Thielko Grieß: "Zahlreiche Fragen sind zurzeit noch offen, und wir werden uns bemühen, sie zu beantworten, sobald wir Klarheit haben" – so zitiert die Deutsche Presseagentur die Kanzlerin Angela Merkel, die offenkundig noch nicht ganz zufrieden ist mit der Aufklärung der Spionagevorwürfe, die inzwischen die USA, Großbritannien und wohl auch Frankreich treffen. Die Bundesregierung schickt einige Beamte aus dem Innenministerium und den Bundesinnenminister Friedrich selbst in die Vereinigten Staaten, um dort Fragen zu stellen. Das Vertrauen ist angekratzt zwischen Deutschland und den USA angesichts der vielen Medienberichte darüber, wer alles wo ausspäht, mitlauscht und abspeichert.
Am Telefon ist jetzt Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte. Guten Morgen!
Peter Schaar: Guten Morgen, Herr Grieß!
Grieß: Herr Schaar, Sie geben Ihr Amt noch in diesem Jahr ab. Dann hatten Sie es acht Jahre lang inne. Ist das Vertrauen in den deutschen Datenschutz in den vergangenen Wochen zertrümmert worden?
Schaar: Also erst mal sind es dann zehn Jahre, aber ich denke mal, entscheidend wird sein, wie die Politik, wie die Gesellschaft genau mit diesen Fragen umgeht. Ich finde es durchaus hoffnungsfroh, dass das Thema Datenschutz so prominent jetzt diskutiert wird, und dass es auch zu einem Thema wird, das für die politischen Entscheidungen im kommenden Wahlkampf wohl offensichtlich eine Rolle spielt.
Grieß: Sind Sie Edward Snowden dankbar?
Schaar: Na ja, indirekt sicherlich, dass bekannt geworden ist, in welchem Umfang hier doch sehr viele Daten abgegriffen werden. Es ist ja nicht das erste Mal, dass darüber gesprochen wird. Aber die Daten, die jetzt an die Öffentlichkeit gekommen sind, sind doch sehr viel konkreter als diese allgemeinen Befürchtungen, die allgemein immer wieder geäußert worden sind.
Grieß: Die indirekte Dankbarkeit, könnte die nicht auch ein Grund dafür sein, dem Mann mit den Daten Schutz zu gewähren?
Schaar: Na ja, also ich denke mal, darüber sollte man in Deutschland schon nachdenken. Das ist eine Frage unseres Asylrechts und die Frage auch, inwieweit wir aus humanitären Gründen auch jemandem, der keinen Anspruch auf politisches Asyl hat, hier Aufenthalt gewähren sollten. Unabhängig davon kümmere ich mich allerdings in allererster Linie um die Aufklärung genau der Fragen, die jetzt diskutiert werden, und ich setze mich dafür ein, dass diese doch unterschiedslose Überwachung, die ja offenbar eben von mehreren Ländern betrieben wird – und ich denke, auch noch von Ländern, die jetzt gar nicht so im Gespräch sind –, dass diese Überwachung begrenzt wird.
Grieß: Müssten Sie nicht dann eigentlich mitreisen in die USA und dort die Fragen stellen, die Sie haben?
Schaar: Ach, wissen Sie, im Zeitalter des Internets und der internationalen Kommunikationsbeziehungen muss man nicht irgendwo hinreisen, um irgendwelche Fragen zu stellen.
Grieß: Aber tun ja die Beamten jetzt aus dem Innenministerium – sicherlich nicht ohne Grund.
Schaar: Na ja, also ehrlich gesagt, gerade solche Reisen zu demjenigen, dem man vorwirft, etwas getan zu haben oder wo die Vorstellung da ist, er habe sich unrechtmäßig verhalten, haben so ein gewisses Geschmäckle, finde ich, für mich jedenfalls. Natürlich kann man in die USA reisen und dort mit Verantwortlichen sprechen, aber eigentlich müsste man doch erwarten, dass unsere Verbündeten uns hier aufklären, was sie denn mit unseren Daten machen, denn letztlich geht es ja auch um den Datenschutz der deutschen Internet- und Telekommunikationsnutzer.
