Mario Dobovisek: In Berlin begrüße ich Hannes Mosler vom Institut für Korea-Studien an der Freien Universität Berlin. Guten Abend!
Hannes Mosler: Guten Abend.
Dobovisek: Wie umfangreich wird der Passus oder das Kapitel sein, das, sagen wir, in 20 Jahren in den Geschichtsbüchern auf den heutigen Gipfel zurückblickt?
Mosler: Hoffentlich sehr umfangreich. Hoffentlich ist es dann rückblickend der Anfang von einem großartigen Friedensprozess gewesen, auf den man entsprechend erfolgreich zurückschauen kann.
Dobovisek: Hoffentlich, sagen Sie. Nehmen wir an dieser Stelle noch einmal das auf, was der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff heute gesagt hat, und formulieren daraus eine Frage, um es etwas zuzuspitzen. Haben wir heute einen historischen Fehler oder einen historischen Erfolg beobachtet?
Mosler: Von dem, was man jetzt beurteilen kann, von der jetzigen Situation und wie das Ganze zustande gekommen ist, denke ich, ist es ein sehr erfolgreiches Treffen gewesen. Es haben sich zum ersten Mal ein nordkoreanischer Amtsinhaber der Führung Nordkoreas und der amerikanische Präsident direkt von Auge zu Auge, von Angesicht zu Angesicht getroffen und haben über die wichtigsten Themen gesprochen, die zwischen den beiden Staaten stehen. Viele kritisieren ja, dass das Kommuniqué oder das Statement noch sehr vage war, aber gerade darin sehe ich eine realistische Chance, dass auch die nächsten Wochen und Monate tatsächlich praktische, konkrete Fortschritte zeigen können.
Dobovisek: Warum liegt darin Ihrer Meinung nach gerade die Chance, in diesem Vage-sein?
Mosler: Es gab im Vorfeld viele Forderungen, es müsste das CVID drinstehen und alles noch gewährleistet werden, nur dann wäre es ein Erfolg. Aber wenn man die Messlatte zu hoch setzt, dann führt das dazu, dass beide Vertragsparteien auch gezwungen sind zu liefern, und wir wissen ja – und das ist nicht nur mit Nordkorea so, aber insbesondere im Fall der koreanischen Halbinsel so -, dass dieser Prozess sehr langsam, sehr behutsam und langfristig durchgeführt werden muss, damit überhaupt eine Chance besteht, dass es auch von Erfolg gekrönt ist. Wenn man da von vornherein viel zu viel verlangt, dann kann noch viel mehr schiefgehen.
Unsicherheitsfaktoren Trump und Kim
Dobovisek: Auch weil beide Verhandlungspartner, Donald Trump auf der einen, Kim Jong-un auf der anderen Seite, nicht als besonders verlässlich gelten?
Mosler: Das ist noch mal ein ganz anderer Punkt. Ich denke, man kann eindeutig von Donald Trump sagen, auch was seine bisherigen Aktivitäten in seiner Amtszeit gezeigt haben, ist er wirklich ein sehr großer Unsicherheitsfaktor. Bei Nordkorea rekurriert man auch gerne auf die Jahrzehnte Geschichte zurück, dass die Nordkoreaner Versprechungen nicht eingehalten hätten. Aber das war nie eine einseitige Sache. Dazu hat es immer zwei gegeben. Ich denke, die jetzigen Vorzeichen, auch die jetzige Konstellation in der Region lässt einen sehr positiv auf das blicken, was dann hoffentlich kommt. Ich verspreche mir eher davon, dass beide sehr ernsthaft daran interessiert sind, auch das umzusetzen, was sie jetzt im Ansatz dort zu Papier gebracht haben.
Dobovisek: Von der Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel ist in der Vereinbarung die Rede, von anhaltendem Frieden, von vertieften Beziehungen. All das klingt zwar gut, aber eben vage, wie Sie auch selber gesagt haben. Wie sollten diese Punkte der Vereinbarung in den nächsten Schritten umgesetzt werden?
