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Anti-IS-Einsatz der Bundeswehr
"Ein alleiniger Eingriff in Syrien reicht nicht aus"

Der außen- und verteidigungspolitische Experte der Unionsfraktion Roderich Kiesewetter hat im Deutschlandfunk den Einsatz von Tornado-Aufklärungsflugzeugen in Syrien als "sehr wichtig" bezeichnet. Zudem forderte er eine Verstärkung des deutschen Engagements im Irak: "Wir dürfen nicht Syrien isoliert betrachten."

Roderich Kiesewetter im Gespräch mit Peter Kapern |
    Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter
    Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter rief im DLF dazu auf, das deutsche Engagement im Irak auszubauen, "denn 60 Prozent von IS und auch der von IS betroffenen Bevölkerung lebt im Irak." (picture-alliance/ dpa / Stephanie Pilick)
    Peter Kapern: Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Wir sind Frankreich etwas schuldig, sagt Vizekanzler Sigmar Gabriel und erinnert an den Beistand, den Frankreich der Bundesrepublik in den Zeiten des Kalten Krieges geleistet hat. Deshalb soll die Bundeswehr jetzt verstärkt in den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat ziehen. Aber welche Anforderungen genau kommen da auf Deutschland zu und welche davon kann die Bundeswehr erfüllen?
    Mitgehört hat Roderich Kiesewetter, der außen- und verteidigungspolitische Experte der Unionsfraktion. Guten Tag, Herr Kiesewetter.
    Roderich Kiesewetter: Ich grüße Sie, Herr Kapern.
    Kapern: Wir haben es ja gerade schon in dem Beitrag meines Kollegen gehört. Von einer Beschränkung auf Aufklärungsflüge über Syrien halten Sie gar nicht so viel. Die deutschen Flugzeuge sollen, können auch mit Raketen ausgestattet werden. Warum dies?
    "Wir brauchen einen klaren politischen Prozess"
    Kiesewetter: Nein. Ich denke zunächst einmal, wir brauchen einen klaren politischen Prozess und der muss militärisch unterstützt werden, und ich halte schon den Vorschlag von Aufklärungstornados für sehr wichtig, weil wir zusätzlich Daten für Frankreich liefern. Ich kann mir auch Unterstützung im Bereich der Luftbetankung vorstellen oder auch Satellitenaufklärung.
    Was ich angesprochen habe: Es gibt auch Tornados, die die feindlichen Luftabwehrstellungen bekämpfen. Das können sie einerseits mit Jamming, also richtig mit elektronischen Gegenmaßnahmen. Sie können auch über Raketen zerstört werden. Darüber müssen wir diskutieren. Eines muss klar sein: Ein alleiniger Eingriff in Syrien reicht nicht aus. Deutschland ist im Irak engagiert. Das müssen wir ausbauen, denn 60 Prozent von IS und auch der von IS betroffenen Bevölkerung lebt im Irak. Wir dürfen nicht Syrien isoliert betrachten.
    Kapern: Aber trotzdem stellt sich die Frage: Warum geht die deutsche Politik so, sagen wir mal, mit spitzen Fingern an die Frage heran, ob die Bundeswehr, die Bundesluftwaffe auch mit Bomben und Raketen gegen IS-Stellungen vorgehen soll? Warum stellt sich diese Frage überhaupt?
    Kiesewetter: Für uns ist das auch ein Punkt, dass wir noch nicht konkret vom Terror angegriffen wurden und wir natürlich Solidarität zeigen mit Frankreich. Ich denke, dass der Artikel 51 des VN-Vertrages dort schon sehr viel bietet und auch die UN-Resolution 2249, aber wir sind in unserem Verfassungsrecht auch darauf angewiesen, nicht nur ein Parlamentsmandat zu haben, was sehr richtig ist in dem Falle, sondern wir haben keine Einladung der syrischen Regierung vorliegen, aber jetzt eine Aufforderung, Frankreich zu unterstützen, und wir sind noch nicht angegriffen worden.
