Ob die designierten zehn Kommissarinnen und 16 Kommissare das Vertrauen des EU-Parlaments erhalten, wird sich in den kommenden Tagen in Brüssel zeigen. Vor der ersten Amtszeit von der Leyens 2019 hatten die Parlamentarier drei Anwärterinnen und Anwärter abgelehnt. Das Parlament will die neue Kommission Ende November wählen. Sie könnte dann voraussichtlich zum 1. Dezember die Arbeit aufnehmen.
Wie laufen die Anhörungen ab?
Jede Bestätigungsanhörung dauert drei Stunden. Zunächst gibt das designierte Kommissionsmitglied eine 15-minütige einleitende Erklärung ab. Anschließend stellen die Abgeordneten ihre Fragen. Jede Fraktion teilt die ihr zustehende Zeit unter ihren Mitgliedern auf, die an der Anhörung teilnehmen. Das designierte Kommissionsmitglied hat für die Antwort doppelt so lange Zeit, wie für die Frage zur Verfügung steht. Vor dem Ende der Bestätigungsanhörung können die designierten Kommissionsmitglieder eine kurze Abschlusserklärung abgeben. Je nach Ressort kann ein designiertes Kommissionsmitglied von einem Ausschuss oder von mehreren Ausschüssen, die zusammenarbeiten, bewertet werden.
Wie werden die Anhörungen bewertet?
Die Vorsitzenden und die Fraktionsvertreterinnen und -vertreter (Koordinatoren) der jeweiligen Ausschüsse bewerten unmittelbar nach den Anhörungen gemeinsam, ob die designierten Kommissionsmitglieder sowohl für die Mitgliedschaft im Kollegium als auch für die Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben geeignet sind. Die Ausschusskoordinatoren können sich darauf einigen, der Ernennung eines designierten Kommissionsmitglieds zuzustimmen - oder ihn oder sie ablehnen. Bei Meinungsverschiedenheiten ist die Unterstützung von Koordinatoren erforderlich, die mindestens zwei Drittel der Ausschussmitglieder vertreten.
Gelingt es diesen nicht, eine Zweidrittelmehrheit für oder gegen die Ernennung eines Kandidaten zu gewinnen, können sie im Rahmen weiterer schriftlicher Anfragen zusätzliche Informationen anfordern. Dann entscheiden die Koordinatoren über die Ernennung des designierten Kommissionsmitglieds. Entweder sie billigen es mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln. Oder sie verweigern ihre Zustimmung. Dann beruft der Vorsitz eine Ausschusssitzung ein und hält eine geheime Abstimmung über die Eignung des Kandidaten ab, bei der nur noch die einfache Mehrheit erforderlich ist.
Wer ist als Kandidat strittig?
Roberto Fitto, der italienische Kandidat und Entsandter der Regierungschefin Giorgia Meloni, soll sich im einflussreichen Rang eines Vize-Kommissionspräsidenten um die Kohäsionsfonds kümmern, aus dem Investitionen getätigt werden, um Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten auszugleichen. Der Fonds umfasst rund ein Drittel des EU-Haushalts. Abgeordnete des Mitte-Links-Lagers im Europaparlament zeigten sich enttäuscht über die Personalie.
Der ungarische Kandidat Oliver Varhelyi wird von manchen Abgeordneten als Sprachrohr des rechtspopulistischen Premiers Viktor Orban in der Kommission betrachtet. Er hatte bereits in der scheidenden Kommission mit Alleingängen provoziert. Auch hat er das Parlament mit einer respektlosen Äußerung gegen sich aufgebracht. Deutschlandfunk-Korrespondent Peter Kapern erwartet jedoch keine Verhinderung Varhelyis, da der Schaden hinsichtlich der Kommissionsbildung in einem solchen Fall unverhältnismäßig groß sei.
In den Anhörungen geht es nicht nur um Sachfragen; die Hearings eignen sich auch zu einem parteipolitischen Showdown, berichtet unser Korrespondent. Falls Vertreter einer Parteienfamilie durchfallen, könnten die anderen Fraktionen die Anwärter der anderen rauswerfen. Sollte der italienische Kandidat Fitto durchfallen, könnten Rechtsparteien und Konservative in den darauffolgenden Anhörungen den französischen liberalen Kandidaten Stéphane Séjourné und die spanische Sozialistin Teresa Ribera abweisen.
Weiterführende Informationen
Den Zeitplan der Bestätigungsanhörungen finden Sie hier. Die schriftlichen Anfragen der einzelnen Ausschüsse und die Antworten der designierten Kommissionsmitglieder finden Sie hier.
Diese Nachricht wurde am 04.11.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.