1995, Süd-Louisiana: Zwei Cops - brillant gespielt von Woody Harrelson und Matthew McConaughey - werden zur Leiche einer jungen Prostituierten gerufen. Der nackte und mit einem Symbol bemalte Körper ist aufwändig an einen Baum gefesselt, auf dem Kopf ein Hirschgeweih. Ein Ritual-Mord?
Dann 2012: Die beiden Polizisten werden in einem ähnlichen Fall verhört. Offensichtlich sind sie selbst nicht mehr im Dienst und stehen auch nicht mehr in Kontakt. True Detective wird in zwei Zeitlinien erzählt. In den USA läuft am kommenden Sonntag die letzte Folge der ersten Staffel, die zweite ist bereits angekündigt. Die Kritikergemeinde ist sich einig: True Detective setzt neue Maßstäbe: kinematographisch wie erzählerisch. Hauptdarsteller Woody Harrelson: "Das ist als würdest du einen Film sehen, aber in Episoden. Das macht den eigentlichen Reiz aus." ("It’s like you are watching a film, but it’s episodic. The excitement of it is really gonna come through.")
Idee ist nicht neu
HBO entschied sich gemeinsam mit Serienschöpfer und Showrunner Nic Pizzolato eine anthologische Serie aufzulegen. Das heißt: Nach acht Folgen ist am Sonntag Schluss mit Harrelson und McConaughey, aber nicht mit True Detective. Die Idee der anthology series ist nicht neu: Schon im frühen angelsächsischen Radio gab es anthologische Serien, später auch im US-Fernsehen der 1950er-Jahre. Sie bestanden immer fort, existierten beharrlich im großen Schatten des klassischen seriellen Erzählens, mit beständigen Plotstrukturen, Ensembles und Schauplätzen.
Seit 2011 sendet der kleine US-Kabelsender FX erfolgreich seine "American Horror Story": Auch hier: ein staffelweise wechselnder Cast, Plot und Ort. Was bleibt ist das Genre - eben Horror - und das Label: American Horror Story. Für Aufregung in der Branche sorgte vorletztes Jahr die Ankündigung, FX plane eine zweite anthologische Serie: Im April soll Fargo auf die Bildschirme kommen. Die Serie basiert auf dem oscarprämierten Coen-Brothers-Film von 1996. In jeder Staffel soll eine andere Facette des Städtchens Fargo gezeigt werden.
Geschichten mit Anfang, Mitte und Schluss
Doch warum entscheiden sich Sender dazu, anthologische Serien zu erzählen, statt mit immer wiederkehrenden Protagonisten, Schauplätzen und Plots die so wichtige Zuschauerbindung zu fördern? Im Interview mit einem Onlinemagazin erklärt True-Detective-Erfinder Nic Pizzolato, warum er seine Serie als Anthologie angeht: "Ich bin Romanautor und mag es, wenn etwas zu Ende geht – den meisten Fernsehserien aber fehlt der beendende dritte Akt. Erst wenn die Serie abgesetzt wird, erfinden sie schnell einen. Ich wollte eine Geschichte mit Anfang, Mitte und Schluss erzählen."
Der Vorteil liegt auf der Hand: Ein Autor weiß genau, dass für seine Geschichte beispielsweise acht Folgen á 60 Minuten zur Verfügung stehen. Darauf basierend kann ein Bogen gespannt werden. Während die episch erzählten amerikanischen Kabelserien nach jeder Staffel um die Fortsetzung bangen und dann trotzdem nicht zum Ende kommen dürfen, kann Pizzolato seine Geschichte jedes Mal auserzählen und dennoch auf weitere Staffeln hoffen. Ein Traum für jeden Autor. Pizzolato: "Und ich wollte unbedingt mit den besten Kino-Schauspielern arbeiten. Die Zeit ist gerade gut dafür, denn im Kino gibt’s zurzeit sowieso nur Superhelden-Rollen. Viele Filmschauspieler machen immer noch keine Fernsehserien, weil sie hier gleich Verträge für vier bis sechs Jahre unterschreiben müssen. Bei uns sind sie nur für fünf Monate gebunden, da hast du viel bessere Chancen auf ein echtes Talent."
Sollten True Detective und das angekündigte Fargo erfolgreich sein - und vieles weist darauf hin - könnte sich damit auch die amerikanische Autorenserie verändern: Kürzere, in sich abgeschlossene Staffeln und mehr Filmstars im TV. Allerdings unter einer Dachmarke, die Zuschauer bindet, und dem Versprechen: Du wirst jetzt zwar nicht mehr ganz genau wissen, was du bekommst, dafür kriegst du ein organisches Ende. Jedes Mal.