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Anhörungen zum Sturm aufs Kapitol
"Diese Kriminellen waren wie für einen Krieg ausgestattet"

Fünf Menschen starben während der Attacke auf das Washingtoner Kapitol. Zwei Polizisten begingen in den Tagen danach Selbstmord. Doch wie konnten die Ereignisse überhaupt ihren Lauf nehmen? Bei ersten Anhörungen schildern Polizei, Sicherheitsdienste und Ministerien ihre Versionen der Ereignisse.

Von Marcus Pindur |
Pro-Trump-Demonstranten am Kapitol in Washington haben ein Gerüst erklettert.
Der "Sturm" aufs Kapitol war auch ein großes Medienereignis. Viele der Demonstrierenden posteten Videos und Fotos in den sozialen Medien. (imago / UPI Photo / Kevin Dietsch)
Mehrere ehemalige hohe Polizeioffiziere und die derzeitige Chefin der Capitol Police mussten den Senatoren Rede und Antwort stehen. Welche Informationen hatten sie vorab über die Gefahrenlage? Warum konnten die Polizeikräfte das Eindringen der Randalierer nicht verhindern? Wie erlebten die Polizisten den Sturm auf das Kapitol? Der ehemalige Polizeichef Stephen Sund sagte aus, die Angreifer seien bestens vorbereitet gewesen und äußerst brutal vorgegangen.
″Ich sah, wie diese Aufständischen auf Polizisten einschlugen. Sie taten dies mit bloßen Fäusten, mit Rohren, mit Stangen, mit Stöcken, mit Absperrzäunen. Diese Kriminellen waren wie für einen Krieg ausgestattet. Sie brachten ein eigenes Funksystem mit, um die Angriffe zu koordinieren. Sie brachten Kletterausrüstungen mit, um die Absperrungen zu umgehen."

Koordinierter Angriff auf das Kapitol

Fünf Menschen starben während der Attacke. Zwei Polizisten begingen in den Tagen danach Selbstmord. 200 der Angreifer sind bislang ermittelt und teils festgenommen worden. Die jetzige Chefin der Capitol Police, Carneisha Mendoza, berichtete, nur das beherzte Eingreifen eines Kollegen habe verhindert, dass ihr der Arm gebrochen worden sei. Die Angreifer hätten militärübliches CS-Reizgas und ätzende Flüssigkeiten auf die Polizisten gesprüht.
"Die Polizisten wurden ununterbrochen mit CS-Gas besprüht, was in Innenräumen natürlich noch schlimmer ist als im Freien. Ich selbst habe chemische Verbrennungen im Gesicht erlitten, die immer noch nicht abgeheilt sind. Ich sah, wie Polizisten auf den Boden geworfen wurden und mit allem Möglichen geschlagen wurden."
Einem der Polizisten wurde ein Feuerlöscher auf den Kopf geschlagen, woran er einen Tag später verstarb. Alle vor dem Senat befragten Polizisten stimmten darin überein, dass es sich um einen gezielten und koordinierten Angriff auf das Kapitol gehandelt habe. Darauf deuteten auch die beiden großen Rohrbomben hin, die im Umfeld des Kapitols gefunden wurden.

Fehlende Ausrüstung bei Kongresspolizei

Die Kongresspolizei hätte allerdings besser im Bilde sein können. Das FBI hatte am Tag zuvor den Polizeispitzen eine Gefahrenanalyse zugestellt, in der vor gewaltsamen Attacken gewarnt wurde. Dieses Memo wurde jedoch nicht zur Kenntnis genommen – oder nicht ausreichend ernst genommen. Schwere Versäumnisse also auf Seiten der Capitol Police. Dazu kommt, dass von den 1400 Polizisten der Kongresspolizei nur circa 140 über eine entsprechende Ausrüstung, also Helme, Gasmasken, Schilde und Körperpanzerung verfügen – eine deutliche Unterausstattung.
Immer wieder verbreiten Trump-Unterstützer wie der republikanische Senator Ron Johnson die Verschwörungstheorie, unter den Angreifern hätten sich viele linksextreme Provokateure befunden. Eine abwegige Behauptung, so der ehemalige FBI-Agent Peter Struck im Nachrichtensender CNN.
"Was dort am 6. Januar stattgefunden hat, war der Versuch von Trump Unterstützern, die friedliche Übergabe der Macht in den Vereinigten Staaten zu verhindern. Und solange Senatoren und der ehemalige amerikanische Präsident die Lüge unter ihren Anhängern verbreiten, es handele sich um eine illegitime Wahl, wird das uns dabei behindern, diese Bedrohung wirksam zu bekämpfen."
Die Serie von Anhörungen zum Sturm auf das Kapitol wird in den nächsten Wochen fortgesetzt. Viele Fragen sind noch offen. Zum Beispiel die, warum die National Guard, eine militärische Einheit, die auch bei Großdemonstrationen oder Krawallen eingesetzt wird, erst so spät an den Ort des Geschehens kam. Klar ist, dass die Warnungen vor Gewalttätern und der Einsatz der Nationalgarde viel zu spät kamen. Klar ist auch, dass sich unter den Angreifern viele Rechtsradikale befanden. Bei den nächsten Anhörungen werden Zeugen aus den Bundesbehörden und der Trump-Administration dazu befragt werden.