    Frankreich und auch Kanada oder USA sehen die kollektive Selbstverteidigung oder auch die individuelle Selbstverteidigung im Vordergrund. Wir sind noch nicht angegriffen und wir müssen jetzt unsere Partner unterstützen, weil diese angegriffen wurden. Deswegen hat es bei uns etwas länger gedauert.
    Kapern: Aber, Herr Kiesewetter, da muss ich doch noch mal einhaken.
    Kiesewetter: Gerne.
    Kapern: Da ist so oft die Rede von der Wertegemeinschaft Europas. Nach den Anschlägen von Paris war die Rede davon, dass diese Angriffe dort ganz Europa, uns allen hier gegolten hätten.
    Kiesewetter: Richtig.
    "Wir müssen Frankreich intensiver unterstützen"
    Kapern: Und jetzt sagen Sie, weil wir selbst noch nicht angegriffen worden sind, halten wir uns da vornehm zurück.
    Kiesewetter: Wir halten uns nicht vornehm zurück, sondern wir sind ja sehr stark engagiert, beispielsweise bei UNIFIL vor der Küste Libanons, in Mali zunehmend, und wir sind sehr intensiv engagiert im Irak. Und ich habe bereits im Sommer sehr deutlich angesprochen, dass ich mir sehr gut den Einsatz von Aufklärungstornados vorstellen könnte, weil wir unsere Bündnispartner nicht alleine lassen können. Aber das ist ein sehr langwieriger Prozess, der jetzt leider durch die entsetzlichen Terroranschläge beschleunigt wurde.
    Ich halte es für sinnvoll, dass sich Deutschland einbringt, und hier haben wir auch einiges zu bieten. Ein paar Punkte habe ich eben genannt. Und ich glaube, dass wir hier eine sehr fruchtbare Diskussion auch im Bundestag bekommen. Aber darüber entscheiden auch wir Parlamentarier und wir sind auch sehr gespannt, was die Bundesregierung vorschlägt. Für uns ist wichtig, ganz konkret Frankreich zu unterstützen, und das kann auch mehr sein, aber wir brauchen dazu auch Mehrheiten im Bundestag.
    Kapern: Wir müssen aber diese fruchtbare Diskussion jetzt auch hier im Deutschlandfunk führen. Warum kann Dänemark IS-Stellungen bombardieren und Deutschland nicht?
    Kiesewetter: Natürlich könnte Deutschland das auch. Nur wir haben das bisher in der politischen Diskussion ausgeschlossen. Jetzt haben wir ein konkretes Hilfeersuchen Frankreichs und ich denke, dass wir Frankreich intensiver unterstützen müssen. Das ist eben sehr deutlich vom Wehrbeauftragten angesprochen worden, aber auch von unserer Bundeskanzlerin.
    "Politisches Konzept ist genauso wichtig wie die Bekämpfung des IS"
    Ich plädiere dafür und wir Deutschen haben ja da auch Verdienste. Aber wir brauchen ein politisches Konzept, was gerade in Wien verhandelt wird. Ein übergreifendes politisches Konzept ist genauso wichtig wie die Bekämpfung des IS, denn wir sehen, wie gefährlich es ist, wenn unterschiedliche Kräfte eingreifen, die unkoordiniert sind. Ein Einsatz sollte koordiniert werden.
    Kapern: Herr Kiesewetter, direkt neben meinem Studio, da ist die Nachrichtenredaktion und die Kollegen, die dort drüben arbeiten, die hören jetzt unser Interview. Die würden sich freuen, wenn sie gleich eine ganz deutliche Meldung schreiben könnten des Inhalts, Roderich Kiesewetter spricht sich für den Einsatz der Bundesluftwaffe auch mit Bomben und Raketen über dem Irak aus. Können die das machen oder nicht? Ich habe das immer noch nicht verstanden.
    Kiesewetter: Nein, das möchte ich auch nicht. Wir Deutschen wollen zum politischen Prozess beitragen und mit den Fähigkeiten, die andere in der Weise nicht haben, wie zum Beispiel Aufklärung und Luftbetankung. Ich sehe im Moment überhaupt keine Mehrheit bei uns im Bundestag, dies zu machen. Ich selbst werde ja auch angegriffen wegen meiner Forderung, Tornados einzusetzen, die feindliche Luftabwehrstellungen bekämpfen. Soweit sollten wir schon gehen, weil natürlich wir auch die Lufthoheit brauchen über Syrien und entsprechend uns einsetzen müssen.
