Der 26. August 1921 ist im Schwarzwald ein verregneter Sommertag. Am späten Vormittag schlendern zwei Spaziergänger durch den Wald bei Freudenstadt: der Reichstagsabgeordnete Carl Diez von der Zentrumspartei und sein Parteifreund Matthias Erzberger. Die beiden beraten, wie man in Deutschland mehr Wohnungen bauen könnte. Da werden sie von zwei jungen Männern überholt.
"Ohne irgendein Wort zu sagen, zog einer der Fremden schließlich seine Schusswaffe und drückte los." So meldete es die Nachrichtenagentur Telegraphen-Union einige Stunden später. "Erzberger sprang über die Böschung der Straße, um sich den beiden Unbekannten zu entziehen. Diese eilten ihm nach und feuerten mehrere Schüsse auf ihn ab. Bei der Verfolgung brach Erzberger zusammen – was die beiden Täter aber nicht abhielt, unausgesetzt auf den am Boden Liegenden zu feuern, der, von zwölf Kugeln durchbohrt, alsbald verstarb."
Ein politischer Mord – das war schnell klar. Denn Erzberger war nicht irgendjemand gewesen. Einen "gehassten Versöhner" nennt ihn der Politikwissenschaftler Benjamin Dürr in seiner Biographie. "Erzberger stand für die Demokratie, für Frieden mit den Feinden und für ein welt- und zukunftsgewandtes Deutschland in einer Zeit, in der nationalistische Gefühle auflebten und sich viele lieber zurückzogen. Ein Anschlag auf ihn war ein Anschlag auf das Neue."
Aufmüpfiger Oppositioneller im deutschen Kaiserreich
Und so gab es viele, die den Mord guthießen. "Erzberger ist eben jemand, der um sein Leben fürchten muss für seine Politik," sagt der Potsdamer Historiker Prof. Martin Sabrow. "Erzberger ist eine schwierige Figur in der deutschen Gesellschaft dieser Zeit, und die Solidarität mit dem Opfer eines Anschlags wird immer wieder gebrochen durch die Distanzierung vieler in bürgerlichen Kreisen von der Person."
Denn Erzberger war im Kaiserreich ein aufmüpfiger Oppositioneller gewesen. Ab 1917 stand er an der Spitze derer, die nach Frieden riefen – zum Zorn nationalistischer Hardliner. Und ab 1919 gestaltete er die neue Republik mit, im Sinne der kleinen Leute. Die Zeitschrift Weltbühne bescheinigte ihm posthum: "Erzberger war noch keine fertige Persönlichkeit und deshalb auch noch kein Führer großen Stils. Er hatte aber die Fähigkeiten dazu und spürte das. Von diesem 46-jährigen Manne mit der unverwüstlichen Arbeitskraft und den eisernen Nerven wäre noch viel zu erwarten gewesen."
Eiserne Nerven bewies Matthias Erzberger schon zu Beginn seiner Karriere: als er sich mehrfach mit den deutschen Kolonialbehörden anlegte und ihnen Korruption und Geldverschwendung nachwies. Gestoppt hatte er damit auch die Karriere eines hoffnungsvollen Ministerialbeamten: des damals 33-jährigen Karl Helfferich. Diesen Namen freilich würde Erzberger sich merken müssen. Und noch andere nahmen ihm seine Kampagnen übel. Auch weil er im Kaiserreich zu einer gesellschaftlichen Minderheit gehörte.
"Erzberger war ein tiefgläubiger Katholik," sagt der Historiker Christopher Dowe vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg. Dowe hat Erzberger eine Biographie und eine Ausstellung gewidmet. "Ausgehend von diesem tiefen katholischen Glauben warb Erzberger dafür, dass sich möglichst viele Menschen aktiv in die Gestaltung von Staat und Gesellschaft einbringen sollten." Dabei dachte Erzberger an die Arbeiter, mehr noch aber an kleine Mittelständler und an Kleinbürger. An jenes Milieu, aus dem er selbst stammte.
