"Heute ist auf jeden Fall wieder Gurkenernte. Und wahrscheinlich auch noch ein paar kleine Zwergtomaten."
Was sich anhört wie der Tagesplan eines Schrebergärtners, ist für Paul Zabel ein wissenschaftlicher Erfolg: Denn das Gewächshaus, in dem der Ingenieur vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt seine Gurken und Tomaten ernten will, ist ein Prototyp, der am wohl unwirtlichsten Ort der Erde steht – der Antarktis.
Test unter extremen Außenbedingungen
Draußen herrschen Temperaturen um die minus 40 Grad. Die Luft ist extrem trocken, und oft genug muss sich Zabel den Eingang zu seinem Gewächshaus-Container erst einmal freischaufeln, soviel Schnee hat sich über Nacht angesammelt. Drinnen aber ist es angenehme 21 Grad warm, die Luftfeuchtigkeit liegt bei 65 Prozent. Und in den Wandregalen gedeiht das Gemüse, freut sich Zabel:
"Hier sieht man ganz kleine Salatpflanzen. Die sind erst 10 bis 12 Tage alt. Und eine Etage tiefer sind die Salate, die schon ein bisschen älter sind. Die sind wahrscheinlich Ende nächster Woche reif zur Ernte. Wir haben etwa alle zwei Wochen eine große Salaternte."
Statt in Blumenerde stecken die Wurzeln in Plastikboxen und werden mit Nährstofflösung besprüht. Das Licht kommt von hellen LEDs. Sie tauchen den Container in ein intensives Violett. Zabel geht weiter, vorbei an Tomaten, Gurken, Kohlrabi und Radieschen.
"Was auch beliebt ist bei unserer Besatzung sind die Kräuter, weil man damit jedes Essen aufpeppen kann. Hier haben wir Basilikum auf der linken Seite. Auf der rechten Seite haben wir Schnittlauch und Petersilie. Das wächst so gut, dass man jede Woche frische Kräuter hat."
Fernsteuerung aus dem Kontrollraum in Bremen
Unterstützung erhält Zabel aus riesiger Entfernung – vom DLR-Kontrollraum in Bremen. Hier steht Conrad Zeidler vor Monitoren, die Zahlen und Bilder aus dem Gartencontainer anzeigen.
"Wir haben Temperatursensoren, Luftfeuchtigkeitssensoren, CO2-Sensoren, auch verschiedene Kameras und können hier das Gewächshaus steuern, dadurch dass wir jedes einzelne Gerät im Container von hier steuern können."
Die Technik, die hinter dem Projekt "EDEN-ISS" steckt, ist so komplex, dass Paul Zabel allein sie nicht im Blick behalten kann, sagt Conrad Zeidler:
"Er ist schon auf Hilfe von hier angewiesen, von den einzelnen Experten. Wir haben Experten, die sich mit den Pflanzen auskennen, Experten, die sich mit der Kommunikation auskennen, wie die IT dort funktioniert."
Kein Unkraut, keine schädlichen Insekten
Zumindest um eines muss sich Zabel – anders als der gemeine Schrebergärtner – keine Sorgen machen:
"Unkraut haben wir hier nicht, genauso wenig wie Schädlinge. Unser System ist ja komplett abgeschlossen. Hier wachsen wirklich nur die Pflanzen, die hier wachsen sollen. Und schädliche Insekten gibt es hier auch nicht in der Antarktis."
Und wie sieht die Zwischenbilanz aus, sieben Monate nach Start des Anbaus? Projektleiter Daniel Schubert:
"Es lief alles gut – keine größeren Zwischenfälle. Wir haben bis jetzt über 180 Kilogramm Gemüse produziert, hauptsächlich Salate, Gurken Tomaten, aber auch andere frische Gemüsesorten. Es ist ein voller Erfolg. Die Menschen dort in der Antarktis sind wirklich sehr glücklich, dass sie diese frische Nahrung haben."
Zehn sogenannte Überwinterer bewohnen derzeit die Neumayer-Station, fast völlig isoliert von der Außenwelt. Ziel der Forscher war es, diese Crew zwei Mal pro Woche mit frischem Gemüse zu versorgen. Nun gibt es fast täglich welches. Daniel Schubert:
"Es ist sogar schon so, dass sie bei Gurke sagen: Es reicht!"
Andere Pflanzen dagegen wollen nicht so gut gediehen. Paul Zabel richtet seine Kamera auf einen üppig blühenden Strauch – die Erdbeeren.
Bestäubungs-Schwierigkeiten bei den Erdbeeren
"Die Pflanzen wachsen super. Die tragen sehr viele Blüten, wie man sieht. Das Problem, das wird leider haben, ist: Wir kriegen die Blüten nicht richtig bestäubt. Wir haben noch keine einzige Erdbeere gehabt, obwohl wir hier gefühlt über 100 Blüten an den Pflanzen haben."
Die künstliche Bestäubung per Pinsel hat nicht funktioniert – hier werden die Experten noch tüfteln müssen. Drei Monate wird Paul Zabel noch weitergärtnern, Mitte Dezember geht’s zurück nach Deutschland. Das Gewächshaus aber bleibt vor Ort, sagt Daniel Schubert.
"Wir sind im Moment gerade daran, die nächsten Folge-Missionen zu definieren."
Also wird es auch für künftige Antarktis-Forscher Kohlrabi und Tomaten geben – und viele, viele Gurken?
"Ich will’s hoffen."