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Anklage: Staatsverrat

"Staatsverrat" lautete die Anklage in dem vor 50 Jahren in der Regie des DDR-Generalstaatsanwalts Ernst Melsheimer inszenierten Schauprozess vor dem Obersten DDR-Gericht. Hauptangeklagter war der oppositionelle Intellektuelle und Philosoph Wolfgang Harich. Im Zentrum der Anklage stand ein von Harich formuliertes nationalkommunistisches Reformkonzept. Das strategische Ziel dieser Schrift hieß Überwindung der deutschen Teilung.

Von Karl Wilhelm Fricke |
    Radio DDR: "Ich darf Ihnen, Herr Generalleutnant Mielke, um die aktuellen Ereignisse vorwegzunehmen, die Frage stellen, wie sich die Untersuchungen im Fall Dr. Wolfgang Harich entwickelt haben und wann mit der Aburteilung dieser Gruppe zu rechnen ist?
    "

    Mielke: "Die Untersuchungen sind im Wesentlichen abgeschlossen. Sie erbrachten den eindeutigen Beweis des Staatsverrates und der Verbindung mit dem Ostbüro der SPD, einer Agentenzentrale, die finanziert und im Auftrage der verschiedensten Geheimdienste der kapitalistischen Staaten tätig ist. Ohne dem Generalstaatsanwalt vorgreifen zu wollen, glaube ich sagen zu dürfen, dass demnächst die Hauptverhandlung vor dem Obersten Gericht der Deutschen Demokratischen Republik anberaumt wird."

    Erich Mielke in einem Interview mit Radio DDR. Der seinerzeitige Staatssekretär und spätere Minister für Staatssicherheit hatte artikuliert, was zuvor das SED-Politbüro in einer dreitägigen Sitzung vom 18. bis 20. Dezember 1956 beschlossen hatte: Auszug aus dem Protokoll:

    Folgende Direktive wird den Genossen der Staatssicherheit gegeben:
    a) Der Prozess ist beschleunigt vorzubereiten. Die ganze Angelegenheit erhält der Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer zur weiteren Behandlung;
    b) Auf Grund des Berichtes schätzt das Politbüro die Tätigkeit der Gruppe Harich als Staatsverrat ein.

    "Staatsverrat" - nach diesem Verdikt des Politbüros, von Mielke öffentlich bekräftigt, war der vor fünfzig Jahren vom 7. bis 9. März 1957 in der Regie des DDR-Generalstaatsanwalts Ernst Melsheimer inszenierte Schauprozess vor dem Obersten Gericht nichts als ein justizförmiges Ritual. Angeklagt waren oppositionelle Intellektuelle, Genossen sie alle, und zwar der damals 34-jährige Philosoph Wolfgang Harich, Lektor im Ostberliner Aufbau-Verlag und Chefredakteur der "Deutschen Zeitschrift für Philosophie", der fast gleichaltrige Redakteur Manfred Hertwig und der 40-jährige Ökonom Bernhard Steinberger. Alle drei waren am 29. November 1956 zeitgleich verhaftet worden. Eine Woche später nahm die Staatssicherheit auch Walter Janka fest, den Leiter des Ostberliner Aufbau-Verlages, damals 42 Jahre alt. Gegen ihn plante Melsheimer einen weiteren Schauprozess. Im Zentrum der Anklage stand ein von Harich formuliertes nationalkommunistisches Reformkonzept. Überschrift:

    Plattform für einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus.

