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Ansgar Heveling (CDU)
"Wir müssen zur Einzelfallprüfung bei Syrern zurückkehren"

Der CDU-Politiker Ansgar Heveling fordert eine Rückkehr zur Einzelfallprüfung für Syrer. Es gelte der Gerechtigkeits- und Gleichheitsgesichtspunkt gegenüber anderen Flüchtlingsgruppen wie etwa aus Eritrea oder Afghanistan, sagte er im Deutschlandfunk. Bisher erhalten Syrer in der Regel einen Status, der den Familiennachzug erlaubt.

Ansgar Heveling im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Ansgar Heveling (CDU)
    Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Ansgar Heveling (CDU) (picture-alliance / dpa/Wolfgang Kumm)
    Bis Ende 2014 sei die Einzelfallprüfung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) praktiziert worden. Es gehe nun darum, wieder zu diesem Status zurückzukehren, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses. Es habe aktuell keine Einschränkung des Asylrechts gegeben. "Es ist nur eine Differenzierung, die das Gesetz schon seit vielen Jahren so vorsieht", so Heveling. 2014 habe es schon unterschiedliche Flüchtlingsstatus gegeben, 70 Prozent der Syrer hätten den Status nach Genfer Flüchtlingskonvention bekommen und zwölf Prozent den subsidiären Schutz. Das BAMF habe für seine Arbeit aktuell auch zusätzliche Stellen bekommen, sagte Heveling weiter.
    Gesamtkoordination hebt nicht Ressortprinzip auf
    Zu Thomas de Maizières Vorstoß in der vergangenen Woche, den Familienzuzug von syrischen Flüchtlingen auszusetzen und seine spätere Rücknahme dieser Anweisung an das BAMF, sagte Heveling: Es gelte grundsätzlich das Ressortprinzip [Anm. d. Redaktion: Das BAMF ist dem Innenministerium unterstellt]. Es sei geübte Praxis in der Politik, dass in eigener Kenntnis und eigener Verantwortung Entscheidungen getroffen werden. "Peter Altmaier übennehme die Gesamtkoordination der Flüchtlingsthematik für die Regierung, damit ist das Ressortprinzip nicht aufgehoben worden": Heveling räumte aber ein: "Eine vertiefte Beratung wäre wünschenswert gewesen."

    Das gesamte Interview können Sie hier lesen:
    Mario Dobovisek: Die de Maizière-Misere und die Bundesregierung steckt mitten drin. Den Asylstatus syrischer Flüchtlinge einschränken, das wollte der Bundesinnenminister. Asyl nur noch befristet und ohne Nachzug von Familien. Der Koalitionspartner, die SPD - wir haben es gerade gehört - geht auf die Barrikaden und de Maizière ruderte noch am Freitagabend zurück. Gestern erklärte Kanzleramtschef und Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier bei uns im Deutschlandfunk-Interview die Debatte für beendet, was Politiker wie Horst Seehofer und Wolfgang Schäuble allerdings anders sehen.

    Am Telefon begrüße ich Ansgar Heveling. Für die CDU ist er im Bundestag und dort seit September neuer Vorsitzender des Innenausschusses, also mitten drin in der Debatte sozusagen. Guten Morgen, Herr Heveling.
    Ansgar Heveling: Einen schönen guten Morgen.
    Dobovisek: Sigmar Gabriel will keine weiteren Säue durchs Dorf treiben, sagt er. SPD-Vize Ralf Stegner spricht von Chaos in der Union. Wie lautet Ihre Selbstdiagnose?
    Heveling: Nun, wir haben vor vier Wochen das größte Asylpaket seit 20 Jahren im Eiltempo auf den Weg gebracht. Die Flüchtlingskrise hält an. Insofern sind schnelle Entscheidungen erforderlich. Das macht es natürlich auch notwendig, auf vielen Ebenen zu diskutieren.
    Dobovisek: Aber schnelle gemeinsame Entscheidungen, nicht im Alleingang.
    Heveling: Aber die müssen natürlich auch diskutiert werden. Deswegen, denke ich, sollte man jetzt ganz in Ruhe die aktuelle Frage in dieser Woche in der Koalition aufgreifen und da zu Lösungen kommen.
