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Anleitung zum Glück

Psychologie. - Statt sich allein mit negativen Emotionen zu beschäftigen, interessieren sich Forscher immer mehr auch für die positiven Gefühle. Denn glückliche Menschen leben gesünder und länger und sind erfolgreicher. Glücksforschung und Wohlbefindensforschung heißen die neuen Trends auf dem 29. Internationalen Kongress für Psychologie.

Von William Vorsatz |
    Das Handy klingelt in unregelmäßigen Abständen. Dann werden die Anrufer gefragt, wie sie sich gerade fühlen und was sie erleben. Emotionspsychologe Professor Michael Eid von der Freien Universität Berlin hat mit seinem Team 300 zufällig ausgewählte Probanden erfasst:

    "Man macht das sieben bis acht Mal am Tag, über zwei Wochen beispielsweise hinweg, und kann dann berechnen, sowohl das mittlere Wohlbefinden, was die Person erfährt, als auch die Schwankungen im Wohlbefinden, man kann die situativen Einflüsse quasi identifizieren, und man kann auch identifizieren, inwieweit die Emotionsregulation gesteuert wird: Personen quasi, die in der Lage sind, positive Emotionen aufrecht zu erhalten beziehungsweise schnell aus negativen Emotionen rauszukommen, das kann man mit bestimmten mathematischen Methoden, die wir auch selbst mit entwickeln, dann identifizieren."

    Die Forscher wollen wissen, welche Faktoren das subjektive Wohlbefinden positiv und welche negativ beeinflussen und wie sich die Lebenszufriedenheit dauerhaft steigern lässt. Wie glücklich sich ein Mensch insgesamt fühlt, wird zum Teil von den Genen beeinflusst. Forscher haben bisher geglaubt, es gebe eine individuelle Stimmungslage, auf die sich jede Person immer wieder einpegeln würde. Neue Forschungsresultate stellen das jedoch in Frage. Menschen kommen nach glücklichen Ereignissen schnell wieder auf ihre individuelle Stimmungslage zurück. Schwieriger ist es bei Einschnitten, die dauerhaft die Lebensqualität einschränken. Psychologin Maike Luhmann von der Freien Universität:

    "Wenn jemand eine Behinderung bekommt, dann ist es schon so: die Reaktion, die unmittelbare Reaktion darauf ist erstmal negativ. Das Wohlbefinden geht erstmal runter, aber in den Jahren darauf, da gibt es durchaus eine Besserung. Das Entscheidende ist jetzt aber, dass es den Personen, die eben eine solche Behinderung erfahren haben, immer noch im Durchschnitt schlechter geht, als den Personen ohne eine solche Behinderung, und dass es ihnen auch schlechter geht als vor ihrer eigenen Behinderung."

    Die Forscher an der Freien Universität wollten daraufhin wissen, wie Menschen mit wiederholten belastenden Ereignissen fertig werden. Und ob sie sich besser daran gewöhnen, wenn es ihnen zwischendurch immer wieder gut geht. Beispielsweise beim wiederholten Verlust der Arbeit, wenn sie dazwischen immer wieder einer Tätigkeit nachgehen können. Das Gegenteil war der Fall, Die Psychologen haben einen regelrechten Abwärtstrend beobachtet:

    "Das heißt, bei der ersten Arbeitslosigkeit geht das Wohlbefinden runter, wenn die Personen wieder Arbeit finden, geht`s wieder hoch, aber nicht so auf das Ursprungsniveau, also es geht ihnen wirklich dauerhaft schlechter, und wenn sie dann nochmals arbeitslos werden, dann geht es ihnen noch schlechter, als bei der ersten Arbeitslosigkeit, wenn sie dann wieder Arbeit finden, geht’s wieder hoch, aber auch wieder nicht auf das gleiche Niveau, und bei der dritten Arbeitslosigkeit geht’s noch weiter runter, also es ist ein richtiger Abwärtstrend, die Leute werden mit jeder Arbeitslosigkeit unglücklicher."

    Weil positive Erlebnisse generell nicht so lange stimmungsaufhellend wirken wie negative belastend, muss der Mensch mehr Positives erleben, um ausgeglichen zu bleiben. Menschen können Positives jedoch gezielt für ihr Wohlbefinden einsetzten, indem sie in sozialen Beziehungen beispielsweise ihre positiven Gefühle immer wieder austauschen. Emotionsforscher Eid:

    "Dankbarkeit ist eine Emotion, die in Amerika sehr beforscht wird, und da zeigt sich: wenn man Dankbarkeit kultiviert, dass das eine Strategie ist, um auch das Wohlbefinden über längere Zeit aufrecht zu erhalten und auch möglicherweise zu steigern."

    Das eigene gute Gefühl und das der anderen Personen, denen man dankbar ist. Emotionale Zufriedenheit hat weitreichende Konsequenzen. Menschen, die zufrieden sind, leben gesünder und länger, sie sind wirtschaftlich erfolgreicher und ihre privaten Beziehungen gestalten sich stabiler. In den USA diskutieren Politiker und Psychologen schon darüber, Indikatoren des Wohlbefindens in den Bericht zur Lage der Nation aufzunehmen. Vielleicht ist das ja aussagekräftiger als Daten über die Entwicklung des Bruttosozialprodukts.