuerten, damit die Leute nicht noch näherkamen. Zehntausende drückten von außen auf die Eingangstore. Am Ende teilte ich der deutschen Botschaft mit: Ich gehe nicht! Denn wenn ich auf diese Weise versucht hätte, an eins der Tore zu gelangen, hätte ich vielleicht mein Kind verloren. Die Taliban schossen überall in die Luft, und es gab Tote.“
Doch dann, Tage später, begann die von Berlin aus geplante Evakuierung zu greifen. „Ich erhielt einen Anruf von den Mitarbeitern der Botschaft. Und ich konnte es nicht glauben: wir kamen raus, innerhalb von zwei Tagen. Ohne Pässe zu haben, ohne Visa. Wir wurden alle zum Flughafen gefahren, von einer privaten Firma, einer Sicherheitsfirma im Auftrag der Deutschen Botschaft. Sie brachte uns bis dicht vor die Tore, wo wir Tausende von Menschen warten sahen. Die Taliban waren am ersten Tor und wollten niemanden durchlassen. Aber als der Typ von der Sicherheitsfirma mit ihnen sprach, sagten sie: OK, lasst sie durch. Sobald wir im Innenbereich des Flughafens waren, war alles klar. Wir hatten es geschafft.“
Im Rückblick betrachtet Akbari seine Evakuierung als Erfolgsgeschichte. Er hat mittlerweile Asyl bekommen, lebt zusammen mit seiner Familie in einer Übergangsunterkunft in Niedersachsen. Das Auswärtige Amt hat nach eigenen Angaben bis zum Jahreswechsel rund 10.000 Personen aus Afghanistan evakuiert, zum größten Teil eigene, also deutsche Staatsangehörige, dann militärische oder zivile Ortskräfte deutscher Institutionen. Wie aber steht es um die anderen? Um Menschen, die SPD-Außenpolitiker Niels Annen der sogenannten „dritten Kategorie“ zugeordnet hat, Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft also. Bis zum Ende der militärischen Evakuierung am 26. August 2021 ordnete das Auswärtige Amt 2600 Menschen dieser Kategorie zu. Evakuieren konnte die Bundeswehr nur einen Teil von ihnen. Ruben Neugebauer, Sprecher der Nichtregierungsorganisation „Kabul Luftbrücke“, weist auf einen weiteren Umstand hin:
„Man hat dann die Listen geschlossen, und es gibt halt sehr viele, extrem gefährdete Menschen, die es in diesem kurzen Zeitfenster, wo Listen geführt worden sind, dann nicht mehr drauf geschafft haben.“
Hilferufe über Whatsapp
Menschen aus der Zivilgesellschaft, die nach dem 26. August 2021 – also dem Ende der militärischen Evakuierung durch die deutsche Luftwaffe – um Schutz in Deutschland baten, erteilte das Auswärtige Amt Bescheide wie diese, Zitat:
„Wir sind uns bewusst, dass das menschliche Leid in Afghanistan groß ist und zahlreiche Menschen sich durch die neuen Machthaber in Leib und Leben gefährdet sehen. Dennoch mussten wir die Auswahl für die Liste der humanitär Schutzbedürftigen abschließen, um zunächst eine sichere Ausreise dieser Schutzbedürftigen zu ermöglichen.“
Seitdem gehen täglich Hilferufe ein: Bei Menschenrechtsorganisationen, bei Vertreterinnen und Vertretern der Medien und der Politik in Deutschland – bei vielen, die sich in den letzten 20 Jahren für Afghanistan und seine Menschen engagiert haben – oft über WhatsApp. Denn in Afghanistan selbst gibt es für Hilfesuchende keine deutsche Adresse mehr, an die sie sich wenden könnten.
Die neue Regierung hat angekündigt, eine neue Liste aufzumachen. Annalena Baerbock, die neue deutsche Außenministerin, erklärt das jüngst zum Jahreswechsel:
„Die gezielte Ausreise für besonders schutzbedürftige Personen, dass wir daran intensiv weiterarbeiten und diese beschleunigen. Und darüber hinaus, das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass es analog zu dem, was es in Syrien ja auch gegeben hat, ein Bundesaufnahmeprogramm gibt. Und das erarbeiten wir jetzt gemeinsam in der Bundesregierung.“
Im Versteck der Provinzratsabgeordneten Golzam Rezaee ist eine weitere Kollegin eingetroffen: Shahla Abobakr, aus dem Lokalparlament der Provinz Farah, Westafghanistan.
„Als weibliche Provinzratsabgeordnete habe ich nur eine Bitte: Ein Land wie Deutschland sollte bei den Evakuierungen klare Prioritäten setzen. Wir wissen, dass Deutschland ein Land ist, das für die Rechte von Frauen und Mädchen eintritt und deshalb bitten wir Sie dringend, eine Möglichkeit zu finden, uns aus dieser Lage zu befreien und uns in Deutschland aufzunehmen. Wir sorgen uns nicht bloß um unsere Sicherheit. Wir wollen auch unseren Kampf für Frauenrechte fortführen. Von Deutschland aus und mithilfe der deutschen Regierung könnten wir das vielleicht tun.“