    Aber ich möchte, dass das breit parlamentarisch getragen wird, und da werden wir auf einen kleinen gemeinsamen, aber wichtigen Nenner kommen. Und ich kann mir sehr gut vorstellen Aufklärungstornados, Luftbetankung, Satellitenaufklärung und noch vieles mehr und auch ein verstärktes Engagement zur Unterstützung der Peschmerga. Ich kann mir auch vorstellen, dass diese mit Marder-Schützenpanzern ausgestattet werden. Das ist technisch leistbar. In diese Richtung muss es gehen.
    Unterstützung im Kampf gegen den Terror könnte zu IS-Anschlägen führen
    Aber ich bin kein Bellizist und ich möchte, dass die Einsätze unserer Soldaten breit parlamentarisch getragen werden, denn sobald wir Frankreich im Kampf gegen den Terror in Syrien unterstützen, geraten wir in den Fokus des islamistischen Terrors und auch darauf müssen wir uns einstellen, dass wir womöglich von IS auch mit Anschlägen rechnen müssen. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
    Kapern: Was sieht denn der Nicht-Bellizist Roderich Kiesewetter auf die Bundeswehr in Nordmali zukommen?
    Kiesewetter: Nun, dort ist ja bereits sehr konkret in Aussicht gestellt, dass wir die Niederländer unterstützen in einem Kampfeinsatz gegen die Aufständischen. Wie dann im Einzelnen die Truppe aufgestellt sein wird, ist noch offen, aber es handelt sich um 650 Soldatinnen und Soldaten. Das wird in der Stärke eines verstärkten Bataillons sein. Das können Spezialkräfte sein. In jedem Fall muss Aufklärung und eine Sicherungskomponente und Sanität mit dabei sein. Sanitätsdienstliche Unterstützung ist wichtig, damit die Soldaten auch mit vollem Einsatz dort sich engagieren können.
    Aber auch dort wird es sich um einen Kampfeinsatz handeln gegen Islamisten, gegen Aufständische und welche, die Menschenschlepperei und Terror verbreiten, und dagegen müssen wir uns wehren. Das ist ein breiter Krisenbogen, gegen den wir vorgehen müssen. Ansonsten werden wir die Fluchtursachen nicht bekämpfen und ansonsten werden wir mit noch mehr Flüchtlingen rechnen müssen.
    "Wir dürfen nicht die Fehler von Afghanistan wiederholen"
    Kapern: Ist der Einsatz in Nordmali mit dem in Afghanistan zu vergleichen, wie das ja schon angeklungen ist in Stellungnahmen?
    Kiesewetter: Ich denke, es ist in Teilen vergleichbar, weil es sich um einen Angriff handelt. Damals hat El-Kaida angegriffen und wir haben das als Schutzmacht gegen die damaligen Taliban in Afghanistan gesehen. Jetzt greift IS an. Man könnte hier das syrische Regime als entsprechenden Staat sehen. Da gibt es schon Vergleichbarkeiten.
    Aber wir dürfen nicht die Fehler von Afghanistan wiederholen, sondern müssen von Anfang an sagen, dass es sich hier nicht um einen friedlichen Wiederaufbau handelt, sondern um ganz aktive und heftige Terrorismusbekämpfung und auch die Chance, dass diese Region politisch ein Format findet, vergleichbar wie wir im Kalten Krieg eine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit hatten. Die ersten Pflanzen sind in Wien gesetzt, aber das muss in die Region und aus der Region letztlich verantwortet werden. Auch Bodentruppen können nur aus der Region kommen, weil wir die regionale Verantwortung brauchen.
    Kapern: ... sagt der außen- und verteidigungspolitische Experte der Unionsfraktion, Roderich Kiesewetter heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Kiesewetter, danke, dass Sie Zeit für uns hatten. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
    Kiesewetter: Ihnen auch! Auf Wiederhören, Herr Kapern.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.