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Anpassung der 50+1-Regel
Lautes Schweigen in der Fußball-Bundesliga

In der Fußball-Bundesliga ist in der Coronakrise die Diskussion neu entfacht, die Klubs mehr für Investoren zu öffnen. Die DFL hat die Profivereine schon im vergangenen Jahr zu einer möglichen Umgestaltung der 50-plus-1-Regel befragt, die Ergebnisse werden bislang unter Verschluss gehalten.

Von Thorsten Poppe |
Präsident Herbert Hainer vom FC Bayern München mit Uli Hoeneß auf der Tribüne der Münchner Arena
FC-Bayern-Präsident Herbert Hainer (re.) mit Uli Hoeneß: "Eigenverantwortung der einzelnen Vereine" (picture alliance / sampics Photographie / Stefan Matzke )
Sie gilt als das letzte Stoppschild der völligen Kommerzialisierung im Fußball: die 50+1-Regel. Mit ihr ist geregelt, dass die Mehrheit der Anteile eines Vereins immer in den Händen der Mitglieder liegen soll. Der Einfluss von Investoren wird so begrenzt. Seit Jahren tobt darum ein Streit, der durch die offenbarten Finanzprobleme der Klubs während der Coronapandemie neue Fahrt aufgenommen hat.
Liga bei Investorenfrage gespalten
Einerseits wollen manche Bundesligavereine wie der FC Bayern München die Regel gänzlich abschaffen, um Investoreneinstiege zu ermöglichen:
"Ich bin der Meinung, dass man es den Vereinen selbst überlassen sollte, wenn sie Anteile abgeben wollen, wie viele Anteile sie abgeben können."
Dies meinte Bayern-Präsident Herbert Hainer im ZDF-Interview im Mai.
"Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir beim FC Bayern München haben in der Satzung festgelegt, dass wir maximal 30 Prozent abgeben können. Das heißt: Die Regel, die wir uns selber auferlegt haben, ist noch strikter als 50plus1. Ich denke, das kann man in die Eigenverantwortung der einzelnen Vereine geben!"
Fans kämpfen um Erhalt der 50plus1-Regel
Andererseits kämpfen die Fans für den Erhalt der Regel, um ihr Recht auf Mitbestimmung zu bewahren. So hat kürzlich erst die Fan-Initiative "Unser Fußball" ein Grundsatzpapier für den deutschen Fußball vorgelegt. Darin die Forderung nach mehr Basisnähe und nachhaltigerem Wirtschaften, was für die Fans die 50plus1-Regel unmissverständlich mit einschließt. Mehr als 2.500 Fanclubs haben sich deutschlandweit angeschlossen. Manuel Gaber, einer der Initiatoren, kämpft seit Jahren für den Erhalt der Regel:
"Weil sie uns davor schützt, dass Vereine zum Spielball von Einzelpersonen werden, von Investoren. Sondern die Vereine gehören immer den Mitgliedern dank der 50+1-Regel. Gleichzeitig ist sie aus unserer Sicht auch wichtiges Instrument, um die Integrität des Wettbewerbs sicherzustellen. Und die Frage ist ja tatsächlich: Haben wir Profi-Fußball in Deutschland, weil wir sehen, dass er ein gesellschaftliches Vorbild ist, dass er der Gesellschaft auch was zurückgeben will. Oder haben wir ihn nur noch als reinen Wirtschaftszweig - und das wollen wir als Fans verhindern."
Befragung der Klubs zur Reform von 50+1
Intensive Debatten gab es zuletzt 2018 über die Regel. Damals hatten sich die 36 Mitgliedsvereine der DFL erst einmal auf den Erhalt geeinigt. Jedoch auch auf eine grundsätzliche Debatte, wie in Zukunft die Regel ausgestaltet werden soll.