Grieß: Macht sich die deutsche Bundesregierung zu klein?
Schaar: Na ja, also ich will hier kein Urteil abgeben, das wird man sicherlich eher beurteilen können, wenn die Ergebnisse vorliegen. Frau Merkel ist ja der Auffassung oder hat schon angekündigt, dass die US-Regierung hier einiges sagen wird. Da bin ich schon gespannt.
Grieß: Ich habe gesagt oder wir haben gesagt, dass Beamte aus dem Bundesinnenministerium und der Minister selber in die Vereinigten Staaten reisen. Das Bundesinnenministerium ist ja gleichzeitig auch für die öffentliche Sicherheit in Deutschland zuständig, und damit gibt es eine Nähe auch zur Polizeiarbeit, zur geheimdienstlichen Arbeit. Sehen Sie darin einen Interessenskonflikt?
Schaar: Natürlich ist das ein Interessenskonflikt. Der Bundesinnenminister betont ja immer wieder, er sei der Sicherheitsminister. Ich habe nicht gehört in letzter Zeit, dass der der Datenschutzminister ist – dafür ist er nämlich auch zuständig. Und ich finde, da muss einfach auch die Schwerpunktsetzung jetzt liegen, dass es darum geht, unsere Grundrechte zu wahren. Das Fernmeldegeheimnis ist ja durch Artikel 10 des Grundgesetzes verbürgt. Und insofern geht es darum, dieses Recht zu gewährleisten, auch gegenüber Freunden.
Grieß: Wären Sie dafür, diese Aufgabe, diese Zuständigkeit für Datenschutz herauszulösen aus dem Innenministerium?
Schaar: Auf jeden Fall sollte die Datenschutzaufsicht wesentlich unabhängiger sein, als sie das bisher ist. Meine Dienststelle ist ja beim Bundesinnenministerium angedockt. Ich unterliege ja sogar einer Rechtsaufsicht der Bundesregierung und einer Dienstaufsicht durch das Bundesinnenministerium. Und das ist mit der gebotenen Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten aus meiner Sicht kaum zu vereinbaren.
Grieß: Würden Sie gerne ein eigenständiges Amt haben oder zu einem anderen Ministerium, Verbraucherschutz, Justizministerium, was kommt Ihnen da in den Sinn?
Schaar: Also ich denke, die Unabhängigkeit ist das Entscheidende, nicht, dass das irgendwo angedockt wird.
Grieß: Das ist ein schwieriges Fazit, das Sie ziehen nach zehn Jahren Bilanz.
Schaar: Na ja, natürlich ist das ein schwieriges Fazit, aber Datenschutz – das war mir schon von Anfang an klar – ist ja keine einfache Materie, und angesichts der technologischen Entwicklung, der Geschwindigkeit auch dieser Entwicklung kann es ja nicht überraschen, dass diese Fragen nicht immer leichter werden. Aber trotzdem ist es wichtiger denn je, denn man sieht ja: Wenn man da nicht gegensteuert, wenn man da nicht für Aufklärung sorgt, dann wird die Überwachung – und zwar nicht nur durch staatliche Stellen, sondern auch durch Unternehmen – immer intensiver. Das wird sie ja im Grunde auch jetzt schon. Aber wir müssen auch uns stärker für die Grenzen einsetzen, und eine solche Grenzziehung könnte eine doch starke europäische Datenschutzverordnung sein.
Grieß: Reicht Ihnen – sprechen wir mal über die Arbeit der deutschen Geheimdienste –, reicht Ihnen etwa das aus, was die G10-Kommission tut, die ja entscheidet über Eingriffe in die Privatsphäre? Ist das ausreichend? Ist damit Deutschland vorbildlich?
