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Anspiel - Schrekers Kompositionsklassen
Lohnende Raritäten

Franz Schreker zählt zwar zu den wichtigsten Opern-Komponisten des 20. Jahrhunderts, doch seine Bedeutung als Lehrer ist weniger bekannt. Der Pianist, Geiger und Musikwissenschaftler Kolja Lessing schließt mit der vierten CD seine Aufnahme-Serie mit Werken von Schreker-Schülern ab.

Von Elisabeth Richter |
    Ein Mann mit Hut und grauem Mantel blickt im Porträt in die Kamera. Er steht leicht nach rechts abgewandt, hinter ihm ist eine Häuserfassade aus grünen Fensterläden und großen Steinen zu sehen.
    Kolja Lessing hat 2020 das Bundesverdienstkreuz für seinen Einsatz für verfemte Musikerinnen und Musiker erhalten. (PR/Kolja Lessing)
    Musik: Leon Klepper - Deux danses, Nr. 2
    Nur zwei Minuten dauert dieser kleine Tanz von Leon Klepper. Man hört folkloristische Anklänge, Sarkasmus, Witz.
    Es ist faszinierend, wie dicht diese Klavier-Miniatur komponiert ist, ein kleiner Kosmos. Die orientalischen Melodiefloskeln wird Leon Klepper, Jahrgang 1900, vermutlich in seiner rumänischen Heimat aufgesogen haben. Überhaupt war der 1991 in Freiburg im Breisgau gestorbene Komponist ein Kosmopolit, er studierte zum Beispiel in Paris bei Paul Dukas und lebte in Israel.
    Der Pianist, Geiger und Musikwissenschaftler Kolja Lessing hat auf seiner neuen CD zwei Tänze von Leon Klepper eingespielt. Den Charme und die Subtilität dieser Musik setzt er mit federnder Rhythmik und ausgefeilter Artikulation um.
    Musik: Leon Klepper - Deux danses, Nr. 2
    Leon Klepper, Hugo Herrmann, Felix Petyrek und Isco Thaler – keiner dieser Komponisten ist heute im Bewusstsein, dabei hätten sie es wegen der Qualität und dem Esprit ihrer Musik verdient. Alle waren Schüler von Franz Schreker. Dass sie stilistisch und kompositorisch recht unterschiedlich entwickeln konnten, spricht für Schreker als Lehrer. Auch ihre Biografien waren denkbar unterschiedlich. Klepper und Thaler mussten nach Israel emigrieren, Petyrek und Herrmann gerieten aufgrund ihrer avantgardistischen Tonsprache mit der nationalsozialistischen Kulturideologie in Konflikt.
    Musik: Hugo Herrmann - Sonate für Violine und Klavier, op. 17
    Ein Ausdruck der Brüchigkeit der Zeit
    Kolja Lessing als Geiger. Ein Ausschnitt aus der 1925 entstandenen Violinsonate von Hugo Herrmann, ein mit Klängen experimentierendes freitonales Stück. Stilistisch vielschichtig werden große Tonräume durchmessen, die Melodik scheint exzessiv zu brennen. Der Komponist sucht nach einem Standpunkt. Um künstlerisch zu überleben, arrangierte sich Hugo Herrmann mit den Nazis und war sogar fünf Jahre Parteimitglied. Nach dem Krieg zeigte er in seiner "Seraphischen Musik für Klavier" einen konventionelleren Stil und meditierte mit archaischen Klängen über den gregorianischen Choral "In paradisum". Das erinnert ein wenig an die religiösen Kompositionen von Franz Liszt.
    Musik: Hugo Herrmann - "Seraphische Musik für Klavier"
    Mit feinem Geschmack und Anschlagskunst mischt Kolja Lessing in Hugo Herrmanns "Seraphischer Musik" die Farben und kristallisiert Strukturen heraus. Ähnlich progressiv wie Hugo Herrmann war der österreichische Komponist Felix Petyrek, Jahrgang 1892, der in Wien bei Franz Schreker studiert hatte. Seine Tonsprache tendiert zu Sarkasmus, Parodie und Groteske, ein Ausdruck der Brüchigkeit der Zeit vor und nach dem ersten Weltkrieg. Einige Jahre lebte Petyrek in Griechenland. In seinen "6 Griechischen Rhapsodien" setzte er sich auch mit der für ihn fremden musikalischen Kultur auf dem Balkan auseinander.
    Musik: Felix Petyrek - Der Tanz um das hölzerne Pferd
    Wechselnde Metrik, pulsierende Rhythmik, orientalische Floskeln, ja sogar Imitation von Bouzouki-Klängen oder rhapsodisch, weit gespannte Melodien – all dem spürt Kolja Lessing mit pianistischer Souveränität nach, aber auch mit Passion für diese lohnende Musik. Er legt damit seinen Hörern diese zu Unrecht vergessenen Komponisten ans Herz. Wie ein Erzähler lässt er die Facetten dieser Klavier-Miniaturen leuchten und macht sie erlebbar. Das ist sehr verdienstvoll.