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Anschlag in Berlin
Belastungsprobe für die offene Gesellschaft

Nach der Attacke auf einen Weihnachtsmarkt in der Hauptstadt ist die politische Ursachenforschung in vollem Gange. Die einen machen die Flüchtlingspolitik verantwortlich, die anderen reagieren besonnen und stehen für die freie Gesellschaft ein.

Diskussionsleitung: Marcus Pindur, Deutschlandradio |
    Kerzen und Blumen liegen in Berlin am Ort des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz.
    Kerzen und Blumen liegen in Berlin am Ort des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz. (dpa / picture alliance / Rainer Jensen)
    Das Ziel des Terrors besteht darin, Angst und Schrecken zu verbreiten. Das zeigt Wirkung: Nach einem Anschlag wie jetzt in Berlin sind die Menschen verunsichert. Dennoch nimmt die Publizistin Sylke Tempel dort auch viele positive Reaktionen wahr: "Die Berliner reagieren mit einer unglaublich schönen Mischung aus Herz, Empathie, Klarheit über die Bedrohung und Gelassenheit auf den Anschlag. Das ist es, was die offene Gesellschaft erhält. Wir wollen uns das bewahren, auch wenn es keine hundertprozentige Sicherheit gibt."
    Tempel, die auch den Nahen Osten gut kennt, nennt in diesem Zusammenhang Israel als Beispiel. Ein Land, das gelernt habe, Angst und Anschläge auszuhalten und seine Zuversicht trotzdem nicht zu verlieren.
    Dennoch gibt der Psychologie-Professor Werner Greve zu bedenken: "Die Aufgabe wird sein, dass die Angst das klare Denken der Gesellschaft nicht beeinflusst. Da haben wir die Wahl: Wir können Angst haben, uns Sorgen machen. Oder wir können uns entscheiden, trotzdem auf den Weihnachtsmarkt zu gehen."
    Gesellschaftliche Debatten vor allem in der Politik kontrovers austragen
    Terroranschläge und die damit einhergehenden politischen Diskussionen nach Schuld und Ursache erzeugen gesellschaftliche Spannungen. Zwar gebe es immer Menschen, die in solchen Situationen auf den starken Mann setzten, meint der Politikwissenschaftler Herfried Münkler. Aber Herausforderungen wie der Terror seien auch eine Chance: "Die Gesellschaft kann sich ihrer Werte, Fähigkeiten und auch Auseinandersetzungsfähigkeiten vergewissern. Insofern können Gesellschaften aus solchen Auseinandersetzungen gestärkt hervorgehen. Wenn die aber zu lange dauern, dann kann das auch ermüdend und ermattend sein."
    Und Rechtspopulisten Vorschub leisten. Deswegen ist es wichtig, dass gesellschaftliche Debatten wie Migration und Integration vor allem in der Politik kontrovers ausgetragen werden, meint der Journalist Stephan Detjen: "Wenn wir sehen, wie schnell die Sicherheitsdiskussion mit der Flüchtlingsdebatte verknüpft wird, dann zeigt das: Das Parlament hat nicht alle Debatten, die in diesem Land geführt werden müssen, adäquat abgebildet."
    Detjen macht dafür unter anderem die aktuelle politische Konstellation, bestehend aus einer großen Koalition und einer schwachen Opposition, verantwortlich.
    Darüber diskutierten:
    • Stephan Detjen, Leiter des Deutschlandradio-Hauptstadtstudios
    • Werner Greve, Professor für Psychologie, Universität Hildesheim
    • Herfried Münkler, Professor für Theorie der Politik, Humboldt-Universität Berlin
    • Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift IP – Internationale Politik