    Im Kern hatten Harich und Genossen ein enges Bündnis zwischen der SED in der DDR und der SPD in der Bundesrepublik anvisiert. Das strategische Ziel hieß Überwindung der deutschen Teilung. Um die SED hierfür bündnisfähig zu machen, sah das Papier die Demokratisierung und Liberalisierung der DDR vor sowie ihre ideologische und strukturelle Entstalinisierung mitsamt der personellen Erneuerung ihrer politischen Führung. Die Chancen dafür schienen nicht unrealistisch seit dem XX. Parteitag der sowjetischen Kommunisten in Moskau, auf dem Partei-Chef Nikita in einer Geheimrede die Verbrechen Stalins angeprangert und das Ende des Stalinismus in der Sowjetunion eingeläutet hatte. Das war im Februar 1956. Nach der Eiszeit des Kalten Krieges schien politisches Tauwetter angesagt - auch in der DDR, nachdem die SED auf ihrer dritten Parteikonferenz im März 1956 analoge Lehren aus dem Kurswechsel im Kreml beschworen hatte. Ein gutes halbes Jahr später machte die blutige Niederschlagung des Volksaufstands in Ungarn durch Sowjettruppen allerdings die Hoffnung auf Entspannung zunichte. In der DDR hatte die Verhaftung Harichs und Jankas ein unmissverständliches Signal gesetzt. Gustav Just, stellvertretender Chefredakteur der kulturpolitischen Wochenzeitung "Sonntag" und zum Harich-Kreis gehörig, hat nach der friedlichen Revolution der DDR das Vorgehen der Staatssicherheit in einem Statement für Deutschlandradio Berlin auf den Punkt gebracht:

    "Die Sache wurde einfach hochgeschaukelt. Aus Ideen wurden Pläne, aus Plänen wurden Absichten, aus Absichten wurden Maßnahmen und so weiter. Was also wirklich war: Wir diskutierten untereinander und versuchten, aus diesen Diskussionen eine gemeinsame Konzeption für eine demokratische Umwandlung des stalinistischen Sozialismus, diesen Kasernenhof-Sozialismus, in die Wege zu leiten."

    Auf Konspiration, auf staatsfeindliche Verschwörung hatte niemand gesetzt - im Gegenteil. Die Gruppe um Harich - der am 7. November sogar von Walter Ulbricht. dem Ersten Sekretär der SED, zu einem kurzen Gespräch empfangen worden war -, sie erstrebte eine offene Diskussion:

    "Wir hielten unsere Gedanken für so wichtig, dass wir sie nicht für uns behalten wollten. Und parallel dazu war ja die Hoffnung, dass die Stunden der Stalinisten nach diesem XX. Parteitag auch in der DDR gezählt sind. Und dass unter Umständen neue Leute jetzt - und da dachten wir natürlich an solche, die gemaßregelt waren wie Dahlem oder Paul Merker, wieder in die Parteiführung kommen. Das war alles vor den ungarischen Ereignissen. Und dieser Volksaufstand, der in Ungarn ausbrach, der machte natürlich alle diese Ideen zunichte."
    Franz Dahlem und Paul Merker, vormals Mitglieder des SED-Politbüros und als Rivalen in der Führung der Partei von Walter Ulbricht einst entmachtet, verkörperten für die innerparteiliche Opposition eine personelle Alternative. Als Stalinist par Excellence wäre Ulbricht, um eine Politik der Reform glaubwürdig zu machen, an der Spitze der SED nicht mehr tragbar gewesen. Indes war dies alles nur ein mehr oder minder abstraktes Planspiel, niedergelegt in einem Diskussionspapier, das nun vor Gericht zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurde. Ulbricht wollte den Schauprozess aus Gründen der Abschreckung. Während der Verhandlung in der Ostberliner Scharnhorststraße im Gerichtssaal waren nicht nur Presse und Rundfunk zugegen, ferner Stasi-Offiziere in Zivil als Zuschauer, sondern vertreten war auch die intellektuelle Elite, präsent waren Schriftsteller wie Anna Seghers und Willi Bredel, Schauspieler wie Helene Weigel, namhafte Wissenschaftler. Der Harich-Prozess als Spektakel zur Einschüchterung! Unter den vierzehn Zeugen, die in der Beweisaufnahme befragt wurden, war neben anderen auch Paul Merker - hier im Kreuzverhör durch Melsheimer, dem zynischen Chef-Ankläger:

    "Zeuge Merker, ich habe den Eindruck, dass Ihr Gedächtnis etwas schwach geworden ist seit dem 21. Es ist am 21. sehr viel mehr passiert, als Sie jetzt hier gesagt haben, sehr viel mehr, und ich muss Ihnen einiges davon in Ihr Gedächtnis zurückrufen. Erstens: Ist Ihnen gesagt worden, als die Gruppe kam - denn es kam die Gruppe, die bestehende Verschwörergruppe, die schon da war - kam zu Janka, dem Gruppenangehörigen, um Sie für die Gruppe zu gewinnen. Haben Sie in der ganzen Unterhaltung niemals diesen Eindruck gehabt?

