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Anstieg der Sozialausgaben
Hoch verschuldete Städte in strukturschwachen Regionen

Die Schere zwischen armen und reichen Kommunen geht weiter auf. Dies führt zur Verfestigung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft unter deutschen Kommunen, so das Ergebnis einer Studie. Gerade hoch verschuldete Städte mit hoher Arbeitslosigkeit, verzeichnen einen erkennbaren Anstieg der Sozialausgaben. Und diese können sie nur mit neuen Schulden begleichen.

Von Michael Braun |
    NRW, Ruhrgebiet, Dortmund, Nordstadt, Der Stadtbezirk Innenstadt-Nord gilt mit 53.000 Einwohnern und einer Bevölkerungsdichte von 36,7 Einwohnern pro Hektar als größtes und dicht besiedelstes, zusammenhängendes Altbaugebietes im Ruhrgebiet.
    Viele Städte im Ruhrgebiet haben hohe Kosten und müssen sich immer mehr verschulden - zudem werden sie unattraktiver. (imago/Ralph Lueger)
    Es sieht nach Lichtblick aus: Die Gesamtverschuldung der deutschen Großstädte ist leicht gesunken, um 0,2 Prozent auf 80,9 Milliarden Euro oder 4.099 Euro pro Einwohner. Aber das gilt nicht überall. Die ostdeutschen Großstädte etwa haben ihre Finanzlage entspannen können, die westdeutschen nicht. In den neun ostdeutschen Zentren ist seit 2012 die Pro-Kopf-Verschuldung um vier Prozent auf 3.113 Euro gesunken. In den 64 westdeutschen Großstädten ist sie um 0,2 Prozent auf 4.243 Euro gestiegen. Dies vor allem in Nordrhein-Westfalen. Da kam einiges zusammen, weiß Bernhard Lorentz, bei der Beratungsgesellschaft Ernst & Young Leiter des Bereichs öffentlicher Sektor:
    "Ich denke, gerade hoch verschuldete Städte in strukturschwachen Regionen, wie beispielsweise im Ruhrgebiet, mit hoher Arbeitslosigkeit, verzeichnen ja einen erkennbaren Anstieg der Sozialausgaben. Und dem stehen häufig nicht, wie etwa wir das in süddeutschen Städten beobachten können, steigende Einnahmen aus der Gewerbesteuer oder der Einkommensteuer gegenüber."
    Steigende Schulden
    Die Studie von E & Y belegt zudem, dass auch Städte in Rheinland-Pfalz und in Niedersachsen ihre Ausgaben nur mit steigenden Schulden haben decken können. Dabei haben die Autoren darauf geachtet, nicht nur die städtischen Haushalte selbst zu betrachten, sondern auch die der kommunalen Nebenbetriebe. Die Übung, rote Zahlen aus dem städtischen Haushalt in Stadtwerke und andere hundertprozentige Töchter zu verschieben, sorgte hier also nicht für bessere Plätze.
    Zu den Städten, die die Pro-Kopf-Verschuldung zumindest im Investitionshaushalt kräftig senken konnte, gehört die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt, Magdeburg. Doch die Kassenkredite, die wird die Stadt nicht los, um ihre laufenden Einnahmen und Ausgaben zu decken. Der Bürgermeister und Beigeordnete für Finanzen und Vermögen, Klaus Zimmermann, erklärt das mit dem immer noch nicht aufgeholten ökonomischen Rückstand der gar nicht mehr so neuen Bundesländer:
    "An den Flüchtlingskosten liegt es nicht. Hier werden weitestgehend alle Kosten vom Land und vom Bund getragen. Die Kassenkredite entstehen dadurch, dass wir bei Weitem noch nicht die Steuerkraft und die Steuereinnahmen, vor allem im Gewerbesteuerbereich, realisieren, wie das in den alten Bundesländern möglich ist. Das liegt daran, dass die Produktivität nach wie vor hier in den Ostländern bei 60, 65 Prozent liegt."
    Steigende Kommunalsteuerabgaben
    Stärker als der West-Ost-Gegensatz wirkt in der Schuldensituation der zwischen armen und reichen Städten, meint E & Y-Partner Bernhard Lorentz:
    "Es gibt gewissermaßen einen Teufelskreis aus hoher Verschuldung, steigender Kommunalsteuerabgaben, Sparmaßnahmen und sinkender Attraktivität. Umgekehrt können auch gering verschuldete Städte mit hohen Steuereinnahmen ihren Bürgern und Unternehmen gute Angebote machen und damit die Attraktivität weitersteigern. Da ist das, was wir meinen, wenn wir sagen, die Schere zwischen armen Kommunen und reichen Kommunen geht weiter auf. Es führt letztendlich zur Verfestigung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft unter deutschen Kommunen."
    Die gute Konjunktur- und Einnahmenentwicklung der vergangenen Jahre gehe an den besonders stark verschuldeten Großstädten weitgehend vorbei. Und käme ein Konjunkturabschwung, würde die Schere noch schwerer zu schließen sein.