Mangelnde Aufklärung in Schulen und Radikalisierung im Internet sind für den Historiker und Antisemitismus-Forscher Uffa Jensen zwei grundlegende Probleme in Deutschland, die letztlich auch zu einer Terror-Tat wie in Halle führten. Oft werde Antisemitismus mit Nationalsozialismus gleichgesetzt, "während man sehr wenig über Antisemitismus und Vorurteile und Rassismus selber spricht. Und da müssen wir sicher sehr viel mehr tun."
Täter fühlen sich aufgefordert
Virulenten und gewaltbereiten Antisemitismus gebe es in unserer Gesellschaft schon länger, man könne sich nicht sicher sein, "wann und ob er losschlägt". Grabschändungen, Schmierereien an Synagogen und verbale Attacken gegen Juden müsse man als deutliches Zeichen dafür werten, so der Wissenschaftler. Sie habe es in den letzten Jahren immer häufiger gegeben. Er stimme Josef Schuster, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland zu, wenn dieser sage, alle müssten mehr Zivilcourage im Alltag zeigen:
"Die Leute, die am Ende zur Gewalt greifen, wie der Attentäter gestern, die verweisen später immer wieder darauf, dass sie sich aufgefordert gefühlt haben von einer breiten Mehrheit, die denkt, was sie jetzt in die Tat umsetzen."
Neonazi-Strukturen in Ost und West
Die AfD und auch andere Parteien, müssten sich deutlich von einem Klima distanzieren, in dem bestimmte radikale Kräfte sich dazu aufgefordert fühlten, gewaltätig zu werden. "Gegen Gewalt gegen Minderheiten allgemein muss auch die AfD sich klar positionieren", so Jensen. Antisemitismus von rechts sei relativ konstant und flamme immer wieder auf. Neonazi-Strukturen habe es kontinuierlich in West- und Ostdeutschland gegeben: "Deren Führungskader sind in den letzten Jahren vor allem Westdeutsche."