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Angst vor SILEX

Physik. - In den USA soll eine neue Methode zur Urananreicherung in Betrieb gehen. Dieses SILEX genannte Verfahren birgt nach Meinung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) beträchtliche Gefahren: Es könnte von Schurkenstaaten oder Terroristen genutzt werden, um Atombomben zu bauen.

Von Frank Grotelüschen |
    Mit Natururan, so wie man es in Bergwerken abbaut, lässt sich kein Kernkraftwerk betreiben. Der Grund: Nur zu 0,7 Prozent enthält es spaltfähiges Uran – Uran 235. Der große Rest ist Uran 238. Und das ist nicht spaltbar, sagt Wolfgang Sandner, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.

    "Um Uran zu verwenden, muss dieser Anteil von 0,7 auf mindestes fünf oder acht Prozent angereichert werden."

    Anreicherung, so nennt der Experte diesen Konzentrationsprozess. Bislang ist diese Urananreicherung höchst aufwendig. Beim sogenannten Diffusionsverfahren wird eine Uranverbindung durch ein engmaschiges Sieb gepresst. Dabei geht Uran 235 ein wenig leichter durch als das etwas schwerere Uran 238. Die Zentrifugentechnik dagegen nutzt die Fliehkraft.

    "Da wird eine gasförmige Uranverbindung in sehr schnelle Rotation gebracht. Das ist so was wie eine senkrecht stehende Wäscheschleuder."

    In dieser Wäscheschleuder driftet das schwere Uran 238 stärker nach außen als das leichte Uran 235, sodass beide voneinander getrennt werden können. Doch Diffusionsverfahren und Zentrifugentechnik haben einen Nachteil: Für eine wirksame Anreicherung braucht man Zehntausende von Sieben beziehungsweise Zentrifugen. Das macht die Anlagen extrem groß, es sind riesige Komplexe aus mehreren Fabrikhallen.

    Anders bei einer neuen Methode namens SILEX: SILEX basiert auf Lasertechnik. Es nutzt aus, dass ein uranhaltiges Gas unterschiedlich stark auf eine bestimmte Laserfrequenz reagiert. Dadurch lassen sich Uran 235 und 238 unterscheiden und voneinander trennen. Die Idee ist zwar alt. Aber der Durchbruch ist erst in den letzten Jahren gelungen. Ausgehend von einem australischen Patent haben die US-Labors der Firmen General Electric und Hitachi zwei Tricks entwickelt:

    "Der Trick liegt darin, dass man Laser bauen konnte, die mit einer hohen Effizienz die richtige Wellenlänge emittieren. Das sind Infrarotlaser, die normalerweise nicht so einfach herstellbar sind, die aber aus einfachen Lasern mit Hilfe von Konversionsverfahren erzeugt werden können."

    Der zweite Kniff ist ein effizientes Trennverfahren, dessen Funktionsweise noch weitgehend unbekannt ist, weil geheim. Klar ist: Gegenüber den herkömmlichen Anreicherungsverfahren hat SILEX folgende Vorteile:

    "Experten sprechen davon, dass das wesentlich energiegünstiger ist, aber auch sehr kompakt gebaut werden kann. Man erwartet, dass eine gesamte Anlage um einen Faktor fünf bis zehn kleiner ist als herkömmliche Zentrifugenanlagen bei gleicher Leistung."

    Damit könnten Uranbrennstäbe billiger hergestellt werden, so das Kalkül. Gerade darin aber sieht Wolfgang Sandner erhebliche Risiken.

    "Die Gefahr dabei ist die, dass es wegen seiner Kompaktheit und Energieeffizienz viel schwieriger gegen Missbrauch geschützt werden kann als Zentrifugen oder Diffusionsanlagen. Die Gefahr, einer missbräuchlichen Verwendung durch Staaten oder kriminelle Organisationen ist deutlich erhöht."

    Die Befürchtung: Mit Hilfe von SILEX könnte ein Staat wie Iran seine Anreicherungsanlagen viel besser vor Aufklärungssatelliten verstecken. Schließlich wäre eine SILEX-Anlage zehnmal kleiner als eine Zentrifugenfarm. Und: Womöglich ließe sich eine SILEX-Anlage aus Standardkomponenten zusammenbauen – etwa aus Lasern, wie sie die Autoindustrie verwendet. Dann würde gar nicht auffallen, wenn sich ein Staat auf dem Weltmarkt die Einzelkomponenten für eine SILEX-Anlage zusammenkauft. Das Problem drängt, meint Sandner. Ab Sommer soll die erste kommerzielle Pilotanlage in North Carolina gebaut werden. Seine Forderung:

    "Man müsste die Instrumente der Rüstungskontrolle und der Ausfuhrkontrolle hier anwenden und sich überlegen: Was sind die Schlüsselelemente? Dann müsste man diese Schlüsselelemente ganz besonders gut überwachen. Selbst wenn es schwierig ist, darf man nicht die Augen davor verschließen, sondern muss versuchen, es durchzuziehen."

    Das aber sei die Aufgabe der Politik, sagt Sandner. Der Job der Physiker beschränke sich darauf, die Öffentlichkeit auf die Gefahren der neuen Anreicherungstechnik hinzuweisen.