"Erzberger hatte eine Ausbildung als Volksschullehrer. Er hat sich in vielen Bereichen im Selbststudium Dinge aneignen müssen, um seinen Aufgaben gerecht zu werden. Das, was ihm ein Stück weit unzugänglich blieb, waren tieferes Nachdenken über Grundlagen von Staat, Gesellschaft, Nationalismus – und da, würde ich sagen, stieß Erzberger immer wieder auch an Grenzen."
Und gerade vom Nationalismus ließ Matthias Erzberger sich mitreißen. Besonders nach 1914, während des Ersten Weltkrieges. In einem Zeitungsartikel schrieb er: "Der Krieg ist ein hartes und rauhes Handwerk. Die größte Rücksichtslosigkeit im Kriege gestaltet sich tatsächlich bei vernünftiger Anwendung zur größten Humanität. Wenn man in der Lage ist, durch ein Mittel ganz London zu vernichten, so ist das humaner, als wenn man noch einen einzigen deutschen Volksgenossen auf dem Kampffelde bluten läßt."
Erzberger und der Waffenstillstand von Compiègne
1917 allerdings vollzog Erzberger eine politische Kehrtwende. Nicht aus Idealismus, sondern aus rationalen Beweggründen: Die Marine hatte versprochen, Großbritannien mit ihren U-Booten die Lebensadern abzuschnüren. Erzberger berechnete, dass deutsche U-Boote aber gar nicht so schnell Schiffe versenken konnten, wie die Alliierten neue bauten. So wurde aus dem Falken Erzberger im Sommer 1917 ein Verständigungspolitiker. Frieden müsse her, betonte er im September in Biberach. "Wir wollen aber keinen Frieden der Gewalt und der Unterdrückung, weil ein solcher Frieden den Keim neuer Kriege in sich birgt. Wir wollen die bleibende Versöhnung der Völker, und wir sind so optimistisch zu glauben, daß aus diesem Blutbad die Morgenröte einer gerechten Zeit hervorgeht."
Im Reichstag hatte Matthias Erzberger hinter verschlossenen Türen Zahlen vorgelegt: Erstmals erfuhren hier die Abgeordneten, dass die deutsche Armee ihren Gegnern an Stärke unterlegen war. Damit wischte Erzberger auch die Argumente eines Militaristen vom Tisch: des Vizekanzlers Karl Helfferich. Erzbergers alter Gegenspieler hatte nämlich nach dem Desaster in der Kolonialverwaltung doch noch Karriere gemacht.
Ein Jahr später dann rief die Oberste Heeresleitung tatsächlich geradezu panisch nach einem Waffenstillstand. Mit einem perfiden Kalkül: Nicht die Generäle sollten mit den alliierten Gegnern verhandeln, sondern: Politiker. Und derjenige, der den Auftrag bekam, war darüber nach eigenen Worten zutiefst erschrocken: Matthias Erzberger. Am Morgen des 8. November 1918 stand Erzberger in einem Speisewagen im Wald von Compiègne dem Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte gegenüber: Marschall Ferdinand Foch.
"Foch fragte: ‚Was wünschen Sie von mir?‘ Ich erwiderte, dass ich den Vorschlägen über Herbeiführung eines Waffenstillstandes entgegensehe – worauf Marschall Foch bestimmt antwortete: ‚Ich habe keine Vorschläge zu machen.‘ Nunmehr erteilte Foch seinem Generalstabschef den Befehl, die Bedingungen des Waffenstillstandes in französischer Sprache vorzulesen. Deutschland könne sie annehmen oder ablehnen. Ein Drittes gebe es nicht."
Als Chef der deutschen Delegation musste Erzberger unterschreiben. Die Bedingungen des Waffenstillstands und des Friedens übertrafen die schlimmsten Befürchtungen. Ein erbitterter Streit brach los. Nicht nur Konservative schäumten. Erzberger wiederum rechnete: Das Friedensdiktat anzunehmen, bedeute immer noch das kleinere Übel. Lehne man nämlich ab, stünden die Deutschen am Abgrund.
