Gegen alles ist ein Kraut gewachsen. Oder, um mit Nora zu sprechen: Gegen alles kann man etwas erfinden. Erfinden ist ihre Lieblingsbeschäftigung. Sie ist die Jüngste in der Familie und muss sich gegenüber ihren drei älteren Brüdern behaupten. Meistens erfindet Nora gemeine Fallen für die Brüder oder eine Brille, um die Jungs einfach nicht zu sehen.
Als eines Tages nebenan eine neue Familie mit einem gleichaltrigen Jungen einzieht, entdeckt Nora eine geheimnisvolle schwarze Kiste zwischen den Umzugskartons. Die erste Begegnung mit Ben, dem neuen Nachbarsjungen, verläuft nicht gerade freundlich.
"Mit einem Satz sprang er neben mich auf den Gehweg. ‚Geh weg da', sagte er leise. ‚Warum?' Seine Augen blitzten. ‚Geh weg da', wiederholte er. ‚Der Fußweg gehört allen, weißt du', sagte ich. ‚Aber diese Kiste gehört mir.' Er zeigte auf das schwarze Ding hinter meinem Rücken. ‚Was ist da drin?', fragte ich. Er schüttelte den Kopf und schwieg."
Eine Luke zum Nachbarhaus
Die schwarze Kiste geht Nora nicht mehr aus dem Sinn. Sie will unbedingt wissen, was darin ist. Diesmal will sie eine Brille erfinden, mit der man durch Holz und Stahl sehen kann. Aber erst einmal zieht sich Nora wie so oft in ihr Zimmer auf dem Dachboden zurück. Als sie mitten in der Nacht Geräusche an der Wand hört, macht sie sich mit einer Taschenlampe auf Entdeckungstour und findet ganz versteckt in der Ecke ihres Zimmers eine Luke zum Nachbarhaus. Im nächsten Moment wird die Luke aufgerissen, und Nora blickt in das Gesicht von Ben. Dieser ist nicht begeistert, dass sein neues Zimmer direkt neben Noras liegt, und er droht, die Ritzen der Luke mit Zahnpasta zu verschließen. Nora wirft neugierig einen Blick in das fremde Zimmer und entdeckt wieder etwas Geheimnisvolles:
"Ich schaute ein wenig genauer hin. Auf dem Fußboden vor dem Fenster stand ein mageres schwarzes Ding. Eine Art Klorolle für Riesen, auf drei dünnen Beinen. Daneben die Kiste, an die ich mich heute Morgen nicht anlehnen durfte. Der Deckel war offen. Und die Kiste leer."
Die geheimnisvolle schwarze Kiste und ihr dubioser Inhalt sind Cliffhanger, mit denen Anna Woltz in ihrem neuen Buch "Sonntag, Montag, Sternentag" geschickt die jungen Leser in die Geschichte hineinzieht. Das kleine schmale Buch mit kurzen Kapiteln und ansprechenden farbigen Illustrationen von Lena Hesse eignet sich ideal für Erstleser.
Der Beginn einer Freundschaft
Nora, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, ist eine starke Hauptfigur, sie sprüht vor Energie. Trotzig lehnt sie sich gegen die anfängliche Ablehnung des Nachbarsjungen auf. Sie stellt Fragen und packt Ben bei seinem Lieblingsthema: Sterne und Planeten. Plötzlich kann der Junge über seine Leidenschaft reden, und er offenbart Nora sogar ein Geheimnis. Er muss in der Schule ein Referat wiederholen, das beim ersten Anlauf nicht geklappt hat. Er hatte vor der versammelten Klasse angefangen zu weinen, und nun probt er nachts für seinen zweiten Versuch. Er erklärt Nora, dass er nicht sprechen kann, wenn die Mitschüler ihn anstarren. Nora zeigt Verständnis, und das Blatt wendet sich, die beiden werden zu Verbündeten. Einfühlsam und feinfühlig erzählt Anna Woltz vom Beginn einer Freundschaft.
",Ich muss nach unten', sagte Ben heiser. ‚Zahnpasta holen für die Ritzen?', fragte ich. Er zögerte. ‚Na ja…' Endlich sah er mich wieder an. ‚Vielleicht können wir die Luke noch eine Weile offen lassen? Nur so, falls du noch mehr über die Sterne wissen möchtest?' Plötzlich war da wieder dieses fröhliche Kribbeln in meinem Bauch. ‚Wissen deine Eltern von der Luke?', fragte ich. Er schüttelte den Kopf. ‚Ich hab ihnen nichts erzählt.' ‚Ich meinen auch nicht', sagte ich. Wir schauten uns an und fingen an zu lachen."
Die dubiose schwarze Spinne
Mitten in der Nacht weckt Ben Nora, denn nur bei Dunkelheit kann er mit der dubiosen schwarzen Spinne, die sich als Teleskop entpuppt, die Sterne beobachten. Ben erklärt Nora den großen Wagen und warum der Mond Pickel hat. Ganz nebenbei erfahren hier die jungen Leser eine ganze Menge über Planeten. Die Geschichte nimmt Fahrt auf. Voller Begeisterung macht sich Nora zur Aufgabe, sich zum ersten Mal eine nicht gemeine Erfindung auszudenken, um ihrem neuen Freund zu helfen. Anna Woltz findet mit ihrer präzisen Sprache und kurzen Sätzen den richtigen Ton und bringt trickreich Noras älteren Bruder Bas mit ins Spiel. Nur mit seiner Hilfe kann Noras Erfindung gelingen.
",Hallo Bas!', rief ich. ,Oje', sagte er. ‚Kommst du her, um was anzuzünden?' Ich schüttelte den Kopf. ‚Ich brauche deine Hilfe.' ‚Ich bin bei der Arbeit', sagte mein Bruder. ,Pf, das sehe ich! Darum kommen wir ja hier vorbei. Du musst uns helfen…' Bas zog die Augenbrauen zusammen. ‚Warum sollte ich das tun?' ‚Tja…', sagte ich. ‚Dann verspreche ich dir, nie wieder eine Bas-Falle zu bauen. Und ich erfinde einen Hut, nur für dich allein. Wenn du den aufsetzt, finden dich alle Mädchen großartig.' Bas fing an zu lachen. ‚Also gut, unter einer Bedingung: Das mit dem Hut lässt du bitte sein! Dann helfe ich euch.'"
Eine grandiose Erfindung
Nora erschafft eine grandiose Erfindung, die Ben hilft und Nora mit ihrem Bruder Bas versöhnt. Bens Referat wird ein voller Erfolg und besiegelt die Freundschaft zwischen Nora und Ben. Anna Woltz ist mit "Sonntag, Montag, Sternentag" eine anrührende Geschichte gelungen, realistisch und psychologisch tiefgründig erzählt.
Anna Woltz: "Sonntag, Montag, Sternentag"
mit Illustrationen von Lena Hesse
aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann
Carlsen Verlag, Hamburg. 64 Seiten, 10 Euro, ab 7 Jahren.
Hörbuch gesprochen von Sascha Icks
Silberfisch Hörbuch Verlag, Hamburg. 1 CD, ca. 44 Minuten, 10 Euro, ab 7 Jahren.
mit Illustrationen von Lena Hesse
aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann
Carlsen Verlag, Hamburg. 64 Seiten, 10 Euro, ab 7 Jahren.
Hörbuch gesprochen von Sascha Icks
Silberfisch Hörbuch Verlag, Hamburg. 1 CD, ca. 44 Minuten, 10 Euro, ab 7 Jahren.