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Anschläge in Thailand
"Es schwelt ein tieferliegender Konflikt"

Wer hinter den Anschlägen in Thailand mit mehreren Toten und Verletzten steckt, ist derzeit unklar. Laut Stine Klapper, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bangkok, gibt es drei Szenarien: internationaler Terrorismus, die Separatistenbewegung im Süden oder innenpolitische Motive. Weder die Opfer noch der Ort sprächen jedoch für eine Tat der Separatisten, sagte Stiner im DLF.

Stine Klapper im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Rettungssanitäter transportieren eine verletzte Person nach einem Anschlag in Hua Hin zu einem Krankenwagen.
    Die Armee geht von einer koordinierten Serie aus, die nach Angaben der Polizei keinen islamistischen Hintergrund hat. (dpa-Bildfunk / EPA / RUNGROJ YONGRIT)
    Dirk-Oliver Heckmann: "Thailand", das steht für perfektes Wetter, freundliche Menschen und Urlaub am Meer. Dass das Land durch eine Militärjunta regiert wird, das stört viele Touristen nicht. Für mehr Beunruhigung dürfte die Serie von Bombenexplosionen sorgen, die heute aus Thailand gemeldet werden. Dabei kamen mehrere Menschen ums Leben. Unter den Verletzten sind auch drei Deutsche.
    Die thailändischen Behörden haben also keine Hinweise auf internationalen oder islamistischen Terrorismus. Sie sprechen eher von Sabotageakten regionaler Gruppen. Wie sehr kann man sich auf die Auskunft der thailändischen Behörden eigentlich verlassen? Das habe ich Stine Klapper gefragt. Sie ist die Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bangkok.
    Stine Klapper: Bisher ist es generell noch etwas früh, Schlüsse zu ziehen. Bisher bewegen sich alle im Bereich der Spekulation, auch die Autoritäten hier vor Ort. Es gibt im Prinzip drei Szenarien, die alle noch nicht ausgeschlossen werden können, und die wären eben einmal internationaler Terrorismus, zum Zweiten die Verbindung zu der Separatistenbewegung im Süden, und drittens eben ein innenpolitischer Akt.
    Immer wieder Straßenproteste
    Heckmann: Was für innenpolitische Motive könnten dahinter stehen?
    Klapper: Seit gut zwei Jahren wird Thailand von einer Militärregierung regiert, die sich damals per Putsch an die Macht gebracht hat, und seitdem ist die Situation oberflächlich ruhig. Auf den Straßen des Landes herrscht Ruhe, und es ist bisher in dieser Zeit auch zu wenig Vorfällen generell gekommen.
    Dennoch schwelt ein tieferliegender Konflikt in der Gesellschaft, der auch in der Zeit nicht befriedet werden konnte, und der in der Vergangenheit auch immer wieder eskaliert ist, wie in den Straßenprotesten jeweils von den Rothemden und den Gelbhemden.
    Heckmann: Woran liegt das, dass dieser Konflikt nach wie vor nicht beigelegt werden konnte?
    Klapper: Bisher hat man es noch nicht geschafft, gemeinsame Spielregeln zu finden, wie man die Zukunft des Landes gestalten will. Die ganzen Ausschreitungen von den Rothemden und den Gelbhemden, die wir in der Vergangenheit gesehen haben, sind eher Symptome eines noch tiefer liegenden Transformationskonflikts des Landes.
    Das heißt, die bestehenden traditionellen Ordnungsstrukturen und die Dominanz einer traditionellen Elite passt schon länger nicht mehr zu dem, was eigentlich gesellschaftliche Realität ist, also passt nicht mehr zu dem existierenden Pluralismus, zu den unterschiedlichen Interessen, Wünschen und auch Ansprüchen der Bevölkerung. Und da diese traditionellen Strukturen nicht bedient werden können und man bisher keine friedlichen Aushandlungsmechanismen für diese unterschiedlichen Interessen gefunden hat, kommt es immer wieder auch zu Eskalationen.
    Heckmann: Jetzt haben Sie das Verfassungsreferendum selbst angesprochen, das ja am letzten Wochenende abgestimmt worden ist. Eine Mehrheit der Thailänder hat ja diesem Entwurf des Militärs zugestimmt. Weshalb haben die Thailänder das gemacht?
    Klapper: Das stimmt. Eine deutliche Mehrheit hat zugestimmt, um die 60 Prozent, gut 60 Prozent, und da gibt es sicherlich eine Reihe von verschiedenen Motivationen, warum dafür gestimmt wurde.
