Kaltwasserkorallen sind Organismen, die bis zu mehrere Kilometer tief im Ozean leben. Ihre Riffe ziehen sich wie Perlen an einer Kette von Westafrika um Irland herum bis Norwegen. Der Meeresbiologe Ulf Riebesell vom Kieler Forschungszentrum IFM Geomar hat sich diese Lebensräume genau angeschaut – an Bord eines kleinen Forschungs-U-Bootes namens "Jago".
"Man sinkt in die Tiefe und man hört nur das Blubbern der Lufttanks. Und wenn dann angezeigt wird, jetzt befindet man sich in der Nähe des Meeresbodens dann schaltet Herr Schauer, unser Jago-Pilot, das Licht an. Und plötzlich erstrahlt vor einem eine glitzernde Welt von Korallen mit Begleitfauna, das ist ein traumhafter Anblick."
Dieser Anblick einer vielfältigen, bunten Tier und Pflanzenwelt könnte sich in den kommenden Jahrzehnten dramatisch verändern: der Klimawandel bedroht die Kaltwasserkorallen. Immer mehr CO2 aus der Atmosphäre wird vom Wasser an der Meeresoberfläche aufgenommen und von Strömungen in die Tiefe gezogen. Es entsteht Kohlensäure, das Wasser wird saurer. Saures Wasser aber ist eine direkte Gefahr für kalkbildende Organismen in den Meeren. Die Kaltwasserkorallen gelten dabei als besonders bedroht, und weil sie Riffe in der Tiefsee bilden, wären mit ihnen weitläufige Lebensräume betroffen. Um diese Zusammenhänge zu untersuchen, hat Riebesell mit einem Greifarm des U-Bootes blumenkohlgroße Korallen-Äste abgeschnitten und nach Kiel transportiert, in ein dunkles und ziemlich kaltes Labor.
"Hier ist es im Moment auch sechs bis acht Grad. Ne Armin?"
"Ja, sechs bis acht Grad."
Bedingungen, die für die Tiefseeorganismen optimal sind. Kaltwasserkorallen der Art Lophelia pertusa leben hier verteilt auf etwa 30 kleinere Aquarien, die jeweils bis zu 200 Liter fassen. In jedem ruht ein faustgroßer, feingliedriger Ast aus Kalkskelett, an dessen Spitzen die eigentlichen Korallen-Tiere in kleinen Kelchen leben. Sie wachsen nur wenige Millimeter pro Jahr. Im Gegensatz zu den Warmwasserkorallen gehen sie keine Symbiose mit Algen ein. Sie ernähren sich direkt von kleinen Organismen im Wasser. Betreut wird dieser weltweit einzigartige Aquazoo von dem Meeresbiologen Armin Form. Dem Aquarien-Spezialisten ist es in den vergangenen sechs Jahren in mühevoller Kleinarbeit gelungen, die Korallen im Labor am Leben zu erhalten. Er richtete ein aufwändiges System zur Steuerung der Wasserqualität ein, fütterte die Korallen mit kleinen Artemia-Krebsen - und schaffte so die Grundlage für seine wissenschaftlichen Untersuchungen. Form:
"Das Ziel ist es, zu untersuchen wie sich die Ozeanversauerung auf das Wachstum der Korallen auswirkt."
Dazu hat Armin Form in den Aquarien verschiedene Bedingungen eingestellt: Er setzt die Korallen-Kolonien in den Becken unterschiedlichen Säuregraden aus. Sie durchleben so verschiedenen Zukunfts-Szenarien der Ozeane.
"Wir haben einmal Korallen, die halten wir unter Normalbedingungen. Da können wir das Wachstum messen und dann vergleichen wir das Wachstum mit den Korallen, die wir unter manipulierten Bedingungen halten. Wir messen einmal das Gewicht – unter Wasser. Aber damit können wir dann ausrechnen, wie viel sie an Land wiegen würden. Und die Kalzifizierungsrate über die Wasserchemie. Wir können also feststellen, wie viel Karbonat wird dem Wasser entzogen. Und das rechnen wir dann aus in Calciumcarbonat. Und das ist ja dann das, woraus die Korallen ihr Skelett aufbauen."