Schaar: Also erst mal ist es gut, dass es die G10-Kommission gibt, dass es auch andere parlamentarische Kontrollgremien für Geheimdienste gibt. Aber aus meiner Sicht reicht das nicht aus im Hinblick darauf, dass die doch sehr umfangreiche Überwachung, die jedenfalls möglich ist und die partiell auch geschieht, auch mittels deutscher Dienste, dass das auch öffentlich diskutierbar wird, noch stärker, als das bisher der Fall ist, denn diese Gremien, diese parlamentarischen Gremien tagen ja im Geheimen, und nur sehr wenig dringt dann tatsächlich an die Öffentlichkeit, und das wird dann ja im Grunde genommen noch einmal durchaus unter dem Gesichtspunkt, keine zu tiefen Einblicke zuzulassen, sehr dosiert.
Grieß: Wo sehen Sie denn Grenzen der Transparenz, denn Geheimdienste müssen ja in irgendeiner Form auch noch geheim arbeiten können, sonst verlieren sie ihren Titel?
Schaar: Also natürlich, die einzelne Geheimdienstoperation kann jetzt nicht in Echtzeit veröffentlicht werden. Aber sehr viel genauere Informationen darüber, was denn da insbesondere im Bereich der sogenannten strategischen Überwachung geschieht, hielte ich schon für sinnvoll. Da werden zwar Zahlen der herausgefilterten E-Mails zum Beispiel bekannt gegeben, aber wie viele E-Mails denn durchsucht worden sind, das weiß in der Öffentlichkeit kein Mensch. Wenn es 25 Millionen Treffer gibt – das hat es ja vor zwei Jahren gegeben, und zwar nur in einem Bereich, nämlich der Proliferation, der Weitergabe von Kriegswaffen, insbesondere von Atomwaffen –, dann fragt man sich natürlich schon: Wie viele E-Mails sind da ursprünglich durchsucht worden? Das müssen ja noch sehr, sehr viel mehr gewesen sein.
Grieß: Also Sie wünschen sich einige Zahlen, einige Angaben darüber, in welchem Umfang die Ausspähung vorgenommen wird. Würden Sie denn sagen, dass Ausspähung, Spionage zum Beispiel für einige Ziele legitim sei, also etwa zur Terrorabwehr?
Schaar: Nun, also genau da habe ich meine Zweifel, dass diese Spionageaktivitäten wirklich alle der Terrorabwehr dienen oder auch nur überwiegend. Wenn man zum Beispiel jetzt hört, dass europäische Institutionen verwanzt worden sein sollen – das ist ja noch nicht verifiziert –, dann kann das ja nun eigentlich nicht mit Terrorabwehr gerechtfertigt werden. Aber auch die unterschiedslose Durchsuchung von E-Mails und das Abhören von Telefonen, von völlig unverdächtigen, oder die umfassende Sammlung von sogenannten Verkehrsdaten – manche sagen ja auch Metadaten, das heißt, wer hat mit wem telefoniert, mit wem wurde eine E-Mail ausgetauscht, wo hat man sich aufgehalten –, auch das halte ich nicht für angemessen, wenn es darum geht, konkrete Terrordrohungen aufzuklären. Entscheidend ist für mich, dass man stärker, sage ich mal, wieder diese Verhältnismäßigkeit in den Blick nimmt, und dass man dazu kommt, hier auf eine anlasslose Überwachung und Erfassung zu verzichten. Und das sollte weltweit gelten.
Grieß: Nun scheint es nicht leicht zu sein, in den Verhandlungen, in den Gesprächen mit den Vereinigten Staaten, eine gemeinsame Definition von Verhältnismäßigkeit zu erzielen. Würden Sie der Bundesregierung zum Beispiel auch raten, etwa die anstehenden Verhandlungen über das Freihandelsabkommen auch auf den Tisch zu legen und zu sagen, also ihr wollt das und wir wollen jenes, lasst uns beides gemeinsam beraten?
