Lewis Hamilton gewinnt den Großen Preis von Ungarn und führt damit auch wieder die Fahrerwertung an. Vor dem Rennen hatte der britische Formel-1-Pilot – wie auch schon bei den ersten beiden Grand Prixs in Österreich – ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt und sich vor der Nationalhymne hingekniet.
Wie auch in den letzten Wochen sind einige Fahrer, darunter Sebastian Vettel, seinem Beispiel gefolgt – der Großteil des Feldes blieb aber stehen. Die Reaktionen auf Social Media waren dementsprechend gemischt: Der eine Teil der Fan-Gemeinde kritisierte die Fahrer, die sich nicht mit Hamilton solidarisierten, der andere Teil kritisierte Hamilton für seinen Protest. Politik habe im Sport nichts zu suchen, hieß es immer wieder.
Manche Sportler können es sich leisten, unpolitisch zu sein
Thilo Kunkel, der als Professor für Marketing und Sportmanagement an der Temple University in Philadelphia lehrt, sieht das anders: Wie politisch sich Sportler präsentieren können, hänge immer auch von ihrer Zielgruppe ab, sagte er im Dlf. Oder anders herum: "Sportler können es sich leisten, unpolitisch zu sein, wenn ihre Zielgruppe unpolitisch ist", sagt Kunkel.
Das lasse sich derzeit gut an den Protesten im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung beobachten: So sei zum Beispiel die US-amerikanische Hockey-Liga NHL weiß dominiert, erklärt Kunkel, "und die Zielgruppe, die Fans, sind demzufolge auch weiß". Dementsprechend habe es viele NHL-Spieler gegeben, die sich im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung nicht geäußert hätten.
In Sportarten wiederum, die von Schwarzen Sportlern und Sportlerinnen dominiert werden, sei es dagegen schwer für Sportler, sich in dieser Frage nicht zu äußern, so die Beobachtung von Kunkel, da die Fans "großen sozialen Druck" ausübten. Für den Sportler werde es also schwer, sich zu bestimmten Fragen nicht zu äußern, "wenn der soziale Zirkel sich aktiv damit beschäftigt".
Aktivismus für Herzensangelegenzeiten
Dass Hamilton mit seinem Protest seiner Marke generell schadet, weil er sich in einer eher weiß dominierten Sportart bewegt, glaubt Kunkel jedoch nicht. Er schade seiner Marke eventuell in Bezug auf eine bestimmte Zielgruppe, andererseits schärfe er mit seinen Protesten auch sein Profil: "Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit für den Sportler, dass er sich wirklich einzigartig positioniert, dadurch auch noch weiter aus der grauen Msse hervorsticht und demzufolge seine Marke eigentlich noch aktiver entwickeln kann." Was ihn wiederum für Sponsoren attraktiv machen könnte, die gezielt bestimmte Zielgruppen ansprechen wollen.
Für was sich ein Sportler öffentlich einsetzt, kommt aus der Sicht von Thilo Kunkel immer auch auf dessen Persönlichkeit an: "Ich denke, es macht für alle Sportler und Sportlerinnen Sinn, ihre Plattformen zu nutzen für Aktivitäten und Aktivismus, der ihnen am Herzen liegt." So wie es zum Beispiel auch die Fußballprofis Joshua Kimmich und Leon Goretzka mit ihrer Initiative "We Kick Corona" getan hätten.