Die Kieler Forscher begannen zunächst mit kurzfristigen Untersuchungen. Sie setzten die Kaltwasserkorallen über zehn Tage hinweg einem deutlich saureren Wasser aus. Ergebnis: die Tiere kamen mit den neuen Bedingungen nur sehr schlecht zurecht. Später bestätigte auch eine französische Wissenschaftlergruppe dieses erschreckende Resultat. Ulf Riebesell:
"Prognosen sagen, die heute bekannten Bestände an Kaltwasserkorallen werden schon bis zum Ende des Jahrhunderts um 70 Prozent dezimiert sein. Denn hier wird sich der Kalk spontan lösen. So dass die Kaltwasserkorallen ihr Skelett gar nicht mehr erhalten können."
Ulf Riebesell und Armin Form unternahmen danach aber noch weitere Untersuchungen, dieses Mal über einen längeren Zeitraum als bei den ersten Experimenten. Sie setzten die Kaltwasserkorallen über sechs Monate hinweg dem sauren Wasser aus. Dabei zeigte sich eine überraschende Entwicklung: Den Tieren gelang es nach einer Weile, ihr Wachstum fortzusetzen, als hätte sich nichts verändert. Demnach sieht also so aus, als seien die Kaltwasserkorallen nicht ganz so akut bedroht wie bislang befürchtet. Wenn das Wasser in den Ozeanen saurer wird, sind sie offenbar bis zu einem bestimmten Punkt in der Lage, sich der neuen Situation anzupassen und weiterzuleben. Trotzdem wirkt die Versauerung irgendwann fatal: Ab einem bestimmten Säuregrad im Wasser geraten nicht nur die Korallentiere unter Stress. Auch das Skelett der Riffe löst sich irgendwann auf - so wie der Kalk in einem Wasserkocher, wenn man Essig hineinschüttet. Die Wissenschaftler gehen darum nach wie vor von einer Bedrohung der Kaltwasserkorallen durch die Ozeanversauerung aus.
"Man sinkt in die Tiefe und man hört nur das Blubbern der Lufttanks. Und wenn dann angezeigt wird, jetzt befindet man sich in der Nähe des Meeresbodens dann schaltet Herr Schauer, unser Jago-Pilot, das Licht an. Und plötzlich erstrahlt vor einem eine glitzernde Welt von Korallen mit Begleitfauna, das ist ein traumhafter Anblick."
Dieser Anblick einer vielfältigen, bunten Tier und Pflanzenwelt könnte sich in den kommenden Jahrzehnten dramatisch verändern: der Klimawandel bedroht die Kaltwasserkorallen. Immer mehr CO2 aus der Atmosphäre wird vom Wasser an der Meeresoberfläche aufgenommen und von Strömungen in die Tiefe gezogen. Es entsteht Kohlensäure, das Wasser wird saurer. Saures Wasser aber ist eine direkte Gefahr für kalkbildende Organismen in den Meeren. Die Kaltwasserkorallen gelten dabei als besonders bedroht, und weil sie Riffe in der Tiefsee bilden, wären mit ihnen weitläufige Lebensräume betroffen. Um diese Zusammenhänge zu untersuchen, hat Riebesell mit einem Greifarm des U-Bootes blumenkohlgroße Korallen-Äste abgeschnitten und nach Kiel transportiert, in ein dunkles und ziemlich kaltes Labor.
"Hier ist es im Moment auch sechs bis acht Grad. Ne Armin?"
"Ja, sechs bis acht Grad."