    Da ist mir das nicht gesagt worden, dass man mich für irgendetwas gewinnen will.

    Ist nicht davon gesprochen worden, dass Sie rehabilitiert werden müssten und ins ZK hinein als Nachfolger von Walter Ulbricht?

    Ja, als Nachfolger..

    Dass Walter Ulbricht weg müsse?

    Ja, das ist gesagt worden, aber nicht in Bezug auf meine Person."
    Der 21. November 1956 war der Tag, an dem Harich zusammen mit Just und zwei weiteren Genossen im Hause Janka zum Abendessen eingeladen war. Auch Merker, mit dem Janka aus der Zeit des Exils befreundet war, nahm daran teil. Im Prozess wurde diese Zusammenkunft in Kleinmachnow von Melsheimer zu einem konspirativen Treffen hochstilisiert, als wären hier staatsfeindliche Pläne geschmiedet worden. Eine belastende Fehldeutung. Das Treffen, eigentlich ein Gedankenaustausch unter Gleichgesinnten, endete mit der Absprache, die in der Diskussion entwickelten Gedanken schriftlich niederzulegen. Melsheimer machte daraus eine geheime Abmachung zum Staatsverrat. Wolfgang Harich figurierte als Hauptschuldiger:

    Melsheimer: "Ich glaube, ich habe im Laufe meines Plädoyers die Natur Harichs, den Menschen Harich, in all seiner Feigheit und Angst, in all seinem Ehrgeiz, in all seiner Anmaßung, in all seiner Überheblichkeit, in all seinem Karrierismus genügend geschildert. Er verdient eine schwere Strafe. Ein langjähriger Umerziehungsprozess ist bei Harich notwendig. Ich beantrage zehn Jahre Zuchthaus."
    Immerhin: Einer der Verteidiger widersprach Melslheimer: Rechtsanwalt Friedrich Wolf:

    "Der Herr Generalstaatsanwalt sagte, dass die Angeklagten eine äußerst konspirative Arbeit geleistet haben. Ich möchte sagen, dass mein Eindruck aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein anderer ist."
    In der Untersuchungshaft hatte Harich freilich eine wenig rühmliche Rolle gespielt. Er war von den Stasi-Vernehmern gleichsam einer Gehirnwäsche unterzogen und zeigte sich extrem kooperativ. In einer schriftlichen Stellungnahme belastete er seine Mitangeklagten und übte reuevoll Selbstkritik, die sich auch vor Gericht andeutete - zum Beispiel in seiner Aussage zum Reformprogramm:
    "Ja, es war, äh, wie ich das jetzt erkannt habe, ein liquidatorisches Programm, was auf die Wiederherstellung des Kapitalismus in der DDR im Endeffekt hinausführen würde. Das war mir aber damals gar nicht bewusst."
    In seinem Letzten Wort vor Gericht ging Harich so weit, sich bei der Staatssicherheit für seine Festnahme ausdrücklich zu bedanken. Sie hätte ihn quasi vor dem Galgen bewahrt:

