Erst nach Abschluss der Ermittlungen könne man sagen, ob es sich bei dem Anschlag um islamistischen Terror handele, betonte Schall. Die Flüchtlinge müssten in puncto Rechtsordnung in Deutschland sowie der Grundrechte aufgeklärt werden. Zudem sei eine konsequentere Strafverfolgung vonnöten - man sollte also "die Strafe schneller auf dem Fuße folgen lassen". Man müsse zeigen, dass man Konsequenzen ziehe und der Staat stark und handlungsfähig sei, sagte Schall.
Die Diskussion um schärfere Waffengesetze halte er für eine Scheindebatte. So habe sich der Täter von München die Waffen beispielsweise über das Darknet aus dem Ausland organisiert. Da nützten hierzulande die besten Gesetze nichts.
Den Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnt die Gewerkschaft der Polizei laut Schall ab. Dies sei ein gefährlicher Weg: Ein Soldat sei darauf getrimmt, jemanden "möglichst effizient zu neutralisieren", sprich zu erschießen. Die Polizei hingegen betrachte die Schusswaffe als allerletztes Mittel.
Das Interview in voller Länge:
Doris Simon: Es sollte ein Ausklang eines fröhlichen Musikfestivals sein und dann gab es einen großen Knall und es war ein Sprengstoffanschlag gestern Abend, 22 Uhr in Ansbach in Nordbayern.
Ich bin jetzt verbunden mit Peter Schall. Er ist der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Bayern. Guten Morgen.
Peter Schall: Schönen guten Morgen.
Simon: Herr Schall, drei blutige Anschläge, drei blutige Taten an diesem Wochenende, zwei davon in Bayern, die letzte wie gerade gehört in Ansbach gestern Abend um 22 Uhr ein Sprengstoffanschlag. Der bayerische Innenminister Herrmann hält es ja für naheliegend, dass es sich um einen islamistischen Anschlag handeln könnte. Es war ein Flüchtling, der diesen Rucksack mit dem Sprengstoff getragen hat, der ihn schließlich selber umbrachte. Halten Sie das auch für naheliegend mit dem islamistischen Anschlag?
Schall: Ich glaube, da ist es noch zu früh. Da müssen wir jetzt mal die Ermittlungen abwarten. Wie man ja erkannt hat, nach derzeitigem Stand ist das ein psychisch Gestörter gewesen, der schon zweimal selbst sich umbringen wollte. Wenn Sie in München das anschauen, das war auch ein psychisch Durchgeknallter.
Es ist wirklich das Problem, ob uns hier eine neue Suizidwelle in der Öffentlichkeit trifft, oder ob es tatsächlich islamistischer Terror ist. Das muss man jetzt wirklich mal abwarten, das kann man dann erst nach Abschluss der Ermittlungen sagen.
"Schneller die Strafe auf dem Fuße folgen lassen"
Simon: In Reutlingen und jetzt in Ansbach waren ja, wie gerade gesagt, Flüchtlinge die mutmaßlichen Täter. Der bayerische Innenminister hat sich auch dazu geäußert: Da müsse man draufschauen. Was kann die Polizei denn mehr tun, um speziell Straftaten und solche Gewalttaten von Flüchtlingen zu verhindern? Gibt es da noch Möglichkeiten, die nicht ausgeschöpft wurden?
Schall: Das ist jetzt mal das große Rätsel, was uns natürlich beschäftigt: Wie kann man so was verhindern. Wir wollen ja jetzt nicht als Alltagsbetrieb so was erleben. Aber man muss jetzt wirklich mal abwarten, was es hier für Ansätze gibt.
Mir fällt immer nur ein, dass man diese ganzen Flüchtlinge auch aufklären muss, was hier in unserem Lande an Rechtsordnung besteht, insbesondere wie hoch die Grundrechte bei uns hängen, und da scheint mir Aufklärungsbedarf zu sein und mehr als Schulungsmaßnahmen und auf jeden Fall auch eine konsequentere Strafverfolgung. Wenn ich mir anschaue, wenn solche Menschen wie jetzt dieser, der sich in die Luft gesprengt hat, wegen Drogendelikten bekannt ist, da wird dann sehr oft von der Staatsanwaltschaft nur eine Zustellungsvollmacht verlangt, oder man sagt, na ja, der ist ja im Asylbewerberheim, hat einen festen Wohnsitz. Hier sollte man wirklich schneller die Strafe auf dem Fuße folgen lassen, um hier Konsequenzen einfach zu zeigen, dass der Staat stark und handlungsfähig ist.
"Da nützen die besten Gesetze nichts"
Simon: Es läuft ja bereits die Debatte auch vor allem nach dem Amoklauf von München über schärfere Waffengesetze. Brauchen wir die?
Schall: Das halte ich ein bisschen für eine Scheindebatte, weil wie die Ermittlungen in München derzeit ausschauen, hat der die sich übers Darknet aus dem Ausland besorgt. Da können wir hier Waffengesetze machen was wir wollen. Es war ja keine legale Waffe, sondern es war eine illegal besorgte Waffe, und da nützen die besten Gesetze nichts.
