Die Büchse der Pandora soll erst Montagfrüh geöffnet werden. Dann stellt die Reformkommission der UCI ihren Bericht über die Dopingvergangenheit im Radsport vor. Mehr als zwölf Monate lang untersuchte die Kommission Dopingvorfälle seit dem 1. Januar 1998. Doch die erste Prise schlechter Luft gibt es schon vorab. Servais Knaven, sportlicher Leiter von Team Sky, war offenbar als Profi des TVM-Rennstalls mindestens 1998 ein eifriger Epo-Kunde. Das ist pikant. Denn Team Sky behauptet eine Nulltoleranzpolitik gegenüber Doping.
Die Mannschaft der Toursieger Bradley Wiggins und Chris Froome trennte sich in der Vergangenheit immerhin vom Doping belasteten Teamarzt Geert Leinders und von den sportlichen Leitern Steven De Jongh und Bobby Julich. Sie gestanden Doping ein. Die Trennung von Knaven verpasste das Team bei dieser Gelegenheit. Noch heute stellt sich Sky-Boss David Brailsford vor seinen Angestellten. Der sei "weiterhin ein geschätztes Teammitglied, das in den letzten fünf Jahren einen wichtigen Part bei den Erfolgen von Team Sky gespielt" habe, erklärte er in einer Pressemitteilung. Er behauptet: "Es wurde niemals Anklage gegen Servais erhoben."
Keine Anklage, aber positiver Test
Anklagt wegen Doping war Knaven tatsächlich nicht. Das lag aber nur daran, dass die französische Richterin Odile Madrolle in einem Prozess gegen den Rennstall TVM die Fahrer lediglich als Zeugen vernahm. Auslöser war im März 1998 ein Fund des französischen Zolls von 104 Ampullen Epo in einem Teamfahrzeug von TVM. Im Juli, während der Tour de France, wurden Fahrer und Betreuer von TVM verhaftet. Ihnen wurde Blut und Urin abgenommen. Die Analysen wiesen bei allen Fahrern Spuren von Wachstumshormon und Kortekoiden auf. Zum Tourteam gehörten auch Knaven sowie der später geständige De Jongh. Bei vier Fahrern wurde Epo festgestellt. Unter ihnen war ebenfalls der aktuelle Sky-Mitarbeiter Knaven.
Dass so eine Analyse schon drei Jahre vor der offiziellen Einführung des Epo-Testverfahrens und gar dreizehn Jahre vor dem Verfahren für Wachstumshormon möglich war, ist der Courage der Richterin und der Kenntnis der Ärztin Francoise Bressolle zu verdanken. Sie stellte bereits 1996 eine Studie zu Epo und anderen Dopingmitteln bei Ausdauersportarten vor. Hätten die Sportverbände zu diesem Zeitpunkt Kontrollen auf Epo und Wachstumshormon durchgeführt, sähen die Ergebnislisten vieler Sportarten wohl ganz anders aus.
Bestrebungen, sauber zu werden
Der Radsport wenigstens räumt mittlerweile auf. Der für Montag erwartete Kommissionsbericht sollte weitere Details offenbaren. Ob dies Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Betreuerstäbe der Rennställe hat, bleibt abzuwarten. Wer vor der Kommission aussagte, durfte mit Straferlass rechnen.
Der Fall Knaven ist übrigens auch für den deutschen Radsport relevant. Trotz des Gerichtsverfahrens gegen TVM, das 2001 mit der Verurteilung dreier Betreuer zu Ende ging, wurde der Epo-positive Knaven als Fahrer von T-Mobile und dessen Nachfolgerennstall Highroad sowie Team Milram angeheuert. Bei Milram war Knaven sogar in der sportlichen Leitung tätig. Entschlossene Schritte zum Verlassen einer Dopingkultur sehen anders aus.