Bedingungen, die für die Tiefseeorganismen optimal sind. Kaltwasserkorallen der Art Lophelia pertusa leben hier verteilt auf etwa 30 kleinere Aquarien, die jeweils bis zu 200 Liter fassen. In jedem ruht ein faustgroßer, feingliedriger Ast aus Kalkskelett, an dessen Spitzen die eigentlichen Korallen-Tiere in kleinen Kelchen leben. Sie wachsen nur wenige Millimeter pro Jahr. Im Gegensatz zu den Warmwasserkorallen gehen sie keine Symbiose mit Algen ein. Sie ernähren sich direkt von kleinen Organismen im Wasser. Betreut wird dieser weltweit einzigartige Aquazoo von dem Meeresbiologen Armin Form. Dem Aquarien-Spezialisten ist es in den vergangenen sechs Jahren in mühevoller Kleinarbeit gelungen, die Korallen im Labor am Leben zu erhalten. Er richtete ein aufwändiges System zur Steuerung der Wasserqualität ein, fütterte die Korallen mit kleinen Artemia-Krebsen - und schaffte so die Grundlage für seine wissenschaftlichen Untersuchungen. Form:
"Das Ziel ist es, zu untersuchen wie sich die Ozeanversauerung auf das Wachstum der Korallen auswirkt."
Dazu hat Armin Form in den Aquarien verschiedene Bedingungen eingestellt: Er setzt die Korallen-Kolonien in den Becken unterschiedlichen Säuregraden aus. Sie durchleben so verschiedenen Zukunfts-Szenarien der Ozeane.
"Wir haben einmal Korallen, die halten wir unter Normalbedingungen. Da können wir das Wachstum messen und dann vergleichen wir das Wachstum mit den Korallen, die wir unter manipulierten Bedingungen halten. Wir messen einmal das Gewicht – unter Wasser. Aber damit können wir dann ausrechnen, wie viel sie an Land wiegen würden. Und die Kalzifizierungsrate über die Wasserchemie. Wir können also feststellen, wie viel Karbonat wird dem Wasser entzogen. Und das rechnen wir dann aus in Calciumcarbonat. Und das ist ja dann das, woraus die Korallen ihr Skelett aufbauen."
Die Kieler Forscher begannen zunächst mit kurzfristigen Untersuchungen. Sie setzten die Kaltwasserkorallen über zehn Tage hinweg einem deutlich saureren Wasser aus. Ergebnis: die Tiere kamen mit den neuen Bedingungen nur sehr schlecht zurecht. Später bestätigte auch eine französische Wissenschaftlergruppe dieses erschreckende Resultat. Ulf Riebesell:
"Prognosen sagen, die heute bekannten Bestände an Kaltwasserkorallen werden schon bis zum Ende des Jahrhunderts um 70 Prozent dezimiert sein. Denn hier wird sich der Kalk spontan lösen. So dass die Kaltwasserkorallen ihr Skelett gar nicht mehr erhalten können."
Ulf Riebesell und Armin Form unternahmen danach aber noch weitere Untersuchungen, dieses Mal über einen längeren Zeitraum als bei den ersten Experimenten. Sie setzten die Kaltwasserkorallen über sechs Monate hinweg dem sauren Wasser aus. Dabei zeigte sich eine überraschende Entwicklung: Den Tieren gelang es nach einer Weile, ihr Wachstum fortzusetzen, als hätte sich nichts verändert. Demnach sieht also so aus, als seien die Kaltwasserkorallen nicht ganz so akut bedroht wie bislang befürchtet. Wenn das Wasser in den Ozeanen saurer wird, sind sie offenbar bis zu einem bestimmten Punkt in der Lage, sich der neuen Situation anzupassen und weiterzuleben. Trotzdem wirkt die Versauerung irgendwann fatal: Ab einem bestimmten Säuregrad im Wasser geraten nicht nur die Korallentiere unter Stress. Auch das Skelett der Riffe löst sich irgendwann auf - so wie der Kalk in einem Wasserkocher, wenn man Essig hineinschüttet. Die Wissenschaftler gehen darum nach wie vor von einer Bedrohung der Kaltwasserkorallen durch die Ozeanversauerung aus.