Simon: Das Darknet ist ja dieser verborgene Teil des Internets. Da strecken dann Sie im übertragenen Sinne auch die Waffen und sagen, da können wir gar nichts machen, oder gibt es da andere Mittel, um da vielleicht ein bisschen mehr Einblick und Durchblick zu bekommen?
Schall: Das ist ja immer der Wettlauf zwischen Anonymisierungs-Software und den Ermittlungs- und Nachrichtendiensten, die hier versuchen, hier einen Fuß in die Tür zu bringen. Ich meine, man kann es schlichtweg nicht verbieten, weil es ja international ist, aber vielleicht kann man sich auf internationale Standards verständigen, dass solche, ja völlig dem Staat entzogene Netze überhaupt möglich sind.
"Es ist ein gefährlicher Weg"
Simon: Schauen wir uns noch eine andere Überlegung an, die auch derzeit in Bayern angestellt wird: die Unterstützung der Bundeswehr im Inneren. Hätte die am Wochenende etwas gebracht, Ihnen, der Polizei?
Schall: Die Gewerkschaft der Polizei lehnt den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ab. Wir haben das grundgesetzlich anders geregelt. Wenn die politische Mehrheit sich dafür entscheidet - man braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit, um das Grundgesetz zu ändern - und man will die Bundeswehr im Inneren, ja gut, dann werden wir das so akzeptieren. Das ist so, unsere Politik gibt da die Richtung vor.
Es ist aber ein gefährlicher Weg. Mein Sicherheitsgefühl würde es eher beeinträchtigen, wenn jetzt an jeder Straßenkreuzung ein schwer bewaffneter Soldat herumsteht in Kampfmontur. Und zum anderen muss man wissen: Ein Soldat ist natürlich darauf getrimmt, möglichst effizient jemanden zu neutralisieren, sprich zu erschießen, und die Polizei ist eigentlich so darauf trainiert, dass die Schusswaffe wirklich das allerletzte Mittel ist, wenn gar nichts anderes mehr hilft.
Simon: Schauen wir trotzdem noch mal konkret auf den Amoklauf von München. Hätte Ihnen da Verstärkung durch die Bundeswehr irgendwo geholfen?
Schall: Wenn jetzt die Fahndung die ganze Zeit lang gegangen wäre - man hat ja wirklich alles zusammengezogen, was an Kräften im Dienst war, und irgendwann wird man natürlich auch dann an Kapazitätsgrenzen kommen -, dann hätte man sie notgedrungen eingesetzt für irgendwelche Fahndungs- oder Durchsuchungsmaßnahmen. Aber wie gesagt, das ist der absolute Ausnahmefall und eigentlich vom Grundgesetz her nicht abgedeckt. Da müsste man zunächst eigentlich eine saubere rechtliche Grundlage schaffen.
Simon: In München hat die Polizei ja sehr aktiv die sozialen Medien bedient, hat darüber gewarnt, über Twitter, über Facebook, hat Hinweise auch in anderen Sprachen benutzt.
Zugleich aber sind über die sozialen Medien gerade nach dem Amoklauf von München unglaublich viele falsche Informationen und Gerüchte verbreitet worden. Wie problematisch ist das für Sie und würden Sie sich da irgendwelche Einschränkungen wünschen?
Schall: Es ist wie allgemein im Leben. Man sollte sich nicht an Gerüchtebildung beteiligen. Und das ist ein bisschen so das große Problem dieser sozialen Medien, dass irgendein Gerücht in die Welt gesetzt gleich tausendfach geteilt wird. Das muss sich jeder selber überlegen, wenn er hier was einstellt, ist diese Information tatsächlich richtig oder schür ich nicht die Panik.
Vom Grundsatz her ist es ja eine gute Sache. Man hat die Bevölkerung sehr schnell warnen können. Man hat auch die Bevölkerung sehr schnell entwarnen können, zu sagen, hier am Karlsplatz ist keine Schießerei, Leute, es ist alles in Ordnung. Das ist der große Vorteil. Aber es birgt natürlich Gefahren, wenn hier einfach ungeprüft irgendwelche Gerüchte eingestellt werden und vielleicht von dem einen oder anderen "Spaßvogel" hier noch die allgemeine Panik geschürt wird.
"Wildwuchs in den sozialen Medien beseitigen"
Simon: Aber eine Änderung da konkret, mit Gesetzen wollen Sie nicht an die Dinge heran?
Schall: Da bisher nicht. Das muss man sich anschauen, wie sich das entwickelt. Wir müssen ja uns an diese neuen Medien erst allgemein alle mal gewöhnen und eine gewisse Netiquette schaffen, so wie man es ja in der Mailerei inzwischen eigentlich auch geschafft hat, um hier ein bisschen den Wildwuchs zu beseitigen.
Simon: ... sagt Peter Schall, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Bayern nach dem Anschlag von Ansbach gestern Abend und dem Amoklauf von München am Freitagabend. Herr Schall, vielen Dank für das Gespräch.
Schall: Bitte schön! Einen schönen Tag noch.
Simon: Ihnen auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.