Dutzende maskierte und in weiß gekleidete Männer stürmen durch die U-Bahn-Station Yuen Long im Norden der Sonderverwaltungsregion Hongkong. Mit Schlagstöcken und anderen Gegenständen dreschen sie auf Passanten ein. Mindestens 45 Menschen werden verletzt, einige von ihnen schwer. Zahlreiche Handy-Videos von der Schlägerattacke kursieren seit dem Vorfall am Sonntagabend im Netz.
"Das war wirklich gruselig", erzählt eines der Opfer der Attacke, der 23-jährige Calvin So einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters.
"Die haben mich angegriffen mit Stöcken und Ruten. Hier auf meinem Rücken, alles ist voller Blutergüsse und Prellungen. Ich hatte einfach nur Angst."
"Die haben mich angegriffen mit Stöcken und Ruten. Hier auf meinem Rücken, alles ist voller Blutergüsse und Prellungen. Ich hatte einfach nur Angst."
Die meisten der angegriffenen U-Bahn-Passagiere kamen gerade von einer Anti-Regierungs-Demo im Hongkonger Stadtzentrum. Viele aus dem pro-demokratischen Lager der Stadt sind davon überzeugt, dass die chinesische Staats- und Parteiführung und die pekingfreundliche Hongkonger Regierung hinter der brutalen Prügel-Attacke stecken. Ins Bild passt, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen Hongkongs Aufnahmen zeigte, auf denen einige der mutmaßlichen Schläger im lockeren Gespräch mit Polizisten zu sehen waren.
Mehrere Festnahmen nach Gewalt an U-Bahnstation
Anfang der Woche nahmen Ermittler sechs Verdächtige fest. Einige von ihnen hätten Verbindungen zur Hongkonger Mafia, erklärte die Polizei. Für pro-demokratische Aktivisten in Hongkong ist das ein weiterer Hinweis darauf, dass die Regierung für den Angriff verantwortlich ist, oder ihn zumindest geduldet hat.
"Diese Verbindungen und Netzwerke bestehen seit mehreren Jahrzehnten"
"Diese Verbindungen und Netzwerke bestehen seit mehreren Jahrzehnten"
Tatsächlich sei es kein Geheimnis, dass Chinas Staats- und Parteiführung in Hongkong mit Gruppen aus dem Umfeld des Organisierten Verbrechens zusammenarbeite, sagt Wissenschaftler Adam Ni. Er ist China-Sicherheits-Experte an der Macquarie-Universität in Sydney.
"Diese Verbindungen und Netzwerke bestehen seit mehreren Jahrzehnten. Die Führung in Peking hat sie noch zu britischen Kolonialzeiten aufgebaut, und zwar, um Einfluss auf Hongkong zu nehmen."
Die pro-festlandchinesische Hongkonger Regierung hat jegliche Verbindungen zum Schläger-Trupp an der Haltestelle Yuen Long zurückgewiesen. Regierungschefin Carrie Lam:
"Jeder Vorwurf, dass unsere Regierung oder unsere Polizei irgendetwas mit den Angreifern zu tun habe, ist völlig unbegründet."
Neuer Aufruf zu pro-demokratischen Protesten
Der pro-demokratische Hongkonger Abgeordnete Eddy Chu hält das für eine Lüge. Im öffentlich-rechtlichen Sender RTHK sagte er:
"Viele autoritäre Regime wenden solche Terror-Taktiken an. Sie verbreiten Angst und Schrecken in der Bevölkerung, damit diese die Regierung dann unterstützt. Wir erleben das in Russland, der Ukraine und auch in Festlandchina."
Der China-Sicherheits-Forscher Adam Ni teilt diese These. Ausbrüche von Gewalt in Hongkong, wie der an der Haltestelle Yuen Long, nutzten stimmungsmäßig letztlich der chinesischen Führung:
"Die Staats- und Parteiführung beschreibt die Gewalt als etwas, das direkt ausgelöst wurde durch die Proteste. Sie will damit sowohl in Hongkong als auch in Festlandchina ein gewisse Bild vermitteln, nach dem Motto: Die Proteste sorgen immer für Chaos."
Für Samstag haben pro-demokratische Gruppen zu einer Demo an der fraglichen U-Bahn-Station aufgerufen. Das Motto der Protestaktion: "Wir holen uns Yuen Long zurück".