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Anschlag auf Peter R. de Vries
"Der Rechtsstaat im Herzen getroffen"

Der Journalist und Kriminalreporter Peter R. de Vries ist nach dem Anschlag auf ihn gestorben. Das Entsetzen nach dem Angriff vor gut einer Woche war groß – allerdings ist das gesellschaftliche Klima gegenüber Journalisten in den Niederlanden schon länger feindlich.

Kerstin Schweighöfer im Gespräch mit Sebastian Wellendorf |
Zwei Polizisten stehen an einem Absperrband in einer Straße in Amsterdam. Im Hintergrund ist ein Polizeifahrzeug geparkt.
Der Tatort in Amsterdam, an dem der Journalist Peter R. de Vries angeschossen wurde (imago/ Hollandse Hoogte/ ANP)
Der bekannte niederländische Kriminalreporter Peter de Vries war am 6. Juli auf offener Straße in Amsterdam niedergeschossen worden. Der 64-Jährige wurde nach Informationen der Polizei schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht, nun ist er an den Folgen des Angriffs gestorben.
Er sei der bekannteste Kriminalreporter in den Niederlanden und jeder im Land kenne ihn, erklärte Korrespondentin Kerstin Schweighöfer nach dem Attentat im Deutschlandfunk. De Vries habe in mehreren spektakulären Fällen recherchiert und an der Aufklärung mitgewirkt: "Er ist nicht nur Reporter, er hat sich auch als eine Art Privatdetektiv einen Namen gemacht – spezialisiert auf 'cold cases'. Zum Beispiel hat er einen 20 Jahre alten Mord an einem elfjährigen Jungen gerade erst aufgelöst."

Spektakulärer Drogenprozess

Zuletzt war er im Prozess gegen einen mutmaßlichen Drogenboss aktiv, so Schweighöfer: "Er ist die Vertrauensperson des Kronzeugen Nabil B. im sogenannten Marengo-Prozess. Das ist wirklich einer der spektakulärsten und größten Drogenprozesse der Niederlande." Bereits im Jahr 2019 wurde der damalige Anwalt des Kronzeugen ermordet, ein Jahr später auch der Bruder des Mannes.
Peter de Vries habe allerdings immer darauf bestanden, dass er seine Freiheit behält, so Kerstin Schweighöfer, auf Personenschutz habe er daher verzichtet, auch wenn er sich der Gefahr offenbar bewusst war: "Er hat selbst auch gesagt, er stehe auf der Todesliste des Hauptverdächtigen."
Kurz vor dem Angriff war Peter de Vries in einer Talk-Show im Fernsehen aufgetreten.

Aufgeheizte Stimmung gegen Medien

Im Deutschlandfunk-Medienmagazin erläuterte Kerstin Schweighöfer, dass das gesellschaftliche Klima gegenüber Journalistinnen und Journalisten in den Niederlanden schon seit Jahren feindlich sei. So habe etwa der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereits Ende 2020 das Logo auf sämtlichen Einsatz- und Übertragungswagen entfernen lassen, "weil die Wagen mit Abfall beworfen wurden oder abrupt vor ihnen abgebremst wurde".
Der niederländische Regierungschef Mark Rutte zeigte sich auf einer Pressekonferenz in Den Haag schockiert: "Das ist ein Angriff auf einen mutigen Journalisten und damit ein Angriff auf die Pressefreiheit." Ähnlich äußerte sich auch König Willem-Alexander während eines Staatsbesuchs in Deutschland.

Zwei Männer in Haft

"Aber die große Frage ist eben: Wenn der Täter dieses Anschlags tatsächlich ein Auftragskiller ist, der im Auftrag des organisierten Verbrechens gehandelt hat, dann geht es hier um mehr als einen Anschlag auf die Pressefreiheit", sagte Schweighöfer. "Dann ist der Rechtstaat - wie es auch der Justizminister bereits gesagt hat - im Herzen getroffen."
Kurz nach dem Attentat wurden zwei Verdächtige in Haft genommen. Es handele sich um einen 21-Jährigen aus Rotterdam und einen in den Niederlanden lebenden 35-Jährigen polnischen Staatsbürger, teilte die Polizei mit. Ein dritter, ebenfalls nach der Tat festgenommener Mann, sei wieder auf freiem Fuß.
Dieser Text ist am Tag nach dem Attentat entstanden und wurde nun, nachdem Peter R. de Vries gestorben ist, aktualisiert.