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Antarktis
Hintergründe zur Expedition der "Akademik Shokalsky"

Polarforschung. - Die Passagiere des russischen Schiffes "Akademik Shokalsky" sind von einem Hubschrauber auf das australische Forschungsschiff "Aurora australis" evakuiert worden. Das russische Schiff sitzt seit Weihnachten im Packeis vor der Ostantarktis fest. Die Wissenschaftsjournalistin Monika Seynsche berichtet im Gespräch mit Ralf Krauter über die spektakuläre Evakuierung.

    Krauter: Frau Seynsche, die heikle Rettungsaktion ist geglückt, aber was wird denn jetzt aus der Besatzung? Die ist ja immer noch an Bord?
    Seynsche: Genau, die 22 Besatzungsmitglieder sind vor Ort geblieben, müssen sie natürlich auch, denn das Schiff wird ja irgendwann vom Eis wieder freigegeben werden, dann muss es irgendjemand nach Hause bringen. Das Schiff ist ja noch komplett fahrtüchtig, sprich, sobald das Eis weg ist, können die wieder nach Hause fahren. Es haben ja in den vergangenen Tagen - Sie haben es angesprochen - mehrere Eisbrecher schon versucht, dieses Schiff zu befreien. Und das Schiff, was jetzt am nächsten dran war, war der chinesische Eisbrecher "Xue Long", und die ursprüngliche Planung war auch, dass der Hubschrauber, den Sie erwähnt haben, Passagiere, die anderen 52, die jetzt weggekommen sind, zum chinesischen Eisbrecher gebracht hat. Seit heute Morgen ist allerdings klar, dass auch dieser chinesische Eisbrecher jetzt im Eis feststeckt, sprich, das war keine Lösung mehr. Man musste die Passagiere also zum etwas weiter entfernten australischen Eisbrecher "Aurora australis" bringen, und von dort aus geht es jetzt weiter nach Australien, wo die meisten herkommen.
    Krauter: Wie kam es denn dazu, dass das russische Forschungsschiff da überhaupt vor Ort war, an dieser Stelle Dann fest gefroren wurde.
    Seynsche: Na ja, das russische Schiff fährt natürlich unter russischer Flagge, aber es ist gechartert worden von dieser australasiatischen Antarktis Expedition, der "Spirit of Mawson", und das Ziel dieser Expedition war es, der Route des Polarforschers Douglas Mawson zu folgen, der vor ungefähr 100 Jahren, vor ziemlich genau 100 Jahren genau diesen Bereich der Antarktis untersucht hatte, der südlich von Australien liegt, also ein Teil der Ostantarktis. Die Wissenschaftler haben jetzt seine Daten von damals, für damalige Verhältnisse sehr sauber, wissenschaftlich sauber erhoben worden sind, als Basis genutzt, um zu dokumentieren, wie sich das Klima, die Ozeane und Eisverhältnisse und die Ökologie dieser Region seitdem verändert haben. Und auf dem Rückweg aus der Antarktis sind sie dann eben in der Nähe der Commonwealth Bucht stecken geblieben.
    Krauter: Nun war ja diese Route lange geplant. Wie kam es denn dazu, dass man da jetzt so überraschend stecken geblieben ist? Woher kam das viele Packeis auf einmal?
    Seynsche: Na ja, die Region ist berühmt dafür, dass sie extrem schlechtes Wetter hat, extrem starke Winde. Die sind da oft, die ganze Region gehört zu den windigsten Regionen des ganzen Planeten. Das heißt, der Wind bringt natürlich die Eisschollen dahin. Diesmal waren es aber wirklich ungewöhnlich viele. Und man vermutet jetzt, dass das daran liegt, dass vor einigen Jahren... In der Nähe dieser Region liegt ein Gletscher, der eine sehr, sehr lange Zunge hat, der Mertz-Gletscher, und diese Zunge ist vor einigen Jahren mit einem Eisberg kollidiert und abgebrochen. Dadurch ist natürlich eine Art Barriere verschwunden und zumindest der Expeditionsleiter, Chris Turney, vermutet jetzt, dass sich genau dadurch die Eisverhältnisse in der Bucht langfristig verändert haben, dass sich jetzt an dieser Stelle ganz, ganz viel Eis sammeln konnte. Darauf deuten auch Satellitenbilder des Australischen Antarktischen Dienstes hin.
    Krauter: Interessant ist auch das Medienecho dieser, ja, spektakulären Rettungsaktion, die viele seit Tagen verfolgt haben. Eine australische Boulevardzeitung zum Beispiel, der "Daily Telegraph", der schreibt, Zitat: "Das Einfrieren dieses Schiffes ist eine harte Lektion für jene, die die Folgen des Klimawandels übertreiben." Aber so ein bisschen viel Eis an unerwarteter Stelle kann noch kaum die jahrzehntelange Arbeit von hunderten Klimaforschern infrage stellen, oder?
    Seynsche: Natürlich nicht. Es ist völlig klar, dass das nichts mit dem Klimawandel zu tun hat. Da unten... die ganze Antarktis und gerade die Ostantarktis ist eine extrem unwirtliche Region. Und auch wenn es wärmer wird und der Klimawandel natürlich kommt, ist es da unten immer noch extrem unwirtlich, es gibt extrem viel Eis, extrem viele Eisschollen und natürlich viel Wind. Die können sie immer zusammen treiben.
    Krauter: Welche Folgen hat das ganze? Diese Rettungsaktion hat über Tage viele Ressourcen gebunden, drei Eisbrecher waren am Start, ein Hubschrauber im Einsatz. Die fehlen jetzt wahrscheinlich an anderer Stelle, oder?
    Seynsche: Die fehlen an anderer Stelle, genau. Es war ein französischer Eisbrecher beteiligt, der musste nach drei Tagen abdrehen, weil klar war, dass er das Schiff niemals erreichen könnte. Die haben nur drei Tage verloren, bei den Chinesen und den Australiern sieht es anders aus. Die Australier, gerade die australische "Aurora australis" war gerade dabei, Nachschub und auch wissenschaftliche Geräte abzuladen und musste dann wirklich direkt abbrechen und zu dem Eisbrecher hin. Und das kostet natürlich Geld, beziehungsweise die Forscher, die jetzt auf ihre Geräte warten, können nicht weiter arbeiten.