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Anti-Doping-Gesetz
Hoffnung auf einen sauberen Sport

Nun tritt das Anti-Doping-Gesetz in Kraft; jahrelang hatten Sportlobbyisten versucht, es zu verhindern. Doch das Vertrauen der Politik in die Selbstregulierungskräfte des Sports mit seiner eigenen Gerichtsbarkeit ist am Ende: Doping ist nun offiziell ein Straftatbestand - dopende Sportler riskieren Geld- und mehrjährige Haftstrafen.

Von Daniel Bouhs und Robert Kempe |
    Bei einer Razzia in einem Untergrundlabor wurden diese Ampullen mit Anabolika sichergestellt, die ein Beamter des Zolls am Mittwoch (23.03.2011) bei der Pressekonferenz des Zolls in Frankfurt am Main zeigt.
    Ampullen mit Anabolika, sichergestellt in einem Untergrundlabor. (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
    Doping, der Leistungsbetrug im Sport, sorgt seit Jahren für Schlagzeilen. Neben korrupten Verbandsfunktionären hat vor allem Doping das Image des Sports ramponiert. Doping ist ein existenzielles Problem. Das Glaubwürdigkeitsproblem des Sports.
    Der Sport ist – auch hierzulande – eine Welt für sich, pocht auf seine Autonomie. Er hat eigene Kontrolleure und eine eigene Gerichtsbarkeit. Doch damit ist mit dem Anti-Doping-Gesetz jetzt Schluss. Seit dessen Inkrafttreten kurz vor Weihnachten ist Doping in Deutschland ein Straftatbestand, der Sportler ins Gefängnis bringen kann. Bislang hatte die Justiz – über Vorschriften im Arzneimittelgesetz – allenfalls die Hintermänner im Visier: Trainer, Ärzte, Betreuer, Doping-Dealer. Das neue Gesetz zielt hingegen auf den Leistungssportler ab.
    Mehr als 20 Jahre lang diskutiert
    Mehr als 20 Jahre hat die Politik über ein eigenständiges Anti-Doping-Gesetz diskutiert. Einigen konnte man sich nie. Anfang dieser Legislaturperiode verständigten sich Union und SPD darauf, dieses Thema wieder anzugehen. Auch, weil der Sport immer stärker in die Krise rutschte. Gleich drei Minister waren mit dem wohl sportpolitisch wichtigsten Thema der letzten Jahre betraut: Gesundheitsminister Hermann Gröhe, Innen- und Sportminister Thomas de Maizière, vor allem aber Bundesjustizminister Heiko Maas:
    "Der Staat hat schon viel zu lange zugeschaut beim Anti-Doping-Kampf. Wie groß das Problem ist, lesen wir regelmäßig. Gerade auch in der letzten Zeit sind etwa die Doping-Skandale, die in der Leichtathletik weltweit aufgedeckt worden sind, noch mal ein Hinweis darauf, dass es anscheinend nicht nur dem Sport alleine überlassen werden kann, den Kampf gegen das Doping zu führen."
    Begründet der SPD-Politiker den deutlichen Eingriff in die Autonomie des Sports. Der Kern des Gesetzes ist ein generelles Doping-Verbot im Sport – für Athleten aus Deutschland, aber auch für Sportler aus aller Welt, wenn sie hierzulande an Wettkämpfen teilnehmen. Athleten, die zu vermeintlichen Wundermitteln wie Epo greifen, die Pillen schlucken und sich Spritzen setzen lassen, um mit der Kraft der Medizin stärker zu sein als andere, müssen nun den Staatsanwalt fürchten, dazu Geld- und sogar mehrjährige Gefängnisstrafen.
    Doping ist nun gesetzlich verboten
    Auch ausgefeilte Doping-Methoden sind nun gesetzlich verboten, zum Beispiel Doping mit Eigenblut. Dabei lässt sich der Sportler in einem idealen Zustand – etwa beim besonders effektiven Höhentraining – Blut entnehmen, um es sich dann Wochen später rund um entscheidende Wettkämpfe wieder zuführen zu lassen. Der dopende Sportler kommt damit schneller zu Kräften als saubere Athleten. Nicht zuletzt in der Doping-Affäre des Radsports waren solche Blutbanken entdeckt worden.