"Der Kriegszustand wird wiederaufgenommen. Die Alliierten rücken in breiter Front vor, mindestens bis zu einer Linie, die durch Kassel parallel des Rheins läuft. Allgemeine Lebensmittel-, Waren- und Rohstoffnot. Zusammenbruch des Verkehrs und Hungersnot in den großen Städten. Plünderung, Mord und Totschlag wird an der Tagesordnung sein. Blutiger Bürgerkrieg. Zertrümmerung des Reiches."
Große Steuerreform als Finanzminister
So erkannte Deutschland in Versailles seine alleinige Schuld am Krieg an und verpflichtete sich, astronomisch hohe Reparationen zu zahlen. Auch diese vergifteten das politische Klima, erinnerte sich Reichskanzler Joseph Wirth ein Jahrzehnt später. "Das deutsche Volk war sozusagen in zwei große Gesinnungslager zerrissen. Die Verschiedenheit des politischen Urteils wurde geflissentlich durch eine verschiedene moralische Bewertung des vaterländischen Gesinnungsgrades verschärft."
Zusätzlich zu den Reparationen musste Deutschland auch noch seine eigenen Kriegskosten bezahlen. Dem Reich drohte der Staatsbankrott. Matthias Erzberger raubte das den Schlaf. Er war nämlich im Juni 1919 neuer Finanzminister geworden – und er kritisierte öffentlich, dass seine Vorgänger den Krieg auf Pump finanziert hatten. Einer dieser Vorgänger hieß – Karl Helfferich. Der hatte freilich schon 1915 eingestanden, dass der Krieg für das Reich viel teurer werden würde als erwartet. Er wollte an die Kassen der Länder – denn vor allem die zogen damals die Steuern ein und saßen auf dem Geld. Aber er scheiterte am Widerstand der Länderfinanzminister.
Jetzt baute ausgerechnet Intimfeind Erzberger auf Helfferichs Ideen auf und setzte binnen weniger Monate eine große Steuerreform um. Eine Reform, die das deutsche Finanzsystem bis heute prägt. Fortan kassierte das Reich den Löwenanteil der Steuern. Die Steuersätze – zuvor regional unterschiedlich – wurden vereinheitlicht. Und erstmals wurden Erbe, Vermögen und Einkommen nennenswert besteuert, erläutert Christopher Dowe: "Erzberger versuchte bei seiner Steuerreform, mehr soziale Gerechtigkeit zu implementieren. Soziale Gerechtigkeit hieß für ihn, daß die Steuerhöhe sich bestimmen sollte nach der Leistungsfähigkeit derjenigen, die Steuern zahlten."
Damit bat er vor allem Gutverdiener zur Kasse. So machte Matthias Erzberger sich abermals Feinde. Feinde hatte er mit seiner Friedenspolitik ohnedies genug, im nationalistischen Milieu. Dort witterten viele längst wieder Morgenluft. Die deutsche Armee sei ja gar nicht besiegt worden, behaupteten sie. Der Heimat habe es vielmehr an Kampfgeist gemangelt – sie habe versagt und der Front den Dolch in den Rücken gestoßen.
Eine Lüge, die verschwieg, dass die Strategie gegen Frankreich schon 1914 gescheitert war, nach nicht einmal sechs Kriegswochen. Millionen wollten sich auch jetzt noch nicht mit der Realität abfinden. Darunter viele Soldaten, denen der Schritt zurück ins Zivilleben nicht gelang und die sich in paramilitärischen Freikorps organisierten. Sie gründeten 1920 einen Geheimbund unter dem Namen Organisation Consul. Mit festen Feindbildern und festen Zielen.
"Weiteste Pflege und Verbreitung des nationalen Gedankens. Bekämpfung alles Anti- und Internationalen, des Judentums, der Sozialdemokratie und der linksradikalen Parteien. Bekämpfung der antinationalen Weimarer Verfassung."