    "Ich habe ja nun Erfahrung gemacht mit der Staatssicherheit der DDR, und ich habe dort eine Feststellung gemacht: Sie sind sehr korrekt und anständig. Aber diese Korrektheit und Anständigkeit, die kann menschlich und freundlich sein, und die kann auch sehr kühl und unangenehm sein. Und wenn sie ein geringstes Zeichen von Unterwürfigkeit und Kriecherei und dergleichen merken - und in gewissen Phasen der Entwicklung, die ich da durchgemacht habe, habe ich durchaus auch dazu geneigt, möchte ich sagen -, dann wird diese Korrektheit und Anständigkeit auf einmal eiskalt. Mir ist es klar, dass der Staatssicherheit zu danken ist, dass sie also unseren Staat vor größerem Schaden bewahrt hat. Aber wenn ich das jetzt sage, nachdem was ich getan habe, glaubt mir so ohne Weiteres kein Mensch. Aber das ist ein persönlicher Dank. Ich wäre nämlich nicht mehr aufzuhalten gewesen. Ich war wie so ein durchgebranntes Pferd, das man nicht mehr durch Zurufe aufhält. Mit diesen Ideen im Kopf bin ich eben durchgegangen, und wenn sie mich nicht festgenommen hätten, dann wäre ich heute nicht reif für die zehn Jahre, die der Herr Generalstaatsanwalt beantragt hat, sondern für den Galgen. Und deshalb sage ich aus ganz persönlichen Interessengründen ... sage ich der Staatssicherheit also dafür meinen Dank."
    Eine Bitte um Milde, die er aussprach, blieb dennoch vergeblich. Ungerührt verkündete Walter Ziegler, Vizepräsident des Obersten Gerichts und Vorsitzender des ersten Strafsenats, das Urteil:

    "Wegen Verbrechens gegen Artikel 6 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik werden verurteilt: Der Angeklagte Harich zu zehn Jahren Zuchthaus, der Angeklagte Steinberger zu vier Jahren Zuchthaus, der Angeklagte Hertwig zu zwei Jahren Zuchthaus. "
    Während der Hauptverhandlung war es im übrigen zu einem dramatischen Eklat gekommen: Nach einem Kreuzverhör über das Treffen bei Janka ließ der Generalstaatsanwalt den Zeugen Gustav Just im Gerichtsaal theatralisch effektvoll festnehmen:

    "Sie lügen. Ich werde Ihnen was sagen. Wir können die Sache kurz machen. Sie sind nicht nur der Initiator des Weges Nummer eins, sondern Sie sind ein prominentes Mitglied der Gruppe Harich im Aufbau-Verlag, und ich nehme das, was Harich gesagt hat, ernster als Sie. Sie haben gesagt, nicht ernst zu nehmen und zu oberflächlich und überhaupt so hingeredet. Ich nehme die Sache erheblich ernster. Und wenn Sie vom Ergebnis der Hauptverhandlung hier und heute erfahren hätten, dann wüssten Sie, warum ich jetzt die Anordnung treffe, Sie in Haft zu nehmen. Abführen."
    Das war am 8. März 1957, dem zweiten Verhandlungstag im Harich-Prozess, an dem auch Heinz Zöger, Chefredakteur des "Sonntag", und der Rundfunk-Kommentator Richard Wolf im Gerichtssaal festgenommen wurden. Sie waren wie Just ursprünglich als Zeugen geladen gewesen. Dreieinhalb Monate später, vom 23. bis 26. Juli 1957, wurden sie Opfer eines zweiten Schauprozesses. Der Hauptangeklagte: Walter Janka. Wiederum lautete der Schlüsselbegriff Staatsverrat - aber es gibt einen Unterschied. Anders als Harich sind die Angeklagten weder reumütig noch geständig. Gustav Just in der Beweisaufnahme:

    "Es ist gesprochen worden von der Gesetzlichkeit in der Sowjetunion, ja, und wir stellten solche Probleme auch für die Deutsche Demokratische Republik fest. Dass also viel mehr die Öffentlichkeit informiert werden muss, über Ergebnisse auch von Prozessen, Beschuldigungen und so weiter."

    "Das ist alles?

    Das ist alles, so weit ich mich jetzt erinnere.

    Ist auch über die Notwendigkeit des Rücktritts des Justizministers gesprochen worden?