Dafür hat die DFL im vergangenen Jahr eine Mitgliederbefragung unter den Vereinen der Bundesliga und 2. Bundesliga durchgeführt. Der extra dafür entwickelte Fragebogen liegt dem Deutschlandfunk vor. Darin heißt es unter anderem:
"Plant Ihr Club in den nächsten zwei Jahren Anteile zu verkaufen?" Und weiter: "Welche konkreten Anpassungen, Ergänzungen, und Weiterentwicklungen der 50+1-Regel schlägt ihr Club vor, um die Rechtssicherheit der 50+1-Regel zu verbessern?"
Irritation vor allem bei den kleineren Klubs
Die DFL äußert sich selbst nicht zum Ergebnis dieser Befragung. Allerdings soll nach Medienberichten die Hälfte der Vereine an der Befragung gar nicht teilgenommen haben, weil der Fragebogen als tendenziös empfunden worden war. Öffentlich bekannt ist das zum Beispiel vom 1. FSV Mainz 05, Arminia Bielefeld, SC Paderborn und dem FC St. Pauli.
"Diese seinerzeit von der DFL initiierte Fragebogen-Aktion hat viele irritiert. Auch uns, ich war seinerzeit noch beim FC St. Pauli in der Verantwortung", sagte der damalige Geschäftsführer des FC St. Pauli und ehemalige DFL-Manager Andreas Rettig kürzlich in der WDR Sendung "sport inside". Rettig sagte weiter:
"Das haben die Wenigsten verstanden, die dann auch noch in ihren Fragestellungen eine Richtung vorgegeben hatte, die nicht jedem wirklich gefallen hatte. Also diese Aktion war, glaube ich, keine gute!"
Profiklubs reagieren ausweichend auf Anfragen
Deshalb hat der Deutschlandfunk aktuell bei allen damaligen 36 Mitgliedsvereinen der DFL nachgefragt, ob sie den Fragebogen überhaupt ausgefüllt haben und welche Bedeutung sie dieser Aktion beimessen.
Das Ergebnis: Nur etwas mehr als die Hälfte der Vereine hat sich zurückgemeldet: 21 von 36. Und von diesen bestätigte nur ein einziger Club, dass er den DFL-Fragebogen ausgefüllt habe. Dabei handelt es sich um Zweitligist 1. FC Heidenheim, der dazu schreibt:
"Ja, wir haben den Fragebogen ausgefüllt, weil wir es für sinnvoll erachten, dass sich jeder Verein bei diesem Thema einbringt."
Alle anderen Vereine antworten dem Deutschlandfunk entweder gar nicht oder fast wortgleich, dass sie sich zu einem "internen Meinungsprozess" nicht äußern werden. Und das, obwohl wir nicht nach konkreten Ergebnissen gefragt haben, sondern lediglich, ob die Vereine an dieser Mitgliederbefragung teilnahmen, oder eben nicht.
Kurios: Selbst Mainz 05, einer der Clubs, der öffentlichkeitswirksam die Aktion damals abgelehnt hatte, will sich jetzt nicht mehr äußern und beantwortet Nachfragen zur damaligen Ablehnung inzwischen gar nicht mehr.
Fanvertreter fordern mehr Transparenz
Für Fanvertreter wie Manuel Gaber von "Unser Fussball" ist dieses Vorgehen nicht nachvollziehbar. Er wünscht sich vor allem von der DFL mehr Transparenz - nicht nur in dieser Frage:
"Ich glaube, wir stehen gerade mitten in einer Grundsatzdebatte, wohin soll sich der Fußball entwickeln? Die Fans haben die letzten Monate auch über die Kampagne "Unser Fussball", wo sich über eine halbe Million Menschen angeschlossen haben, ihren Unmut geäußert. Und sehr deutlich gemacht, dass sie grundlegende Reformen brauchen. Und aus meiner Sicht wäre es fatal, wenn die Fans hier keine Berücksichtigung finden würden, und die Deutsche Fußball-Liga sagt, wir machen weiter wie bisher."
Manuel Gaber und fünf weitere Fanvertreter gehören der von der DFL initiierten "Taskforce Profifußball" an. Bei den Gesprächen soll es auch um die 50+1-Regel gehen. Inwieweit die Ergebnisse DFL-Mitgliederbefragung darin berücksichtigt werden, bleibt bisher offen.