"Ist es nicht fantastisch, dass so viele von uns hier sind, um den Brexit zu stoppen?", ruft ein Redner den Demonstranten zu.
Hyde Park Corner, London, um die Mittagszeit. Die Straßen sind voller Menschen, und immer mehr strömen dazu aus den Tiefen der U-Bahn und den Reisebussen am Straßenrand. Europa-Flaggen überall, selbst die Hunde tragen blaue Halstücher mit gelben Sternen. "Put it to the people!" steht auf den offiziellen Plakaten, wir verlangen eine Volksentscheidung!". 'Bollocks To Brexit', Brexit ist Schwachsinn" auf zigtausenden Aufklebern. Die Menge ist fröhlich, optimistisch, aufgeräumt. Und sehr gemischt: Männer, Frauen, Junge, Alte, alles dazwischen, aus allen Teilen Londons, Englands und des Königreichs. Warum sind sie alle heute hier?
"Wir sind an einem Punkt, wo es um die Zukunft unserer Kinder geht, wir haben die Nase voll. – Wir haben Angst vor dem, was vielleicht schon in wenigen Wochen passiert: Dass die Medikamente ausgehen oder die Lebensmittel. Dafür haben die Leute vor drei Jahren nicht gestimmt! – Großbritannien verliert Jobs, die Standards sinken, die Wirtschaft bricht zusammen. Das ist total bescheuert. – Überlaßt es dem Volk, wir wollen abstimmen."
Verlängerung sogar inklusive Europa-Wahl möglich
Aber wie stehen die Chancen auf ein zweites Referendum wirklich? Im Parlament gibt es dafür keine Mehrheit. Allerdings auch für keinen anderen Plan. Heute ist bekannt geworden, dass Theresa May ihren Vertrag mit der EU wahrscheinlich auch nicht mehr zur Abstimmung stellt. Es wäre aussichtslos. Den 'No Deal' wollen die meisten Abgeordneten aber auch nicht. Also könnte es in die Verlängerung gehen, in eine richtig lange Verlängerung sogar inklusive Europa-Wahl auf der Insel. Und darauf setzen die Demonstranten beim People's Vote March ihre Hoffnung.
"Alle Vorschläge sind im Moment ziemlich aussichtslos. Aber irgendetwas muss ja passieren. Und ich hoffe, dass mehr und mehr Politiker einsehen, dass eine zweite Befragung gut wäre. Ich bin da optimistisch. – Wenn die Bürger ihnen zeigen, was sie wollen, dann müssen die Politiker uns mehr Zeit geben. Das ist doch eine historische Entscheidung. Sie müssen uns einfach mehr Zeit geben."
"Gebt die Entscheidung dem Volk zurück!"
So sehen das auch die Redner bei der Kundgebung am Parlament in Westminster. Die Menge ist dort hingezogen am Nachmittag. Die Organisatoren schätzen, dass mehr als eine Million gekommen sind. Die Demonstration nimmt historische Ausmaße an. Nicola Sturgeon, die schottische Regierungschefin, spricht. Das Volk, sagt sie, sei nicht gehört worden beim ersten Mal.
"Heute müssen sie uns zuhören", sagt sie, und dann:
"Wir sagen laut und klar dies: Gebt die Entscheidung dem Volk zurück!"
"Theresa May, Sie sprechen nicht für uns!"
Die Schotten denken wieder über ein Unabhängigkeitsreferendum nach. Nicola Sturgeons Stimme hat also Gewicht. Das gilt auch für Tom Watson von Labour. Gerade noch wollte er Theresa Mays Deal im Parlament zustimmen, wenn sie ein neues Referendum darüber verspricht. Nun erklärt er Mays Plan für erledigt, alle Kompromissversuche für gescheitert.
"Schauen Sie mal aus dem Fenster, Premierministerin, ziehen Sie die Vorhänge zurück! Schalten Sie den Fernseher ein! Schauen Sie sich diese großartige Menge heute an: Hier ist das Volk! Theresa May, Sie sprechen nicht für uns!"
Möglich, dass dies der Auftakt ist zu dem, was viele für nächste Woche erwarten: Dass das Parlament die Kontrolle übernimmt, dass die Premierministerin vielleicht zurücktritt. Und dass es später vielleicht wirklich noch ein zweites Referendum geben kann.