    Das ist in einem bestimmten Zusammenhang einmal besprochen worden. Ich glaube, dass die Justizministerin, Frau Benjamin, einmal einen Vortrag gehalten hat im Haus der Kultur, und die Zeitungen berichteten über diesen Vortrag, dass also die Frau Justizminister der Meinung ist, dass bei uns keine Korrekturen irgendwelcher Verletzungen der Gesetzlichkeit notwendig wären. Und in diesem Zusammenhang wurde davon gesprochen, dass doch eine solche unkritische Haltung nicht zu vertreten ist und dass es zweckmäßig wäre, wenn also der Justizminister durch einen anderen Minister ersetzt würde."
    Außer kritischen Diskussionen war nichts geschehen - mit einer Ausnahme: Ohne Wissen seiner Genossen hatte Harich konsultative Kontakte zu Georgi Puschkin gesucht, damals Sowjetbotschafter in Ost-Berlin, sowie zum Ostbüro der SPD in West-Berlin und zu Rudolf Augstein vom "Spiegel", dem Hamburger Nachrichten-Magazin, um sie über seine Pläne zu informieren. Das war aus dem Verständnis des SED-Regimes ein schweres Vergehen gewesen, für das seine Mitangeklagten natürlich nicht mitverantwortlich waren. Die Verteidigung plädierte daher auf Freispruch für Walter Janka und die anderen. Sein Schlusswort vor Gericht zeigte ihn noch einmal ungebeugt.

    "Die Erklärung, die ich abgeben möchte, bezieht sich auf die Charakteristik, die der Herr Generalstaatsanwalt mit der Bemerkung, dem Hinweis und der Schlussfolgerung, dass ich zu einem Hasser der Arbeiter-und-Bauern-Macht geworden bin, dass ich meine Partei verraten habe, dass ich hinterlistige Pläne, konspirative Pläne, konterrevolutionäre Pläne zur Liquidierung der Arbeiter-und-Bauern-Macht, zur Wiederherstellung des Kapitalismus wissentlich oder bewusst angestrebt oder verfolgt oder unterstützt habe. Ich erkläre weiter, dass ich niemals wissentlich oder bewusst überlegt habe, und ich erkläre weiter, dass es völlig ausgeschlossen ist, dass ich zu einem Hasser und zu einem Verräter ans der Arbeiter-und-Bauern-Macht geworden bin oder jemals werden kann. Von meinen 43 Lebensjahren sind fast 30 Jahre auf dick und dünn mit der Arbeiterklasse, mit der kommunistischen Bewegung verbunden. Ich habe es bewiesen. Es ist kein leeres Wort, dass ich mich lieber in Stücke reißen lasse, als dass ich Konzessionen machen würde und dem Kapitalismus jemals die Hand reichen würde. Das sind die Bemerkungen, die ich zum Schluss machen will. Ich bitte das Oberste Gericht, diese Erklärung bei der Entscheidung über diesen Ausgang und über mein Urteil zu berücksichtigen."
    Das Gericht diktierte Janka fünf Jahre Zuchthaus zu, Just vier, Wolf drei und Zöger zweieinhalb Jahre. Ein Unrechtsurteil selbst nach den Maßstäben der "sozialistischen Gesetzlichkeit". Der eigentliche Justizskandal bestand darin, dass Opposition gegen die Führung der Partei als Verbrechen gegen den Staat kriminalisiert wurde. Durch Kassation wurden die Urteile noch zu DDR-Zeiten aufgehoben - in Sachen Janka und andere am 5.Januar 1990, in Sachen Harich und andere am 30. März 1990. Dasselbe Oberste Gericht, das die Angeklagten einst schuldig gesprochen hatte, erkannte nun auf Freispruch. Leider 33 Jahre zu spät. Die Justiz-Opfer - die meisten sind nicht mehr unter den Lebenden - hatten die verhängten Strafen großteils zu verbüßen, Harich acht von zehn Jahren. Im Strafvollzug waren sie schikanösen Haftbedingungen ausgesetzt, zumeist in Einzelhaft in der stasi-kontrollierten Sonderhaftanstalt Bautzen II.