    "Uns geht es darum, insbesondere dort, wo systematisch gedopt wird, auch mit der Staatsanwaltschaft einzugreifen. Dass es auch in Zukunft welche geben wird, die im Einzelfall sich was einwerfen, um besser abzuschneiden und damit die ehrlichen Sportler betrügen, das kann man mit einem solchen Gesetz nicht verhindern. Man kann allenfalls dafür sorgen, dass sie hart bestraft werden."
    Bundesjustizminister Heiko Maas
    Bundesjustizminister Heiko Maas war maßgeblich am Anti-Doping-Gesetz beteiligt. (dpa / picture-alliance / Soeren Stache)
    Sagt Justizminister Maas. Der organisierte Sport hat sich bis zum Schluss gegen ein dezidiertes Anti-Doping-Gesetz gewehrt, unter anderem mit Verweis auf das Arzneimittelgesetz. Der Tenor: Die dortigen Regelungen, die vor einigen Jahren um einen Passus zum Doping im Sport ergänzt wurden, reichten aus.
    Der emeritierte Strafrechtsprofessor Dieter Rössner, der auch als Anwalt tätig war, hat jahrelang für das Anti-Doping-Gesetz gekämpft. Ihm war schon immer klar: Wer allein mit dem Arzneimittelgesetz argumentiert, das eigentlich nur die Volksgesundheit schützen soll, der will keinen sauberen Sport.
    "Jetzt hat man plötzlich gesagt, ja gut, da bringen wir das Doping-Gesetz unter, weil diese Doping-Mittel zum Teil auch gefährlich sind für die Gesundheit. Das hat mit der Volksgesundheit ja überhaupt nichts mehr zu tun, denn Doping-Zwecke im Sport heißt immer Wettbewerbsverfälschung, andere betrügen. Und ab da war es am falschen Platz und deshalb konnte das Gesetz nie durchschlagen."
    Befürworter des Gesetzes sind erleichtert
    Rössner ist erleichtert, dass Deutschland jetzt endlich ein echtes Anti-Doping-Gesetz hat. Zehn Jahre hat er sich für ein hartes Gesetz in Deutschland eingesetzt. Dass der Sport dieses verhindern wollte, sei nur logisch: Der Sport wolle sich die Möglichkeit erhalten, Dopingfälle selbst zu verfolgen. Nur so könne er einzelne Sportler dezent aus dem Verkehr ziehen, ohne vom systematischen Doping zu reden.
    "Dieser eine Athlet ist für den Sport dann ein bedauerlicher Einzelfall, den man dann auch meist fallen lässt. Oder dass in korrupten Strukturen bestimmte Doping-Fälle wieder herausgenommen werden, wenn man sie nicht haben will. Und all die Dinge sind in einem innersportlichen System möglich. Wenn es in das Strafrecht geht mit Ermittlungsmethoden, auch verdeckten Methoden, und klaren Ermittlungen in der Szene, dann ist das halt nicht mehr möglich."
    Forschungsergebnisse sprechen eine klare Sprache: Doping muss deutlich weiter verbreitet sein als Fälle bekannt werden. Hierzulande ist vor allem die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA für Dopingkontrollen und die Verfolgung überführter Sportler zuständig. Das Ergebnis ist dürftig: Laut Jahresbericht der NADA wurden 2014 bei rund 14.000 Dopingkontrollen gerade einmal 22 Athleten sanktioniert. Die Trefferquote: gerade mal 0,2 Prozent.
    Dagegen stehen die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien, bei denen Spitzensportler anonym befragt wurden. Eine in der Szene viel beachtete Studie der Deutschen Sporthilfe aus dem Jahr 2013 ergab, dass gut sechs Prozent der deutschen Kaderathleten zu Dopingmitteln greifen. Der Graubereich liegt sogar noch weit höher, denn 40 Prozent der Befragten verweigerten die Antwort auf diese Frage. Die Theorie der Einzelfälle – sie scheint dahin.
