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Annika Klose (SPD)
Jusos unterstützen Werbeverbot für Bundeswehr an Berliner Schulen

Die Juso-Vorsitzende in Berlin, Annika Klose, befürwortet ein Werbeverbot für die Bundeswehr an Berliner Schulen. Sie fände es einseitig, wenn sich militärische Institutionen an Schulen präsentieren könnten, ohne dass die Gegenseite - zum Beispiel NGOs - gehört werden würde, sagte sie im Dlf.

Annika Klose im Gespräch mit Christoph Heinemann |
Annika Klose, Vorsitzende der Jusos in Berlin
Annika Klose ist dafür, dass NGOs an Schulen auch die Gegenseite darstellen müssten (Jusos Berlin)
In einem Beschluss des Berliner Landesverbandes der SPD wird militärischen Institutionen untersagt, an Schulen für den Dienst und die Arbeit im militärischen Bereich zu werben. Die Berliner SPD vertrete eine antimilitaristische Haltung, sie sei kritisch gegenüber Militär und Ausrüstung, so Klose im Dlf. Sie finde es einseitig, wenn sich an Schulen militärische Institutionen präsentieren könnten. "Wir sehen es kritisch, dass sich Offiziere vor Klassen stellen können, ohne dass die Gegenposition von NGOs präsentiert wird."

