Die Erschütterung in Schweden ist auch Tage nach dem tödlichen Anschlag auf Fußballfans in Brüssel spürbar. Zwei Schweden, die ursprünglich unbeschwert nach Brüssel gereist waren, wurden auf offener Straße erschossen. Die Vorsitzende des Nationalmannschaftsfanclubs Camp Sweden, Susanne Petersson, war beim Länderspiel im Stadion. Sie kannte die Opfer:
„Das waren fantastische Menschen, die ihren Fußball geliebt haben, die es geliebt haben zu Spielen zu fahren, die es geliebt haben, Fan-Familien zu treffen und diese immense Freundschaft zu erleben. Sie hatten nichts damit zu tun.“
Blau und gelb im Visier
Einer von ihnen, ein 60 Jahre alter Mann namens Patrick, wird in einem Nachruf seiner Familie als „unheilbarer Fußballfantast“ beschrieben, „der der schwedischen Nationalmannschaft in guten und schlechten Zeiten gefolgt ist“. Das Schwedentrikot habe er immerzu getragen.
Ein Angreifer hat zwei Menschen getötet, allen bisherigen Erkenntnissen nach, weil sie Schweden waren – zu erkennen an ihren Farben: blau und gelb.
Drohungen gegen Schweden
Terrorismusforscher Magnus Ranstorp von der schwedischen staatlichen Militärakademie, erklärte im Sender Sveriges Radio:
„Vier oder fünf verschiedene Terrorgruppen haben spezifische Drohungen gegen Schweden gerichtet. Das sind vor allem der IS und Al-Qaida. Die Drohungen sind sehr offensiv, sehr aggressiv gegen Schweden, vor allem wegen der Koranverbrennungen. Es wird dazu aufgerufen, Schweden und die schwedischen Interessen anzugreifen.“
Vor zwei Monaten wurde in Schweden die zweithöchste Terrorwarnstufe ausgerufen. Nachdem Islamhasser öffentlich – und öffentlichkeitswirksam - Korane verbrannten, ist es immer wieder zu Tumulten im In- und Ausland gekommen. Die Islamfeinde provozieren damit gezielt Muslime, aber die großzügige Meinungsfreiheit in Schweden macht es der Polizei unmöglich, die Koranverbrennungen zu verbieten. Die schwedischen Sicherheitsbehörden warnen vor Anschlägen.
Täter bekennt sich zum IS
Der Täter, ein gebürtiger Tunesier, der in Belgien illegal gewohnt hat und auch schon einmal in Schweden im Gefängnis saß, hat sich in einem Social-Media-Video zum IS bekannt. Er wurde am Tag nach der Tat von der Polizei erschossen. Der IS wiederum hat die Tat für sich reklamiert.
In blau-gelben Farben als Zielscheibe
Jetzt warnen Sicherheitsexperten sogar davor, ein Schwedentrikot zu tragen: Zu sehr mache man sich in blau-gelben Farben zur Zielscheibe. Der schwedische Fußballverband lässt anklingen, dass er schon bald eine Empfehlung herausgeben könnte, bei Auslandsreisen auf Trikots und schwedische Symbole zu verzichten. Der Sicherheitschef des Verbands, Martin Fredman, auf einer Pressekonferenz:
„Ein Attentäter hat sich auf schwedische Bürger fokussiert und sie anhand von mindestens einem Trikot identifiziert. Es wäre verwerflich, keine Empfehlung herauszugeben, dass wir das auf solchen Reisen vermeiden wollen.“
Ohne Trikot? Für viele unvorstellbar
Nationaltrainer Janne Andersson sagte im schwedischen Fernsehsender SVT, er selbst sei kurz vor dem Attentat noch im Dress der Nationalelf in der Brüsseler Innenstadt spazieren gewesen:
„Ich habe mir nie Gedanken gemacht, dass ich nicht ab und zu das Nationalmannschaftsoutfit tragen kann. Aber jetzt fängt man schon an nachzudenken. Ich werde es nicht mehr tragen, denke ich.“
Wenn das sogar der Nationaltrainer sagt - wie geht es dann Fans? Susanne Petersson vom Nationalmannschaftsfanclub ist zwiegespalten:
„Ich habe den Schwedendress immer getragen und andere Fans getroffen und wir haben uns anhand dessen erkannt. Und eine Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft gefühlt. Deshalb ist der Gedanke, dass man es nicht mehr wagt, das Trikot zu tragen, furchtbar.“
Aber sie selbst will der Angst trotzen: „Ich glaube, ich werde mein Trikot weiterhin mit Stolz tragen. Wir haben eine fantastische Fankultur in Schweden. Und wir sind eine große Familie.“
Schweden im Ausland müssen wachsam sein
Zugleich verstehe sie auch die Bedenken anderer: „Alle Fans müssen ihre eigene Entscheidung treffen und herausfinden, was sich richtig für sie anfühlt. Es ist so individuell, wie man davon betroffen ist. Es geht nicht, dass ich sage, was jemand anders tun soll.“
Bis dahin ist noch etwas Bedenkzeit: Das nächste Auswärtsspiel der Männer ist am 16. November in Aserbaidschan, das der Frauen am 1. Dezember in der Schweiz.
Aber: Einfach auf Trikots zu verzichten - das löst das Problem insgesamt nicht. In diese Richtung äußert sich auch Premierminister Ulf Kristersson im Schwedischen Rundfunk:
„Wir müssen zu der Situation zurückkommen, in der Schweden rund um die Welt stolz darauf sein können Schweden zu sein. Gekleidet in blau und gelb, wenn man das möchte natürlich.“
Ein Wunsch, für dessen Erfüllung eine Kraftanstrengung nötig sein wird. Denn die Bedrohung durch terroristische Vereinigungen bleibt. Das schwedische Außenministerium mahnt aktuell, dass alle Schweden im Ausland größere Vorsicht und erhöhte Wachsamkeit walten lassen sollen.