    Hohe Dunkelziffer beim Dopen
    Hinzu kommt: Die Möglichkeiten der Fahnder, Dopingmittel nachzuweisen, bleiben immer hinter dem zurück, was sich Doping-Netzwerke in ihren geheimen Laboren ausdenken. Und vor allem: Nur selten packt jemand aus. Der Kampf gegen Doping ist nicht zuletzt ein Kampf gegen ein Kartell des Schweigens. Der Sport kommt dagegen nicht an. Staatliche Ermittler schon. Wenn sie ihr Repertoire ausschöpfen, heißt das: Werden Spitzensportler des Dopings verdächtigt, würde ihr Umfeld – bestenfalls unbemerkt – durchleuchtet, Telefongespräche abgehört, Geldflüsse beobachtet, Hausdurchsuchungen angeordnet. Damit drohen dem Sport neue Schlagzeilen. Er betrieb deshalb intensiv Lobbyarbeit gegen das Gesetz.
    "Ich glaube, es hat wenig Gesetze in diesem Parlament gegeben, die so lange, so intensiv auch mit einem Interessenvertreter – denn das ist der Deutsche Olympische Sportbund – diskutiert worden ist."
    Sagt Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestags. Die SPD-Politikerin berichtet: Der Deutsche Olympische Sportbund als Dachverband des deutschen Sports hat im Berliner Regierungsviertel bis zur letzten Minute gegen das Anti-Doping-Gesetz gearbeitet. Freitag ist eine erklärte Befürworterin des Gesetzes, das nicht erst bei positiven Doping-Tests greift, sondern schon, wenn beim Sportler entsprechende Mittel gefunden werden. Juristen sprechen von der "uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit".
    "Ich weiß von Kolleginnen und Kollegen auch aus meiner Fraktion, dass es immer noch E-Mails gegeben hat, Gesprächswünsche vonseiten des Deutschen Olympischen Sportbundes. Und nach allem, was ich gehört habe, hat es hinter den Kulissen noch viele Versuche gegeben, zur Schwächung oder zur Verhinderung des Gesetzes beizutragen."
    Lobbyisten waren zum Teil erfolgreich
    Der Vergleich des ursprünglichen Entwurfs der Ministerien und der vom Bundestag verabschiedeten Fassung zeigt tatsächlich: Die Lobbyisten des organisierten Sports waren zumindest zum Teil erfolgreich: Finden Ermittler bei Sportlern Mittel, dann müssen sie nachweisen, dass sich der Athlet auch wirklich damit dopen wollte. Außerdem wurde die sogenannte tätige Reue ins Gesetz aufgenommen: Kommt ein Athlet vor der Einnahme von Doping-Mitteln wieder von seinem Plan ab, dann hat er nichts zu befürchten.
    Und dennoch: Im Sport zeigt sich ein gemischtes Bild, auch unter aktiven Athleten. Einige Prominente, darunter Radrennfahrer Marcel Kittel, zeigten sich als Befürworter des staatlichen Anti-Doping-Kampfes sogar im Wortsinne öffentlich Schulter an Schulter mit Bundesjustizminister Maas. Sie sind Fans des Anti-Doping-Gesetzes.
    Für andere schafft das neue strenge Gesetz hingegen ein Klima der Angst, so auch für den Olympiasieger im Diskuswerfen, Robert Harting, der im Grundsatz ebenfalls für einen sauberen Sport ist. Er fürchtet jedoch nicht zuletzt, dass Athleten noch strenger als bisher beäugt und kontrolliert würden.
    DOSB-Präsident Alfons Hörmann
    DOSB-Präsident Alfons Hörmann (dpa / picture-alliance / Arne Dedert)
    "Die Angst sind einfach die noch engeren Rahmenbedingungen, die geschaffen werden, um einen Anti-Doping-Kampf zu legitimieren, der eigentlich an anderen Stellen vonstattengehen müsste. Weil man es da nicht schafft, versucht man es auf andere Ebene irgendwie zu deichseln. Das ist für mich der falsche Ansatz. International kommt man damit eigentlich nicht weit."