    Dobovisek: Wie könnte denn eine Lösung aussehen, wenn wir uns denn die strittige Frage angucken, nämlich das Einschränken des Status syrischer Flüchtlinge?
    Heveling: Dazu muss man ja sehen, dass bis Ende 2014 diese Einzelfallprüfung praktiziert wurde und dann aus Verwaltungs-Vereinfachungsgründen abgestellt wurde. Das heißt, es geht darum, wieder zu dem Status zurückzukehren, den wir bis Ende 2014 hatten, und da war es ja auch nicht so, dass es gleichsam alles oder nichts war. Damals haben 70 Prozent der syrischen Flüchtlinge den Status nach Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) bekommen und zwölf Prozent den subsidiären Schutz. Das mag sich verändern, aber wir haben immerhin ein Individualrecht auf Asyl und dann muss man auch im Einzelfall prüfen. Das gilt im Übrigen auch unter dem Gerechtigkeits- und Gleichheitsgesichtspunkt anderen Flüchtlingsgruppen gegenüber. Bei Eritreern oder Afghanen machen wir das ja auch.
    Keine Einschränkung, nur Differenzierung
    Dobovisek: Wie passt das zu den offenen Armen der Kanzlerin?
    Heveling: Das passt natürlich dazu, denn es ist ja keine Einschränkung des Asylrechts. Es ist nur eine Differenzierung, die das Gesetz schon seit vielen Jahren so vorsieht.
    Dobovisek: Wenn Sie aber über Einzelfallprüfungen sprechen, dann sprechen wir über mehr Verwaltung, mehr Aufwand, und dem BAMF, dem zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, fehlt es jetzt schon an allen Ecken und Enden.
    Heveling: Das ist insofern richtig, als ja das auch der Grund war, diese Verwaltungspraxis im vergangenen Jahr zu verändern.
    Dobovisek: Also warum dann jetzt diese Debatte?
    Heveling: Weil natürlich die Flüchtlingszahl auch deutlich zugenommen hat und es dann natürlich auch darum geht, das entsprechend zu administrieren. Außerdem hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ja mittlerweile auch mehr Stellen bekommen, damit diese Einzelfallentscheidungen auch angemessen durchgeführt werden können.
    "Es gibt unterschiedliche Flüchtlingsstatus"
    Dobovisek: Wenn wir darüber sprechen, dass in vielen Einzelfällen der Nachzug der Familien abgelehnt werden muss, könnte man dann auch fragen, treiben Sie damit die syrischen Frauen und Kinder in die Hände der Schlepper?
    Heveling: Das, glaube ich, kann man nicht so sagen, denn wie gesagt: Es war auch in der Vergangenheit schon geübte Praxis. Es ist klar, dass es unterschiedliche Flüchtlingsstatus gibt. Insofern, wenn man sich die Zahlen auch von 2014 anschaut: 70 Prozent haben den GFK-Status bekommen. Man muss eben einfach nur differenzieren.
    Dobovisek: Jetzt gucken wir uns mal das an, was in der vergangenen Woche passiert ist. Es gab einen mündlichen Erlass auf Abteilungsleiterebene vom Innenministerium an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Altmaier, der Kanzleramtschef widerspricht nicht, will aber zuvor davon nichts gewusst haben und damit höchst wahrscheinlich auch nicht die Kanzlerin. Ist es üblich, dass ein Bundesminister, ein Innenminister im Alleingang solche Entscheidungen trifft?
    Heveling: Wir haben natürlich grundsätzlich erst mal das Ressortprinzip. Das heißt, im eigenen Zuständigkeitsbereich entscheidet der jeweilige Minister nach eigenen Kenntnissen und in eigener Verantwortung. Das ist geübte Praxis in der Bundesrepublik. Natürlich ist das Thema durch die Verknüpfung mit den Entscheidungen der letzten Woche in der Koalition politisch bedeutsamer gewesen. Insofern wäre natürlich eine vertiefte Beratung sicher wünschenswert gewesen. Ich bin allerdings auch nicht dabei gewesen. Deswegen kann ich nicht beurteilen, worüber da im Einzelnen gesprochen worden ist. Aber grundsätzlich gilt natürlich erst einmal das Ressortprinzip und die gesetzliche Regelung gibt auch die Möglichkeit, diese Differenzierung vorzunehmen.