Der Historiker Martin Sabrow macht bei der Organisation Consul eine Doppelstrategie aus: Zuvor hätten ihre Akteure erfolglos versucht, im Zuge eines Militärputsches an die Macht zu kommen. "Und der Plan B hieß: Man muss die Republik so lange destabilisieren, so lange ihre besten Figuren rausschießen, dass das Land im Bürgerkrieg versinkt. Und dann doch wieder die Freikorps gerufen werden von der Reichsregierung und dann zusammen mit der Reichswehr aufräumen würden, um sich selbst an die Stelle der Reichsregierung zu setzen."
Späte Rache des Karl Helfferich
Im politischen Bereich hatte sich auch bereits eine neue Kraft etabliert, die mit der Organisation Consul sympathisierte: die Deutschnationale Volkspartei, kurz DNVP. In dieser Partei hatte auch ein Politiker des Kaiserreichs seine neue Heimat gefunden: Karl Helfferich. Dieser hatte nie verwunden, wie Erzberger seine Karriere torpediert, seine Finanzpolitik in der Luft zerrissen und wie er auch in der Frage Krieg oder Frieden über Helfferich obsiegt hatte. Jetzt, 1919, holte der Gedemütigte zum Gegenschlag aus: mit einer gut 80-seitigen Broschüre.
"Das ist Herr Erzberger – dessen Name mit Recht unter dem elenden Waffenstillstand steht. Das ist Herr Erzberger, der uns nach Versailles geführt hat. Das ist Herr Erzberger, dessen Name für alle Zeit mit Deutschlands Not und Deutschlands Schmach unlösbar verbunden sein wird! Das ist Herr Erzberger, der das deutsche Volk zur gänzlichen Vernichtung führen wird, wenn ihm nicht endlich das Handwerk gelegt wird!"
Diese Hasstiraden trafen auf eine Gesellschaft, in der statistisch alle drei Tage ein politischer Mord verübt wurde. Helfferich legte noch nach: Es gelang ihm, Erzberger in einen spektakulären Gerichtsprozess zu verwickeln. Dort bezichtigte er den Reichsfinanzminister, selbst Steuern hinterzogen zu haben. Diese Vorwürfe waren haltlos – doch viele mochten die Lüge nur zu gern glauben. Zu verhasst war ihnen der politische Aufsteiger. Kurt Tucholsky verteidigte ihn in seinem Nachruf in der Weltbühne:
"Gehasst, weil Du Zivilcourage den Herren vom Monokel zeigst,
Weil Du schon siebzehn die Blamage der Ludendörffer nicht verschweigst.
Das kann der Deutsche nicht vertragen, dass einer ihm die Wahrheit sagt!
Dass einer ohne Leutnantskragen den Landsknechtsgeist von dannen jagt!"
Weil Du schon siebzehn die Blamage der Ludendörffer nicht verschweigst.
Das kann der Deutsche nicht vertragen, dass einer ihm die Wahrheit sagt!
Dass einer ohne Leutnantskragen den Landsknechtsgeist von dannen jagt!"
Erzbergers Mörder gehörten zur Organisation Consul. Das fand die Polizei schnell heraus. Der 28-jährige Kaufmann Heinrich Schulz und der zwei Jahre jüngere Jurastudent Heinrich Tillesen flohen ins Ausland. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie zu hohen Haftstrafen verurteilt, kamen aber schon nach wenigen Jahren wieder frei.
Reichskanzler Wirth: "Dieser Feind steht rechts!"
Matthias Erzberger wurde zwar betrauert: In Hamburg demonstrierten 40.000 Menschen, in Wuppertal 50.000, in Hannover sogar 100.000. Aber die rechtskonservative Presse blieb unbelehrbar – wie etwa die Hamburger Zeitung Reichsflagge: "Gott erhalte Ebert, Wirth und Scheidemann. Erzberger hat er schon erhalten."