Schaar: Also ich denke nicht, dass im Freihandelsabkommen selbst Regelungen über derartige Vorgänge enthalten sein können. Aber richtig ist, dass wir auch bei transatlantischen Verhandlungen genau fragen: Was hat das für Konsequenzen für unseren Datenschutz? Und da geht es dann weniger um die Überwachung durch staatliche Stellen, sondern in allererster Linie eben auch um das, was Firmen machen. Können wir einfach pauschal akzeptieren, dass das, was in den USA geschieht, unserem Datenschutzniveau entspricht? Da würde ich mal sagen, nach aller Kenntnis nicht. Also das heißt, es darf erstens nicht auf dem Altar des Freihandels der Datenschutz geopfert werden, weder im öffentlichen Bereich, also bei den staatlichen Stellen, noch bei den privaten Unternehmen, und zweitens denke ich, dass wir zu einer Begrenzung kommen müssen, und da denke ich auch schon an internationale Abkommen. Dass man das möglicherweise in einem gewissen Zusammenhang verhandeln kann, das kann ich mir vorstellen, aber inhaltlich sind das schon zwei Paar Schuhe.
Grieß: In diesen Verhandlungen spielt der deutsche Datenschutzbeauftragte keine große Rolle. Schmerzt Sie das oder sind Sie deshalb vielleicht auch ein Stück weit froh, dass Ihre Amtszeit endet?
Schaar: Also erstens bin ich natürlich immer froh, wenn man eine gewisse Amtszeit in einiger Würde hinter sich bringt. Aber ich bin ja erst mal noch vollständig im Amt. Und ich glaube auch nicht, dass es der Platz des Datenschutzbeauftragten ist an der Verhandlung, am Verhandlungstisch über ein Freihandelsabkommen. Dass aber Datenschutzbelange dabei berücksichtigt werden, dafür setze ich mich ja nicht alleine ein, da sehe ich auch Unterstützung im Deutschen Bundestag, da sehe ich Unterstützung durch das Europäische Parlament. Also so erfolglos sind wir Datenschützer dann nun auch wieder nicht.
Grieß: Sagt Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte, heute Morgen hier in den Informationen im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch!
Schaar: Danke meinerseits auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Am Telefon ist jetzt Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte. Guten Morgen!
Peter Schaar: Guten Morgen, Herr Grieß!
Grieß: Herr Schaar, Sie geben Ihr Amt noch in diesem Jahr ab. Dann hatten Sie es acht Jahre lang inne. Ist das Vertrauen in den deutschen Datenschutz in den vergangenen Wochen zertrümmert worden?
Schaar: Also erst mal sind es dann zehn Jahre, aber ich denke mal, entscheidend wird sein, wie die Politik, wie die Gesellschaft genau mit diesen Fragen umgeht. Ich finde es durchaus hoffnungsfroh, dass das Thema Datenschutz so prominent jetzt diskutiert wird, und dass es auch zu einem Thema wird, das für die politischen Entscheidungen im kommenden Wahlkampf wohl offensichtlich eine Rolle spielt.
Grieß: Sind Sie Edward Snowden dankbar?
Schaar: Na ja, indirekt sicherlich, dass bekannt geworden ist, in welchem Umfang hier doch sehr viele Daten abgegriffen werden. Es ist ja nicht das erste Mal, dass darüber gesprochen wird. Aber die Daten, die jetzt an die Öffentlichkeit gekommen sind, sind doch sehr viel konkreter als diese allgemeinen Befürchtungen, die allgemein immer wieder geäußert worden sind.
Grieß: Die indirekte Dankbarkeit, könnte die nicht auch ein Grund dafür sein, dem Mann mit den Daten Schutz zu gewähren?