Mosler: Das ist jetzt ganz entscheidend. Heute hat Donald Trump in der Pressekonferenz gesagt, in der nächsten Woche würde Mike Pompeo, der Außenminister der USA, die nächsten Schritte ganz konkret in weiteren Treffen dann ausverhandeln, und da müssten dann natürlich jetzt konkretere Schritte kommen, und ich kann mir vorstellen, wenn jetzt zum Beispiel von nordkoreanischer Seite, wie ja auch von Trump angekündigt, tatsächlich noch mal die Zerstörung einer weiteren Raketentest-Anlage kommt und die USA tatsächlich auf ihre Manöver verzichten würden, dann könnte man annehmen, dass tatsächlich durch dieses Aufbrechen des Teufelskreises ein größeres Vertrauen dann da ist, was auch beide Seiten dazu veranlassen wird, die nächsten konkreten Schritte tatsächlich auch umzusetzen.
Dobovisek: Welchen Schritt erachten Sie dabei als den wichtigsten?
Mosler: Ganz wichtig, denke ich, ist in den nächsten Wochen und vielleicht sogar Monaten, neben mehreren konkreten Gesten vor allen Dingen symbolischer Art: Man wird nicht umhin kommen, auch die Anrainerstaaten wie China, Japan und Russland, Südkorea sowieso Stück für Stück in diesen Prozess mit einzubinden. Das heißt, von dieser bilateralen Ebene wird man sich auf eine multilaterale Ebene verschieben. In dem Zusammenhang könnte man auch annehmen, dass es zum Beispiel zu dem nächsten symbolischen Meilenstein kommt, dass man gemeinsam eine Beendigung des Korea-Krieges erklärt und dann in Hinsicht auf ein mögliches Friedensabkommen kommt, das diesen derzeitigen Waffenstillstand ersetzen würde, weil diese Art des gegenseitigen Vertrauensaufbaus ist Voraussetzung dafür, dass dann zum Beispiel darüber gesprochen wird, ob irgendwann erste Sanktionen zurückgenommen werden oder von den USA erste andere Zugeständnisse gemacht werden.
"China ist auch nur ein Akteur"
Dobovisek: Wer profitiert denn im Moment am meisten von der heute geschlossenen Vereinbarung? Ist es vielleicht sogar China als lachender Dritter, vor allem wirtschaftlich?
Mosler: Ich denke, wenn man die Aussagen des heutigen Tages so nimmt, wie sie gemacht worden sind, dann war das auf jeden Fall eine Win-Win-Situation für Donald Trump und Kim Jong-un. Da hat nicht, wie jetzt groß behauptet wird, Kim Jong-un hier einen großen Sieg davongetragen. Er hat auch nicht viel mehr in der Hand als Donald Trump, und das macht auch dieses Statement aus, das sie beide unterschrieben haben. Aber sie haben einen Anfang gesetzt.
China ist ganz wichtig in dieser Rechnung, wie aber auch Japan und Südkorea und Russland. Aber China ist auch nur ein Akteur in dieser multilateralen Konstellation. Sicherlich ist es im Moment für China ein gutes Ergebnis, dass es nicht zum Eklat gekommen ist, dass es auch nicht zu weiteren Provokationen gekommen ist, aber es ist insgesamt noch ein sehr langer Weg und ich glaube nicht, dass man sagen kann, dass einer gewonnen oder einer verloren hat. Zumindest sollte das nicht das Ziel sein. Und wenn man einen langfristig gangbaren Weg gehen möchte, der auch nachhaltig Stabilität hat und zu den Ergebnissen führt, nämlich der Denuklearisierung und dem Frieden in der Region, dann müssen alle beteiligten Staaten mit ins Boot geholt werden, und da darf dann natürlich auch keiner versuchen, das Ganze zu gewinnen.
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