Vier Männer und eine Frau streben in schwarzen Business-Anzügen über die London Bridge auf die Bankentürme und Versicherungsbüros der Londoner City zu, so wie zahllose andere Pendler auch an diesem Morgen. Drei der fünf tragen im strömenden Regen einen Panamahut, ihre Gesichter verbergen sie komplett unter weißen Nylonmasken. Das Ganze ist eine Performance der entwicklungspolitischen Lobbyorganisation "ONE" unmittelbar vor dem Anti-Korruptionsgipfel.
"Wir wollen auf die anonymen Scheinfirmen aufmerksam machen", erläutert Saira O‘Maillie. "Die britischen Überseegebiete, allen voran die Jungferninseln, beherbergen alleine die Hälfte dieser Firmen. Wir wissen nichts darüber, wem sie gehören oder woher das Geld kommt, das durch die Firmen gespeist wird. Die Leute denken, Korruption spielt sich in fernen Ländern ab. Aber eine Menge wird von hier aus unterstützt, aus dem Herzen von London heraus."
Die Öffentlichkeit soll über öffentliche Register Einsicht nehmen können, wer sich wo auf welcher Insel mit welcher Firma niedergelassen hat – Journalisten und engagierte Bürger sollen Einblick in die Register erhalten und Verdachtsfälle melden können . Dagegen sperren sich die meisten Steueroasen – bis zuletzt war unklar, wer von den Überseeterritorien überhaupt den Weg nach London findet. Die Lust, dort an den Pranger gestellt zu werden, hält sich in engen Grenzen.
David Cameron prangert dafür Nigeria und Afghanistan als höchst korrupte Länder an – bei einem Empfang der Queen. Das, was Cameron der Queen beiläufig sagt, wird von einem Mikrofon eingefangen und macht sofort die Runde. Der Premier sagt wörtlich: "Wir haben die Führer von einigen fantastisch korrupten Ländern hier in Großbritannien dabei, Nigeria und Afghanistan, die beiden vielleicht korruptesten Länder der Welt."
Fantastisch korrupte Länder – die Wortwahl ist nicht unbedingt klug gewählt von David Cameron. Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, wirft noch gegenüber der Queen ein, dass sich die beiden Regierungschefs von Nigeria und Afghanistan doch ernsthaft gegen eben diese Korruption in ihren Ländern stemmten. Cameron selbst musste unlängst leicht zerknirscht zugeben, dass er Anteile aus einem ausgerechnet auf Panama gegründeten Treuhandfonds seines Vaters besaß. Genau von solchen verdeckten Fonds und Stiftungen soll jetzt der Schleier genommen werden.
"Die Veröffentlichung der Panama Papers mit ihren 11,5 Millionen Dateien zeigt die wahren Fähigkeiten des Finanzsystems", meint Shruti Shah, Vize-Direktorin von Transparency USA. "Etwa wie einfach es ist, die Identität von Leuten zu verbergen, um Scheinfirmen zu benutzen. Oftmals werden sie von einem Netzwerk von Bankern, Unternehmensberater und anderen Anwälten unterstützt."
Steueroasen setzen sich zur Wehr
Gegen zu viele Veröffentlichungspflichten setzen sich die Steueroasen aber zur Wehr. Einige britische Überseegebiete sind bereit, mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, ein öffentliches Register und automatische Meldepflichten lehnen sie weiterhin ab.
"Korruption ist wie eine Fäulnis und unterminiert ganze Volkswirtschaften", beschreibt Nick Dyer das Problem. Dyer ist Generaldirektor im britischen Entwicklungsministerium. "Seit 25 Jahren versuche ich gegen Korruption in den Entwicklungs- und Schwellenländern vorzugehen. Hilfe und Gelder aus dem Westen alleine lösen das Problem nicht."
Die Regierungen müssen selbst aktiv gegen Korruption vorgehen, heißt das. Für David Cameron, den Gastgeber, aber ist es ein Problem, wenn Gelder aus armen Ländern ausgerechnet in britischen Krongebieten versteckt und gewaschen werden.
"Das ist knifflig für Cameron", gibt Saira O‘Maillie beim Happening an der London Bridge zu. "Aber er muss Mut zum Handeln zeigen. Er führt den Kampf gegen Korruption an, das ist phantastisch. Es geht um einen entscheidenden Punkt, er muss sich dafür einfach einsetzen."