Schaar: Na ja, also ich denke mal, darüber sollte man in Deutschland schon nachdenken. Das ist eine Frage unseres Asylrechts und die Frage auch, inwieweit wir aus humanitären Gründen auch jemandem, der keinen Anspruch auf politisches Asyl hat, hier Aufenthalt gewähren sollten. Unabhängig davon kümmere ich mich allerdings in allererster Linie um die Aufklärung genau der Fragen, die jetzt diskutiert werden, und ich setze mich dafür ein, dass diese doch unterschiedslose Überwachung, die ja offenbar eben von mehreren Ländern betrieben wird – und ich denke, auch noch von Ländern, die jetzt gar nicht so im Gespräch sind –, dass diese Überwachung begrenzt wird.
Grieß: Müssten Sie nicht dann eigentlich mitreisen in die USA und dort die Fragen stellen, die Sie haben?
Schaar: Ach, wissen Sie, im Zeitalter des Internets und der internationalen Kommunikationsbeziehungen muss man nicht irgendwo hinreisen, um irgendwelche Fragen zu stellen.
Grieß: Aber tun ja die Beamten jetzt aus dem Innenministerium – sicherlich nicht ohne Grund.
Schaar: Na ja, also ehrlich gesagt, gerade solche Reisen zu demjenigen, dem man vorwirft, etwas getan zu haben oder wo die Vorstellung da ist, er habe sich unrechtmäßig verhalten, haben so ein gewisses Geschmäckle, finde ich, für mich jedenfalls. Natürlich kann man in die USA reisen und dort mit Verantwortlichen sprechen, aber eigentlich müsste man doch erwarten, dass unsere Verbündeten uns hier aufklären, was sie denn mit unseren Daten machen, denn letztlich geht es ja auch um den Datenschutz der deutschen Internet- und Telekommunikationsnutzer.
Grieß: Macht sich die deutsche Bundesregierung zu klein?
Schaar: Na ja, also ich will hier kein Urteil abgeben, das wird man sicherlich eher beurteilen können, wenn die Ergebnisse vorliegen. Frau Merkel ist ja der Auffassung oder hat schon angekündigt, dass die US-Regierung hier einiges sagen wird. Da bin ich schon gespannt.
Grieß: Ich habe gesagt oder wir haben gesagt, dass Beamte aus dem Bundesinnenministerium und der Minister selber in die Vereinigten Staaten reisen. Das Bundesinnenministerium ist ja gleichzeitig auch für die öffentliche Sicherheit in Deutschland zuständig, und damit gibt es eine Nähe auch zur Polizeiarbeit, zur geheimdienstlichen Arbeit. Sehen Sie darin einen Interessenskonflikt?
Schaar: Natürlich ist das ein Interessenskonflikt. Der Bundesinnenminister betont ja immer wieder, er sei der Sicherheitsminister. Ich habe nicht gehört in letzter Zeit, dass der der Datenschutzminister ist – dafür ist er nämlich auch zuständig. Und ich finde, da muss einfach auch die Schwerpunktsetzung jetzt liegen, dass es darum geht, unsere Grundrechte zu wahren. Das Fernmeldegeheimnis ist ja durch Artikel 10 des Grundgesetzes verbürgt. Und insofern geht es darum, dieses Recht zu gewährleisten, auch gegenüber Freunden.
Grieß: Wären Sie dafür, diese Aufgabe, diese Zuständigkeit für Datenschutz herauszulösen aus dem Innenministerium?
Schaar: Auf jeden Fall sollte die Datenschutzaufsicht wesentlich unabhängiger sein, als sie das bisher ist. Meine Dienststelle ist ja beim Bundesinnenministerium angedockt. Ich unterliege ja sogar einer Rechtsaufsicht der Bundesregierung und einer Dienstaufsicht durch das Bundesinnenministerium. Und das ist mit der gebotenen Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten aus meiner Sicht kaum zu vereinbaren.