    Einerseits ist erst mal zu sagen, dass im Vorlauf des Referendums kaum Diskussionen über die Verfassung oder das Referendum möglich waren. Also de facto hat das nicht stattgefunden, da es ein relativ scharfes Referendumsgesetz gab, das im Prinzip Kritik untersagt hat. Das kann vielleicht zu einem Teil erklären, warum die Zustimmung dann doch so deutlich war.
    Ein anderer Teil der Bevölkerung unterstützt auch klar das Militärregime. Es gibt einen Teil der Bevölkerung, der schätzt, dass es inzwischen eben nicht diese Straßenkämpfe gibt, dass es inzwischen Ruhe auf den Straßen gibt und Ordnung. Und ein weiterer Teil wird wahrscheinlich auch für das Referendum, also für die Verfassung gestimmt haben, weil sie sich erhofft haben, möglichst bald dadurch Wahlen abhalten zu können. Eine Ablehnung hätte bedeutet, dass wieder ein neuer Entwurf hätte erarbeitet werden müssen, was die Wahlen weiter nach hinten geschoben hätte.
    "Die Regierung wird zum ersten Mal mit der Zustimmung des Volkes regieren"
    Heckmann: Jetzt haben Sie gerade eben selbst schon gesagt, Frau Klapper, Kritik an dem Entwurf der Militärs war vor der Abstimmung verboten gewesen, Kritiker sahen sich schnell auch in Haft. Wie hat sich denn das politische Klima seit der Abstimmung verändert? Hat es sich verändert?
    Klapper: Es hat sich insofern verändert, dass die Regierung mit noch mehr Selbstbewusstsein und Sicherheit ihre Planungen und ihre Reformen angeht und sich das Referendum sozusagen als Bestätigung der eigenen Regierung und als Legitimationsquelle ansieht. Das heißt, man kann davon ausgehen, dass sie auch die kommenden Monate und Jahre mit einem gewissen Selbstbewusstsein und einer Überzeugung und jetzt auch zum ersten Mal mit einer Zustimmung des Volkes regieren werden.
    "Der Konflikt schwelt schon seit Jahren"
    Heckmann: Jetzt haben wir viel über die innenpolitische Situation gesprochen und auch über den Kontext des Verfassungsentwurfs. Sie hatten anfangs gesagt, es ist noch nicht ausgeschlossen, dass es sich um eine Aktion der muslimischen Minderheit im Süden des Landes gehandelt hat. Dort schwelt ja auch schon seit Langem ein Konflikt, der viele Tausend Menschen das Leben gekostet hat. Was ist da genau der Hintergrund?
    Klapper: Ja, dieser Konflikt schwelt schon seit Jahren, mit über Hunderten Toten pro Jahr. Seit Anfang des Jahrhunderts ist er derart eskaliert, der Konflikt. Es handelt sich dabei um die zwei südlichsten Provinzen des Landes, die in ihrer ethnischen Zusammensetzung eher aus Malayen bestehen denn aus buddhistischen Thailändern und daher schon seit Langem für die eigene Unabhängigkeit kämpfen.
    Heckmann: Und das ist nicht ausgeschlossen, dass das auch ein mögliches Motiv für diese Anschläge gewesen sein könnte?
    Klapper: Ausschließen lässt sich zu diesem Zeitpunkt nichts. Aber es spricht einiges doch dagegen, dass es sich um die Separatisten gehandelt hat, denn die agieren meistens in den eigenen Provinzen, und das Ziel der Anschläge beziehungsweise die Opfer sind meistens Repräsentanten des Staates, also Polizisten, Lehrer oder auch Zivilisten, die als Symbol für die zentrale Staatsgewalt gelten. Das heißt, es sind weniger Anschläge auf Touristen oder generell auf Zivilisten. Das heißt, weder Opfer noch der Ort spricht wirklich dafür.
    "Der Tourismus ist für Thailand extrem wichtig"
    Heckmann: Letzte Frage, Frau Klapper: Der Tourismus ist für Thailand ja sehr wichtig, das heißt, diese Anschläge treffen das Land schon im Herz?
    Klapper: Ja, für Thailand ist der Tourismus extrem wichtig. Die Tourismuszahlen sind auch im letzten Jahr wieder gestiegen. Das heißt, Thailand wird nicht gemieden als Tourismusziel, aber Anschläge dieser Art sind natürlich ein Problem und das weiß auch die Regierung.
    Heckmann: Stine Klapper war das, die Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung aus Bangkok. Dort haben wir sie erreicht. Frau K
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.