Das Interview in voller Länge:
Christoph Heinemann: Am Telefon ist Annika Klose, Landesvorsitzende der SPD-Jugendorganisation Jusos in Berlin. Sie ist Kandidatin für das Europäische Parlament und Mitglied der Grundwertekommission der SPD. Guten Morgen!
Annika Klose: Einen schönen guten Morgen!
Heinemann: Frau Klose, warum hat die Berliner SPD so etwas beschlossen?
Klose: Na ja. Ein Kreisverband der Berliner SPD hatte das beantragt und die Haltung der Berliner SPD ist zum einen natürlich eine ganz klar antimilitaristische, das heißt nicht pazifistische, aber eben kritisch gegenüber Militär und Aufrüstung. Zum anderen sind wir auch ganz klar für Kinderrechte und wir sehen es deswegen natürlich sehr kritisch, wenn möglicherweise an unseren Schulen militärische Organisationen sich präsentieren können. Unsere Bedenken sind, weil wir seit 2011 erleben, dass das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr verstärkt Werbung schaltet, beispielsweise auch auf der Internetplattform YouTube, wo sehr viele junge Menschen sich herumtreiben, und auch mit eigenen Serien beispielsweise diese Werbung intensiviert wird …
Heinemann: Wir reden jetzt über Schulbesuche.
Klose: Ja, richtig.
"Der Beschluss sagt, dass wir ein Werbeverbot fordern"
Heinemann: Wer wirbt für Töten und Sterben?
Klose: Na ja. Man muss ja sagen, dass der Beschluss sagt, dass wir ein Werbeverbot fordern. Nach Beutelsbacher Konsens ist das bereits auch eigentlich jetzt in der Bildungspolitik oder in der Bildungslandschaft quasi Konsens, dass man nicht an Schulen wirbt. Allerdings haben wir die Befürchtung, anhand von Fachkräftemangel und Ähnlichem, dass man dort rote Linien überschreitet. Deswegen sagen wir, wir wollen das noch mal ganz explizit festschreiben, dass das nicht sein soll, und ich sehe auch nicht, warum beispielsweise Offizierinnen und Offiziere an Schulen kommen sollen, ohne dass beispielsweise die Gegenposition von NGOs dort gehört werden sollen.
Heinemann: Frau Klose, waren die SPD-Politiker Helmut Schmidt, Georg Leber, Hans Apel, Rudolf Scharping und Peter Struck allesamt Minister für Töten und Sterben?
Klose: Nein, das würde ich so nicht sagen.
Heinemann: Warum nicht?
Klose: Weil sie sicherlich als Verteidigungsminister auch diverse Aufgaben haben und für die Sicherheit auch sorgen mussten. Allerdings muss man auch sagen, man muss ja auch mal gucken: Der Beschluss ist, dass der Gesetzestext angepasst werden soll. Das, was Sie gerade zitieren, das ist die Begründung. Das weiß natürlich auch Herr Oppermann beispielsweise, der sich diesen Begriff herausgegriffen hat und darauf herumreitet, dass eine Begründung eines Antragstextes niemals Teil des Beschlusses ist und auch von einem Parteitag nicht geändert werden kann. Das ist natürlich da schon ein ziemliches Herumpicken, wo er natürlich ganz genau weiß, dass das nicht Teil des Beschlusses ist.
"Militärischen Organisationen an Schulen auf die Finger gucken"
Heinemann: Gepickt hat auch der Wehrbeauftragte der Bundeswehr, der SPD-Bundestagsabgeordnete Bartels. Der sagt, den Verteidigungsauftrag des Grundgesetzes als Werbung für Töten und Sterben zu diffamieren, das sei schon bemerkenswert. Was hat die Berliner SPD übersehen?
Klose: Werben fürs Töten und Sterben, das hat er ja so nicht beschlossen, sondern das ist Teil des Begründungsbeschlusses. Das hatte ich zum einen bereits gesagt. Zum anderen ist das von uns der Hinweis, dass es natürlich nach Beutelsbacher Konsens ein Kontroversitäts- und ein Überwältigungsverbot gibt bei Bildungsveranstaltungen an Schulen. Und wir sehen es einfach kritisch, dass sich Bundeswehroffizierinnen und Offiziere dort vor Klassen stellen können, ohne dass garantiert ist, dass die Gegenmeinung repräsentiert ist, und ich finde, das ist schon eine Frage, die man da stellen kann.
Schließlich rekrutiert die Bundeswehr zunehmend Minderjährige, was auch von der UN ja beispielsweise immer wieder kritisiert wird. Im Jahr 2017 hatten wir über 2.000 Minderjährige bundesweit im Dienst der Bundeswehr. Ich finde, das ist tatsächlich eine sehr kritische Entwicklung, und dass man da den militärischen Organisationen an Schulen noch mal vehement auf die Finger guckt, finde ich da den absolut richtigen Schritt.
Heinemann: Sie sprechen übrigens immer vom Plural, von militärischen Organisationen. Meines Wissens wirbt oder informiert nur die Bundeswehr. Was wissen Sie über die Arbeit von Jugendoffizieren?
Klose: Wir haben natürlich auch Soldatinnen und Soldaten in unseren Reihen, auch beim Parteitag der SPD, und auch die haben sich dort beispielsweise kritisch positioniert. Mir ist natürlich bewusst, dass die Arbeit der Jugendoffiziere vor allem darum geht, Informationen über Sicherheits- und Verteidigungspolitik an die Schulen zu bringen. Dennoch weiß ich natürlich auch, dass die Offizierinnen und Offiziere dort meistens alleine vor den Klassen stehen. Und ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass das nicht auch Eindruck auf die Schülerinnen und Schüler macht, zumal wenn man es in den gesamtgesellschaftlichen Kontext der sonstigen Werbung der Bundeswehr setzt.
Heinemann: Eindruck macht inwiefern?
Klose: Insofern: Die sind natürlich rhetorisch geschult, die sind sachlich kompetent, die stehen da in ihrer Uniform und berichten dort von ihren Aufgaben, während die Negativseiten natürlich, wenn Fragen kommen, auch besprochen werden können - es gibt kein Verbot, sich kritisch zu äußern -, aber wenn diese Fragen nicht kommen, nicht besprochen werden müssen. Deswegen finde ich es schon einseitig.
Heinemann: Frau Klose, die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Wieso misstrauen Sie den Abgeordneten des Deutschen Bundestages?
Klose: Ach, das würde ich so gar nicht sagen, weil der Auftrag, den die Bundeswehr beziehungsweise alle Bildungsträger haben, der ist ja auch im Beutelsbacher Konsens eigentlich festgelegt, wo ja schon festgelegt ist, dass es ein Kontroversitätsgebot beispielsweise und ein Werbeverbot gibt.
Heinemann: Wer wirbt denn?
Klose: Es geht ja auch gar nicht um die Abgeordneten des Bundestages, sondern die konkreten Schulstunden sind natürlich Aufgaben der Lehrerinnen und Lehrer, und das heißt nicht, dass ich Lehrerinnen und Lehrern jetzt grundsätzlich vertraue. Ich sage aber, dass es gelungenere und weniger gelungenere Unterrichtsgestaltung gibt und dass ich es für gelungener halte, wenn dort nicht nur eine Seite dargestellt wird.
Heinemann: In Videos des Bundesverteidigungsministeriums ist der Satz zu hören: "Bundeswehr – wir dienen Deutschland". Stimmt dieser Satz?
Klose: Na ja. Die Bundeswehr hat ja nun vom Grundgesetz einen Auftrag, und wenn sie den umsetzen wollen, dann ist das wohl so richtig.
"Natürlich sind wir militärischen Organisationen gegenüber kritisch"
Heinemann: Wie gestört ist das Verhältnis zwischen Jusos und der Bundeswehr?
Klose: Ach, was heißt gestört? Das würde ich jetzt so nicht beschreiben. Zumal ich wollte auch noch mal kurz betonen: Der Antrag kam gar nicht von den Jusos, sondern aus der Mitte der SPD heraus. Aber natürlich sind wir militärischen Organisationen gegenüber kritisch. Das heißt nicht, dass wir ein gestörtes Verhältnis haben, sondern ich finde es ein gesundes Verhältnis, tatsächlich sich kritisch mit Militär auseinanderzusetzen.
Heinemann: Kopfschütteln sogar bei der eigenen Parteispitze. Frau Klose, warum machen Sie es den politischen Gegnern so einfach?
Klose: Ehrlich gesagt würde ich sagen, dass das ein Thema ist, was offenbar sehr polarisiert und was vielleicht mal wieder auf die Tagesordnung gehört hat. Schließlich kann man ja nur sagen, dass es da offenbar viel Austauschgebot gibt und dass meiner Meinung nach die Perspektive, das kritisch zu beleuchten, gerade auch das Thema Minderjährige, die an der Waffe dienen beziehungsweise dafür ausgebildet werden, dass man das noch mal auf die Tagesordnung setzen sollte. Ich verstehe auch, ehrlich gesagt, nicht, warum jetzt gerade so ein großes Aufjaulen bundesweit stattfindet. Wenn tatsächlich niemand wirbt, dann sollte sich ja auch niemand auf die Füße getreten fühlen. Ist ja aber offenbar der Fall.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.