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Antarktisches Feilschen

Zurzeit berät die "Internationale Kommission zum Schutz lebender Ressourcen in der Antarktis" darüber, ob im Rossmeer und vor der Ostküste der Antarktis zwei riesige Meeresschutzgebiete eingerichtet werden sollen. Im vergangenen Jahr waren dieselben Verhandlungen bereits gescheitert.

Von Dagmar Röhrlich |
    Im vergangenen Herbst scheiterten im tasmanischen Hobart die Verhandlungen am Widerstand Norwegens, Japans, Russlands, Chinas und der Ukraine: Weder das Rossmeer, noch ein Netzwerk von sieben Gebieten vor der ostantarktischen Küste konnte zum Meeresschutzgebiet erklärt werden:

    "Es gibt eine internationale Verpflichtung aller Staaten, bis zum Jahr 2020 zehn Prozent der Weltmeere unter Schutz zu stellen. Zurzeit sieht es allerdings so aus, dass wir noch nicht einmal zwei Prozent erreicht haben. Wenn beide Vorschläge, die jetzt hier diskutiert werden, angenommen werden, dann würde sich diese Schutzgebietszone in den Weltmeeren verdoppeln",

    erklärt Stefan Hain, Leiter der Stabsstelle Umweltpolitik am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Deshalb findet derzeit in Bremerhaven eine Sondersitzung der CCAMLR statt, der "Internationalen Kommission zum Schutz lebender Ressourcen in der Antarktis":

    "Dieses Übereinkommen wurde 1982 etabliert, um vor allen Dingen den Fischfang und den Fang von Krill zu überwachen und zu regulieren."

    Es ergänzt den Antarktisvertrag von 1959, der den Kontinent zu einer Forschungszone erklärt, die keinem Staat gehört. Entscheidungen in diesem CCAMLR-Gremium müssen einstimmig fallen. Der Südozean sei ein einmaliger Lebensraum, erklärt Stefan Hain:

    "Die Organismen sind einzigartig und der Lebensraum ist enorm vielfältig. Wenn Sie Filmaufnahmen von dem Meeresboden sehen, das sieht fast wie ein tropisches Korallenriff aus."

    Allerdings ist dieser Lebensraum sehr empfindlich. Beispiel: Schnecken. Aufgrund des kalten Wassers sind ihre Lebensprozesse verlangsamt:

    "Eine Schnecke, die hier in der Nordsee zum Beispiel innerhalb von drei bis vier Wochen Nachwuchs erzeugen würde, das dauert in der Antarktis 18 bis 20 Monate."

    Störungen haben deshalb langfristigere Folgen als in Meeren mir höheren Temperaturen. Bei den Schutzzonen geht es um zwei große Gebiete. Die USA und Neuseeland wollen im Rossmeer eine Fläche von 2,2 Millionen Quadratkilometern schützen, von denen 1,6 Millionen ganz gesperrt werden sollen. Der zweite Vorschlag kommt von Australien, Frankreich und der Europäischen Union. Er betrifft sieben Areale mit einer Gesamtfläche von 1,63 Millionen Quadratkilometern entlang der ostantarktischen Küste:

    "Es sind sehr schwierige Verhandlungen, weil natürlich auch unterschiedliche Interessen vertreten werden."

    Ein Kompromissvorschlag von Norwegen sieht vor, die Schutzregion zeitlich zu begrenzen. Umweltschützer fürchten jedoch einen Präzedenzfall, durch den künftig überall auf der Welt Schutzgebiete auf Zeit entstehen könnten:

    "Es ist ein Prozess, der jetzt stattfindet. Und es ist verständlich, dass es in diesem Prozess verschiedene Schritte gibt und das auch die Länder sich verständigen müssen."

    Der Südozean um die Antarktis besitzt nicht nur eine einmalige Lebenswelt. Die Schutzzonen sollen auch als Referenzgebiete für den Klimawandel gelten:

    "Ich glaube, wir sind schon weit gekommen in diesem Prozess, ich hoffe sehr, dass hier in Bremerhaven wir einen Erfolg haben. Aber selbst wenn nicht, dann muss man das als einen Schritt in diesem Prozess sehen, und der Prozess wird weitergehen, auf jeden Fall."

    Dass Deutschland zu den wenigen in der Antarktis vertretenen Ländern ohne große wirtschaftliche Interessen zählt, könnte bei den Verhandlungen helfen. Außerdem möchte Deutschland bald einen eigenen Vorschlag ins Spiel bringen: auch das westantarktische Weddelmeer soll geschützt werden.

    "Das Weddellmeer ist unser Heimatgebiet, weil es sehr gut zu erreichen ist und auch da die permanente Station Neumeier ist. Wir wären ohne Weiteres bereit, die bereits existierenden Daten zu analysieren und die wissenschaftliche Grundlage zu erstellen."

    Noch weiter gehen möchte die Antarctic Ocean Alliance. Der Zusammenschluss von mehr als 30 Umweltschutzorganisationen schlägt zusätzlich 19 Meeresgebiete nahe der Antarktis als Schutzzonen vor, die die von den Staaten verhandelten Zonen miteinander verbinden sollen.