Der frühere Ministerpräsident Philipp Scheidemann entging am Pfingstsonntag 1922 nur knapp einem Attentat mit Blausäure. Und drei Wochen später meldete die Deutsche Allgemeine Zeitung: "Heute vormittag wurde Minister Rathenau, kurz nachdem er seine Villa im Grunewald verlassen hatte, um sich in das Auswärtige Amt zu begeben, erschossen und war sofort tot. Der Täter fuhr im Auto nebenher und sauste nach vollendeter Tat weiter."
Der Mord an Außenminister Walther Rathenau wurde zum Fanal. Nationalismus und Antisemitismus hatten abermals ihre Fratze gezeigt. Tags darauf fand im vollbesetzten Reichstag eine Trauerfeier statt; und Reichskanzler Joseph Wirth hielt an diesem 25. Juni 1922 die berühmteste Parlamentsrede der Epoche: "Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. Da steht der Feind. Und darüber ist kein Zweifel: Dieser Feind steht rechts!"
"Und in dem Moment geht die Aufmerksamkeit auf die Konservativen besonders der Deutschnationalen Volkspartei mit Karl Helfferich, der in seiner Bank zusammengekauert vor seinem Pult sitzt – der Mann entkommt gerade noch aus dem Sitzungssaal. Von der USPD und der SPD aus wird auf ihn geradezu eingeschlagen – und das geschieht auch in der Preußischen Nationalversammlung, es geschieht auch in anderen Landesparlamenten: Es gibt so etwas wie einen auflodernden Trotz!"
Hass von rechts gedeiht weiter
Tatsächlich, so Martin Sabrow, habe sich die Demokratie für einen Moment wehrhaft gezeigt. "Nach dem Rathenau-Mord kommt es wieder zu einer Republikschutzverordnung, die zu einem scharfen Republikschutzgesetz führt und z.B. den größten Verein der Weimarer Republik auflöst. Den Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutzbund mit seiner Millionenanhängerschaft – und mit dieser schrankenlosen antisemitischen Hetze wird eigentlich zunächst aufgeräumt."
Der Hass von rechts aber gedieh weiter. Warum gerade Matthias Erzberger zu solch einer Feindfigur geworden war, dafür listet sein Biograph Benjamin Dürr vier Gründe auf: Erzberger war Demokrat, er war den Preußen als Süddeutscher suspekt, er war Kleinbürger, und er war katholisch. Vielleicht kam noch ein fünfter Grund hinzu: Er hatte als früherer Hardliner die Fronten gewechselt – aus kühler Abwägung heraus.
Gegen Erzbergers Warnungen, dass der U-Bootkrieg fehlschlagen müsse, dass die Alliierten Deutschland zerstückeln könnten, wenn man Versailles nicht akzeptiere, dass Deutschland in Chaos und Elend sinken werde, wenn nicht auch die Wohlhabenden halfen, die Schuldenkatastrophe abzuwenden – gegen diese Warnungen konnte man nur noch ankommen mit Ressentiments, mit Lügen und offener Realitätsverweigerung. Oder mit Mord. Realpolitik aber war vor hundert Jahren ähnlich unpopulär, wie sie es heute ist.
Realpolitik, wie sie Matthias Erzberger ab 1917 verfocht: "Das ist der Inhalt der Politik: Die Tatsachen zu erkennen, wie sie sind. Man muss erkennen, was ist; und dabei darf man sich nie leiten lassen von dem Herzen und von dem Gemüt, sondern nur von dem harten Verstande."
Ein Vorfall bleibt nachzutragen – er geschieht in der Schweiz in einer Frühlingsnacht 1924. Am 23. April gegen zwei Uhr dreißig rauscht der Nachtschnellzug Mailand-Basel durch den Bahnhof Bellinzona am Gotthard. Einen Kilometer weiter kollidiert er frontal mit einem anderen Zug. Einer der Wagen, ein deutscher Kurswagen, brennt völlig aus; und die Polizei findet am nächsten Morgen zehn verkohlte Leichen vor. Darunter die eines deutschen Politikers: des 51-jährigen Karl Helfferich.