Grieß: Würden Sie gerne ein eigenständiges Amt haben oder zu einem anderen Ministerium, Verbraucherschutz, Justizministerium, was kommt Ihnen da in den Sinn?
Schaar: Also ich denke, die Unabhängigkeit ist das Entscheidende, nicht, dass das irgendwo angedockt wird.
Grieß: Das ist ein schwieriges Fazit, das Sie ziehen nach zehn Jahren Bilanz.
Schaar: Na ja, natürlich ist das ein schwieriges Fazit, aber Datenschutz – das war mir schon von Anfang an klar – ist ja keine einfache Materie, und angesichts der technologischen Entwicklung, der Geschwindigkeit auch dieser Entwicklung kann es ja nicht überraschen, dass diese Fragen nicht immer leichter werden. Aber trotzdem ist es wichtiger denn je, denn man sieht ja: Wenn man da nicht gegensteuert, wenn man da nicht für Aufklärung sorgt, dann wird die Überwachung – und zwar nicht nur durch staatliche Stellen, sondern auch durch Unternehmen – immer intensiver. Das wird sie ja im Grunde auch jetzt schon. Aber wir müssen auch uns stärker für die Grenzen einsetzen, und eine solche Grenzziehung könnte eine doch starke europäische Datenschutzverordnung sein.
Grieß: Reicht Ihnen – sprechen wir mal über die Arbeit der deutschen Geheimdienste –, reicht Ihnen etwa das aus, was die G10-Kommission tut, die ja entscheidet über Eingriffe in die Privatsphäre? Ist das ausreichend? Ist damit Deutschland vorbildlich?
Schaar: Also erst mal ist es gut, dass es die G10-Kommission gibt, dass es auch andere parlamentarische Kontrollgremien für Geheimdienste gibt. Aber aus meiner Sicht reicht das nicht aus im Hinblick darauf, dass die doch sehr umfangreiche Überwachung, die jedenfalls möglich ist und die partiell auch geschieht, auch mittels deutscher Dienste, dass das auch öffentlich diskutierbar wird, noch stärker, als das bisher der Fall ist, denn diese Gremien, diese parlamentarischen Gremien tagen ja im Geheimen, und nur sehr wenig dringt dann tatsächlich an die Öffentlichkeit, und das wird dann ja im Grunde genommen noch einmal durchaus unter dem Gesichtspunkt, keine zu tiefen Einblicke zuzulassen, sehr dosiert.
Grieß: Wo sehen Sie denn Grenzen der Transparenz, denn Geheimdienste müssen ja in irgendeiner Form auch noch geheim arbeiten können, sonst verlieren sie ihren Titel?
Schaar: Also natürlich, die einzelne Geheimdienstoperation kann jetzt nicht in Echtzeit veröffentlicht werden. Aber sehr viel genauere Informationen darüber, was denn da insbesondere im Bereich der sogenannten strategischen Überwachung geschieht, hielte ich schon für sinnvoll. Da werden zwar Zahlen der herausgefilterten E-Mails zum Beispiel bekannt gegeben, aber wie viele E-Mails denn durchsucht worden sind, das weiß in der Öffentlichkeit kein Mensch. Wenn es 25 Millionen Treffer gibt – das hat es ja vor zwei Jahren gegeben, und zwar nur in einem Bereich, nämlich der Proliferation, der Weitergabe von Kriegswaffen, insbesondere von Atomwaffen –, dann fragt man sich natürlich schon: Wie viele E-Mails sind da ursprünglich durchsucht worden? Das müssen ja noch sehr, sehr viel mehr gewesen sein.
Grieß: Also Sie wünschen sich einige Zahlen, einige Angaben darüber, in welchem Umfang die Ausspähung vorgenommen wird. Würden Sie denn sagen, dass Ausspähung, Spionage zum Beispiel für einige Ziele legitim sei, also etwa zur Terrorabwehr?
