Bis zum Freitag ging man im Vatikan und im übrigen Rom davon aus, eines der Hauptprobleme des außerordentlichen Heiligen Jahres seien der zum Teil dramatisch schlechte Zustand der Straßen, der Bürgersteige, der öffentlichen Verkehrsmittel und der Müllentsorgung. Doch seit der Serie islamistischer Attentate in Paris fürchtet man jetzt auch um Roms Sicherheit – vor allem während des Jubeljahres. Und deshalb erklärte Innenminister Angelo Alfano am Montag, dass man noch mehr tun werde, um das heilige Jahr sicher zu machen:
"Neben den Soldaten, die zum Einsatz kommen sollen, etwa 5000, werden wir 700 weitere Sicherheitskräfte für Rom zur Verfügung stellen. Roms Polizeipräfekt wird sämtliche Sicherheitsdienste koordinieren und diese Zusammenarbeit wird jetzt so bald wie möglich anlaufen."
Sehr zur Freude des Vatikans. Dort verlässt man sich zwar auch auf die hauseigene Gendarmerie, die Schweizer Garde und den vatikanischen Geheimdienst, aber eben vor allem auf die Vielzahl von Polizisten und Soldaten, die Italien zur Verfügung stellen wird. Deshalb, erklärte am Sonntag Padre Federico Lombardi, offizieller Sprecher von Papst Franziskus, sehe er keinen Grund, auf das Heilige Jahr zu verzichten. Dass sich der Medienmann des Papstes zu diesem Thema ganz offiziell äußerte, zeigt, dass es im Kirchenstaat in Sachen Jubeljahr das Bedürfnis gibt, ein klares Wort zu sprechen – um jene Stimmen innerhalb der katholischen Kirche zum Schweigen zu bringen, die seit vergangenem Samstag nicht nur hinter vorgehaltener Hand fordern, das Heilige Jahr abzusagen.
So bekam Franziskus am Sonntag zu dieser Frage einen Brief von Padre Antonio Rungi. Der katholische Theologe wird vom Papst für seine Meinungen hoch geschätzt. Rungi bat Franziskus in seinem Brief ganz offen darum, das Heilige Jahr in seiner bisherigen Form nicht stattfinden zu lassen:
"Nach langem Nachdenken bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass man angesichts der aktuellen Gefahren die Form des Heiligen Jahres überdenken sollte. Das Jubeljahr soll ja nicht ausfallen. Im Gegenteil, es soll ganz normal stattfinden, aber ohne dass es dafür notwendig ist, nach Rom zu pilgern."
Rungi zufolge könnten die Massenveranstaltungen, die bisher immer Teil eines Heiligen Jahres waren, eine enorme Gefahr für die Sicherheit aller Teilnehmer darstellen. Eine Befürchtung, die von vielen katholischen Geistlichen in Rom geteilt wird.
Auch in den sozialen Netzwerken und in Italiens Medien stellt man sich seit Samstag immer wieder die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, das Heilige Jahr auszusetzen.
Sergio Divina, Senator der Partei Lega Nord, geht sogar noch einen Schritt weiter – vor allem angesichts der Tatsache, dass in der vergangenen Woche im norditalienischen Meran eine islamistische Terrorzelle ausgehoben werden konnte, die anscheinend auch Anschläge in Rom vorbereitete. Es kam zu 17 Verhaftungen. Divina appelliert an den Staat, die Kirche zu stoppen:
"Angesichts der jüngsten Ereignisse wäre es angebracht, Grenzkontrollen wieder einzuführen und das Heilige Jahr durch den italienischen Staat verbieten zu lassen, denn niemand kann die absolute Sicherheit bei religiösen Veranstaltungen dieser Art garantieren. Während des Jubeljahres werden hunderttausende Menschen an einem Tag zusammen kommen. Darum müssen sich Regierung und Parlament schnell kümmern!"
Innerhalb der Mitte-Links-Koalition von Regierungschef Matteo Renzi wird offiziell kein Verbot des Heiligen Jahres erwogen. Doch noch am Wochenende beschloss die Regierung in aller Eile, weitere 20 Millionen Euro für Sicherheitsmaßnahmen zum Heiligen Jahr bereitzustellen. Für den Sicherheitsapparat in und beim Vatikan sowie auf dem gesamten Stadtgebiet Roms, vor allem bei den wichtigsten Kirchen, gibt Italien bis jetzt insgesamt 120 Millionen Euro aus. Während der Papstmessen auf dem Petersplatz, erklärte Innenminister Alfano, sollen sich zahllose Anti-Terrorexperten in Zivil unter die Gläubigen mischen, um bei auffälligem Verhalten potentieller Attentäter sofort einschreiten zu können.
Doch solche Sicherheitsmaßnahmen werden nicht viel nützen, wenn, wie zuletzt immer wieder geschehen, Besucher bei regnerischem Wetter an den Kontrollschranken schnell durchgelassen werden, anstatt sie sorgfältig auf Waffen hin zu untersuchen, bevor sie den Petersplatz oder den Petersdom betreten.