    Harting glaubt: Das Anti-Doping-Gesetz schadet dem Sport mehr als es ihm nützt. Der Deutsche Olympische Sportbund wiederum fürchtet vor allem Schadensersatzklagen, wenn ordentliche Gerichte nun in Konkurrenz treten zur Schiedsgerichtsbarkeit des Sports. Was, wenn die eigene Sportgerichtsbarkeit einen Athleten wegen Dopings sperrt, ihn anschließend aber ein staatliches Gericht freisprechen sollte? Athleten könnten Sportverbände und -veranstalter auf Wiedergutmachung verklagen. DOSB-Präsident Alfons Hörmann sagt zu dem neuen Anti-Doping-Gesetz zwar einerseits, dass ...
    "... alles, was den konsequenten Anti-Doping-Kampf in Deutschland, Europa und weltweit unterstützt von unserer Seite erst mal gründlich begrüßt wird."
    Nach dem diplomatischen Teil kritisiert Hörmann dann aber auch das Gesetz:
    "Die Sportler haben zu Recht angemerkt, dass es Konstellationen geben kann, die zu Unklarheit in Zukunft führen. Aber da gilt es ganz einfach: Man muss jetzt mit dem neuen System, mit dem neuen Gesetz vernünftig umgehen, muss sicherlich auch nach geraumer Zeit mal anschauen, was wird daraus."
    Gesetz soll evaluiert werden
    Tatsächlich soll das Gesetz nach einigen Jahren evaluiert werden, um festzustellen, ob das, was die Politik auf Papier beschlossen hat, auch in der Praxis funktioniert. Der DOSB-Präsident fragt sich schon jetzt vor allem eines:
    "Wie optimieren wir das Zusammenspiel zwischen Sportgerichtsbarkeit und der staatlichen? Damit es nicht eine Symbolgesetzgebung wird, die tendenziell dann zur Schwächung des Anti-Doping-Kampfs führt."
    Justizminister Maas kann die Sorgen des organisierten Sports nicht verstehen. Er sagt: Die Beweislast sei in den Verfahren doch so unterschiedlich, dass die Hürden für ordentliche Gerichte deutlich höher lägen als für die Sportgerichtsbarkeit.
    "Beim Sport muss der Athlet selber seine Unschuld beweisen. Vor einem staatlichen Gericht muss der Staat beweisen, dass sich jemand strafbar gemacht hat und sich einer Straftat schuldig gemacht hat. Wenn vor der Sportgerichtsbarkeit der Sportler seine Unschuld nicht belegen kann und die Dopingproben nicht entkräften oder nicht erklären kann, dann wird er mit einer Wettkampfsperre geahndet. Und wenn es vor Gericht der Staatsanwaltschaft nicht gelingt, zweifelsfrei den Beweis zu erbringen, dass jemand gedopt hat, dann wird jemand nicht verurteilt werden können. Wieso sich daraus ein Schadenersatzanspruch ergeben soll, ist mir nach wie vor ein Rätsel."
    Deutscher Anwaltsverein sieht Gesetz kritisch
    Allein: Auch der Deutsche Anwaltsverein steht dem Gesetz kritisch gegenüber, weil es eben doch Rechtsunsicherheit schaffen könnte. Ali B. Norouzi sitzt beim Anwaltsverein im Ausschuss für Strafrecht. Und genau hier will er den Anti-Doping-Kampf nicht verortet sehen.
    "Wenn ich Strafrecht einsetze, mache ich von der Ultima Ratio Gebrauch. Also vom äußersten Mittel, denn das Strafrecht ist ein Mittel, das schwer in Grundrechte eingreift. Um das zu legitimieren, brauche ich nun mal ganz wichtige Güter, um die es geht. Wie Leib und Leben, Vermögen oder auch so etwas wie die öffentliche Sicherheit im Straßenverkehr. Das können Güter sein, die den Einsatz von Strafrecht rechtfertigen. Aber Sport bleibt nun zwar die schönste – aber bleibt eine Nebensache."