    Ressortprinzip ist nicht aufgehoben worden
    Dobovisek: Nun hat aber die Kanzlerin Peter Altmaier dem Innenminister vor die Nase gesetzt und damit ist das Ressortprinzip ja im Grunde aufgehoben.
    Heveling: Peter Altmaier übernimmt die Gesamtkoordination der Flüchtlingsthematik mit den unterschiedlichen Ressorts, das heißt für die gesamte Regierung. Damit ist aber das Ressortprinzip ja auch eindeutig nicht aufgehoben worden. Im Gegenteil: Es ist ja auch seinerzeit mit der Entscheidung, Peter Altmaier zum Flüchtlingskoordinator zu machen, deutlich gemacht worden, dass die operative Koordination nach wie vor beim Bundesinnenminister liegt.
    Dobovisek: Ist Herr de Maizière noch ein Innenminister, der alle Fäden in der Hand hat, ja haben sollte?
    Heveling: Das eine ist die Koordination der Flüchtlingskrise insgesamt unter den Ressorts. Das andere ist das, was die Entscheidung im Ressortbereich angeht, und dazu zählt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Insofern ist Herr de Maizière nach wie vor der entscheidende Minister für diese Fragen.
    Dobovisek: Ist Thomas de Maizière ein guter Innenminister?
    Heveling: Ich glaube, dass Thomas de Maizière ein guter Innenminister ist. Ich weiß, dass Thomas de Maizière ein guter Innenminister ist. Er hat auch in den vergangenen Wochen die entscheidenden Fragen auf den Tisch gebracht und dann sind ja auch die Entscheidungen getroffen worden.
    Dobovisek: Aber die Entscheidungen, die getroffen worden sind, sind höchst umstritten. Der Koalitionsstreit geht weiter. Wer liegt da falsch, der Innenminister oder Ihr Koalitionspartner, die SPD?
    Heveling: Ich glaube, das ist jetzt im Moment erst einmal eine Frage, dass der Koalitionspartner diesen einzelnen Punkt offensichtlich nicht in Gänze so mitbekommen hat, wie es vielleicht wünschenswert gewesen ist, und dann muss man einfach in Ruhe weiter darüber sprechen. Insofern glaube ich nicht, dass da irgendjemand falsch liegt. Man muss es jetzt noch mal differenziert in der Koalition besprechen und wird dann auch zu Lösungen kommen.
    Familienzuzug wird nicht generell gestoppt
    Dobovisek: Na ja. Wenn Sie sagen, der Koalitionspartner hat die Punkte nicht mitbekommen, dann liegt der Koalitionspartner ja doch falsch, so wie Sie sagen.
    Heveling: Nein. Dann ist das eine Frage, wie man miteinander gesprochen hat. Aber dann ändert das ja nichts daran, dass man in der Sache darüber ganz in Ruhe sprechen sollte.
    Dobovisek: Wenn wir uns das anhören, was die SPD-Führenden gestern gesagt haben, unter anderem Justizminister Maas auf die Frage hin, ob es einen Stopp des Familiennachzugs geben wird, da sagt der ganz klipp und klar einfach nur nein, ohne Diskussion, einfach nur ein Nein. Was bedeutet das für die Koalition?
    Heveling: Ich sehe das so, dass auch unter der Prämisse der Einzelfallprüfung ja der Familiennachzug nicht generell gestoppt wird, sondern es wird einfach nur differenziert, so wie das bei anderen Flüchtlingsgruppen auch gemacht wird. Insofern ist es, glaube ich, in der Sache sehr gut begründbar, diese Differenzierung vorzunehmen, und das bedeutet kein generelles Ende des Familiennachzugs.
    Dobovisek: Ansgar Heveling, CDU-Politiker und Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag. Das Gespräch haben wir vor einer Stunde aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.