Schaar: Nun, also genau da habe ich meine Zweifel, dass diese Spionageaktivitäten wirklich alle der Terrorabwehr dienen oder auch nur überwiegend. Wenn man zum Beispiel jetzt hört, dass europäische Institutionen verwanzt worden sein sollen – das ist ja noch nicht verifiziert –, dann kann das ja nun eigentlich nicht mit Terrorabwehr gerechtfertigt werden. Aber auch die unterschiedslose Durchsuchung von E-Mails und das Abhören von Telefonen, von völlig unverdächtigen, oder die umfassende Sammlung von sogenannten Verkehrsdaten – manche sagen ja auch Metadaten, das heißt, wer hat mit wem telefoniert, mit wem wurde eine E-Mail ausgetauscht, wo hat man sich aufgehalten –, auch das halte ich nicht für angemessen, wenn es darum geht, konkrete Terrordrohungen aufzuklären. Entscheidend ist für mich, dass man stärker, sage ich mal, wieder diese Verhältnismäßigkeit in den Blick nimmt, und dass man dazu kommt, hier auf eine anlasslose Überwachung und Erfassung zu verzichten. Und das sollte weltweit gelten.
Grieß: Nun scheint es nicht leicht zu sein, in den Verhandlungen, in den Gesprächen mit den Vereinigten Staaten, eine gemeinsame Definition von Verhältnismäßigkeit zu erzielen. Würden Sie der Bundesregierung zum Beispiel auch raten, etwa die anstehenden Verhandlungen über das Freihandelsabkommen auch auf den Tisch zu legen und zu sagen, also ihr wollt das und wir wollen jenes, lasst uns beides gemeinsam beraten?
Schaar: Also ich denke nicht, dass im Freihandelsabkommen selbst Regelungen über derartige Vorgänge enthalten sein können. Aber richtig ist, dass wir auch bei transatlantischen Verhandlungen genau fragen: Was hat das für Konsequenzen für unseren Datenschutz? Und da geht es dann weniger um die Überwachung durch staatliche Stellen, sondern in allererster Linie eben auch um das, was Firmen machen. Können wir einfach pauschal akzeptieren, dass das, was in den USA geschieht, unserem Datenschutzniveau entspricht? Da würde ich mal sagen, nach aller Kenntnis nicht. Also das heißt, es darf erstens nicht auf dem Altar des Freihandels der Datenschutz geopfert werden, weder im öffentlichen Bereich, also bei den staatlichen Stellen, noch bei den privaten Unternehmen, und zweitens denke ich, dass wir zu einer Begrenzung kommen müssen, und da denke ich auch schon an internationale Abkommen. Dass man das möglicherweise in einem gewissen Zusammenhang verhandeln kann, das kann ich mir vorstellen, aber inhaltlich sind das schon zwei Paar Schuhe.
Grieß: In diesen Verhandlungen spielt der deutsche Datenschutzbeauftragte keine große Rolle. Schmerzt Sie das oder sind Sie deshalb vielleicht auch ein Stück weit froh, dass Ihre Amtszeit endet?
Schaar: Also erstens bin ich natürlich immer froh, wenn man eine gewisse Amtszeit in einiger Würde hinter sich bringt. Aber ich bin ja erst mal noch vollständig im Amt. Und ich glaube auch nicht, dass es der Platz des Datenschutzbeauftragten ist an der Verhandlung, am Verhandlungstisch über ein Freihandelsabkommen. Dass aber Datenschutzbelange dabei berücksichtigt werden, dafür setze ich mich ja nicht alleine ein, da sehe ich auch Unterstützung im Deutschen Bundestag, da sehe ich Unterstützung durch das Europäische Parlament. Also so erfolglos sind wir Datenschützer dann nun auch wieder nicht.
Grieß: Sagt Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte, heute Morgen hier in den Informationen im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch!
Schaar: Danke meinerseits auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.