    Und als solche sollte sich nicht der Staat, sondern sollten sich die Sportverbände um den Anti-Doping-Kampf kümmern, mahnt Norouzi. Doch selbst wenn man zu der Auffassung gelangen sollte, dass der Anti-Doping-Kampf eine staatliche Aufgabe sei: Staatsanwälte könnten von sich aus kaum etwas ausrichten.
    "Im Übrigen darf sich da keinen Illusionen hingeben: Allein, dass ein Verhalten strafbewährt ist, heißt nicht, dass der Staat da besser aufklären kann. Auch der Staatsanwalt braucht einen Anfangsverdacht, ehe er ermitteln kann. Und diesen Anfangsverdacht kann er nicht sich selbst schaffen. Diesen Anfangsverdacht hat er auch erst bei einem positiven Dopingbefund."
    Das neue Gesetz sei deshalb nicht viel mehr als Symbolpolitik, meint der Strafrechtler. Auch im Bundestag sind nicht alle begeistert vom neuen Gesetz. Die Grünen haben der Großen Koalition ihre Zustimmung versagt, denn das Gesetz kriminalisiere den einzelnen Sportler.
    Opposition ist gegen das Gesetz
    Özcan Mutlu, der sportpolitische Sprecher der Grünen, sagt das ganz offen: Das Anti-Doping-Gesetz passt nicht in die Parteilinie der Grünen, die auf Selbstbestimmung beim Drogen-Konsum setzt. Auch Sportler sollten selbst entscheiden können, welche Mittel sie in ihre Körper pumpen wollen und welche nicht:
    "Wir können nicht auf der einen Seite für die Legalisierung von Cannabis einstehen und auf der anderen Seite den Besitz von leistungssteigernden Mitteln gleich unter Strafe stellen. Das ist einfach ein Widerspruch in sich. Und deshalb finden wir: Das Recht auf Selbstschädigung eines Menschen – egal ob er Leistungssportler ist oder nicht –, das hat er und da kann man nicht mit Gesetz dem irgendwie das Ganze verbieten."
    Auch die Linke stimmte nicht zu. Ihr geht das Gesetz wiederum nicht weit genug. Für einen erstgemeinten Anti-Doping-Kampf würden entscheidende Passagen fehlen, sagt der sportpolitische Sprecher André Hahn:
    "Es fehlen ganz wichtige Punkte. Zum Beispiel der Approbationsentzug für Ärzte, die sich an Doping beteiligen. Es fehlt eine Schutzklausel für Whistleblower, die also Hintermänner aufdecken, die Strukturen aufdecken und dafür straffrei bleiben oder weniger bestraft werden. Es fehlt ein Präventionsansatz, der das staatlicherseits unterstützt, dass aufgeklärt wird. Deshalb ist das Gesetz ja insofern ein richtiger Schritt, aber es löst die Probleme nicht wirklich, weil man entscheidende Fragen ausgeklammert hat. Die Koalition hat sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt."
    Auch Kriminologe Rössner sieht Schwächen im neuen Gesetz – und Risiken für die Athleten, etwa dann, wenn ihnen jemand Doping-Mittel unterschieben möchte. Dass nun aber ein einzelnes Gesetz die Verantwortung vor allem bei den Athleten sieht, dürfte auch der Prävention dienen: Sportler würden nun abgeschreckt und – so die Hoffnung - von Dopinghandlungen Abstand nehmen.
    Kriminologe sieht Fortschritt durch das Gesetz
    Rössner kennt das Problem aus der Praxis als Verteidiger. Sein Mandant: der Radprofi Stefan Schumacher, ein Präzedenzfall, der erste Strafprozess gegen einen Doping-Sünder in Deutschland. Und ein Beleg dafür, dass die alte Gesetzgebung nicht reichte, um überführte Doper zu bestrafen. Der Vorwurf im Fall Schumacher war Betrug, nicht Doping. Schumacher soll seinen Arbeitgeber getäuscht haben. Doch das Gericht sprach ihn frei – es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Schumachers Teamchef wusste, dass sich sein Fahrer dopte. Der Sportler - kein Einzeltäter.
    Der deutsche Radrennfahrer Stefan Schumacher, am 18.04.2013 im Landgericht in Stuttgart
    Der deutsche Radrennfahrer Stefan Schumacher, am 18.04.2013 im Landgericht in Stuttgart (picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt)
    "Und dann ist der normale Betrug weg, denn es gibt keinen, der täuscht, und es gibt keinen, der einen Irrtum hat. Alle wissen Bescheid. Das ist so in korrupten Strukturen. Es hätte aber gegriffen, wenn es ein Tatbestand des Eigendopings, des verbotenen, bei Spitzensportlern gegeben hätte, wie jetzt im neuen Anti-Doping-Gesetz. Denn dann ist die Komponente raus, dass irgendjemand anderes dabei, der eh unter einer Decke steckt, betrogen wird. Es geht allein um den Fahrer, seine Verantwortung, seine Verantwortung gegenüber den Werten des Sports."
    Der Sport würde all das lieber alleine regeln. Ohnehin redet der lieber über Positives: Medaillen, Erfolge, Werte. Über Doping, die Skandale des Sports, ungern. Dass sich der Staat in ihre Angelegenheiten einmischt, wollen Sportverbände wie der DOSB nicht. Sie wollen lieber eine Art Staat im Staat.
    Politisches Klima hat sich gewandelt
    Das politische Klima hat sich allerdings in den vergangenen Jahren stark gewandelt: die Doping-Affären im Radsport, die Dopingskandale in der internationalen Leichtathletik, dazu korrupte Funktionäre. Justizminister Maas will den Sport nicht mehr bevorzugen, auch nicht vor Gericht.
    "Wir haben eine Grundsatzentscheidung getroffen. Heute kann jemand strafrechtlich verfolgt werden, der einen Betrug zum Schaden eines Dritten begeht und jemanden um tausend Euro prellt. Beim Sport geht es um Millionenbeträge, um Preisgelder, die deutlich darüber liegen, um Millionen-Werbeverträge. Das ist nichts anderes als Betrug, wenn jemand Dopingmittel nimmt und dadurch einen Wettbewerb gewinnt und andere, die sich ehrlich verhalten, haben nicht die Möglichkeit zu gewinnen, weil sie mit diesen Leistungen nicht mehr mithalten können. Denen entgehen viel größere Beträge."
    Der Sport ist längst nicht mehr nur die schönste Nebensache der Welt. Hier werden Milliarden umgesetzt. Und dieses Milliarden-Business hat massive Probleme. Das ist inzwischen allen aufgegangen, auch den Sportpolitikern. Viele von ihnen sind selbst Verbandsfunktionäre und damit Teil der Sportfamilie. In Berlin treten sie traditionell eher als Lobbyisten des Sports auf. Doch mit dem Anti-Doping-Gesetz haben sie sich zumindest zum Teil emanzipiert. Auch die Vorsitzende des Sportausschusses Freitag, die zugleich Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik Verbandes ist.
    "Ich denke, es muss einfach nach 20 Jahren Diskussion deutlich werden: Jeder hat seine Aufgabe. Und der Gesetzgeber hat die Aufgabe, Gesetze zu machen."
    Der Sport muss sich nun damit arrangieren, dass Deutschland im Anti-Doping-Kampf in die Offensive geht und dem Sport nicht mehr völlig freie Hand lässt. Unterdessen deutet sich sogar schon ein zweites Strafgesetz speziell für den Sport an: Die Politik diskutiert ein Gesetz gegen den Betrug im Sport. Es würde das Anti-Doping-Gesetz ergänzen. Und auch hier ist eine politische Mehrheit bereits absehbar.