"Funkengarde! Ausschwärmen zum Bützen!"
Eine letzte Probe vor dem Ernstfall: In ihrem Hauptquartier, einem Luftschutzbunker im Hannoveraner Stadtteil Döhren, marschiert die Funkengarde. Wir sind zu Gast bei der Funkenartillerie Blau-Weiss, Batterie Süd. Seit Wochen probieren sie hier unter rustikalem Fachwerk. An den Betonwänden ringsum: Wappen und Standarten, die geschneiderten Leibchen der Gardemädchen, eine Ahnengalerie der Tollitäten seit dem Gründungsjahr 1888.
"Wir werden ja eines machen, wir werden ja ins Rathaus einziehen. So wie wir es traditionell bisher gemacht haben. Wir werden uns den Stadtschlüssel vom Oberbürgermeister holen..."
Sagt Joachim Meyer traurig. Und der Vizepräsident des Karnevalskomitees bemüht sich jetzt um einen besonders entschlossenen Gesichtsausdruck. Eigentlich wollten die Narren die fünfte Jahreszeit mit einem Zug durch die Innenstadt eröffnen. Geplant war auch ein Tanzspektakel vor dem Hauptbahnhof. Meyer sagt: Es wird nun anders kommen. Fast alles ist abgesagt, weil am Sonnabend auch gewaltbereite Hooligans in der Stadt erwartet werden:
"Sicher hat unser Brauchtum einen hohen Stellenwert in unsrem Denken. Aber die Sicherheit geht auf jeden Fall vor. Am meisten leid tun mir die Mädels, die sich hingesetzt habe, eine Choreografie erarbeitet haben, und gesagt haben: Wir wollen mal was ganz anderes machen! Dem Bürger zu zeigen: Guckt mal, wir haben Spaß am Leben, Spaß am Karneval! Ist das nicht auch was für Euch?!"
"Bunt statt Braun" in ganz Hannover
Ihren "Bützentanz" werden die Blau-Weissen nun nicht dem Volk darbieten. Doch den Schlüssel zur Stadt, den fordern sie. Allerdings wird Stefan Schostock nicht zugegen sein, wenn die Karnevalisten am frühen Sonnabend das Rathaus stürmen. Hannovers Oberbürgermeister von der SPD will dann stattdessen auf der größten von 17 bislang angemeldeten Gegenkundgebungen sprechen. Auch CDU, Grüne, FDP und Linke rufen dazu auf. Kirchen und Gewerkschaften machen mit im Bündnis für Vielfalt und ein respektvolles Miteinander. "Bunt statt Braun" liest der Bürger in diesen Tagen auf wehenden Bannern überall in der Messestadt. Schostock hat das Credo der Demokraten flaggen lassen:
"Wir wollen damit deutlich machen, dass wir keinen Platz sehen für Rassismus, keinen Platz für Gewalt. Weil wir sagen, wir wollen den nationalsozialistischen Nachfolgeorganisationen und denen, die sich rechtsextremistisch betätigen, hier keinen Platz in Hannover geben. Wir machen das mit großem Stolz!"
Volker Kluwe wollte die Hooligan-Demonstration gänzlich verbieten, was Hannovers Polizeipräsident damit begründet, dass die Organisatoren des Aufmarsches in Hannover dieselben seien wie Ende Oktober in Köln. In der Domstadt hatten sich vor zwei Wochen mehr als 4000 Hooligans brutale Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert:
"Wir gehen davon aus, dass ähnlich wie in Köln am 26. Oktober, circa 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch hierher reisen würden. Mit einer sehr niedrigen Provokationstoleranz. Das hat uns Köln gezeigt, als unbeteiligte Bürger provoziert haben – und es daraufhin sofort zu exzessiven Ausschreitungen gekommen ist. "
Doch das Verwaltungsgericht hat das generelle Verbot teilweise aufgehoben. Anstelle ihres ursprünglich geplanten Demonstrationszuges durch die Innenstadt müssen sich die Hooligans nunmehr auf eine stationäre Kundgebung am ehemaligen Zentralen Omnibusbahnhof hinter dem Hauptbahnhof beschränken.
Polizei will mit starken Kräften vor Ort sein
Strenge Auflagen sollen nun sicherstellen, dass die Hooligans ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung friedlich und geordnet ausüben. Volker Kluwe:
"Beispielsweise sind Verunglimpfungen, wie wir sie in Köln festgestellt haben, die dort skandiert wurden, ausdrücklich untersagt. Wir werden diese Personen am Versammlungstag auch kontrollieren, insbesondere auf den Einfluss alkoholischer Getränke. Und wer mehr als 0,3 Promille hat, wird von uns als Ordner abgelehnt."
Noch kann niemand sagen, ob und wie viele der Krawall-Touristen, Hooligans und Rechtsextremen, die seit Wochen in einschlägigen Internetforen für die Kundgebung mobilisieren, sich tatsächlich auf den Weg nach Hannover machen. Die Polizei jedenfalls, versichert Kluwe, wird mit starken Kräften vor Ort und auf alle denkbaren Szenarien vorbereitet sein:
"Die Polizei wird präsent sein, um die Bürgerinnen und Bürger in Hannover zu schützen. Und ich habe allen gesagt, sie sollen ihrem Leben gewohnt weiter nachgehen."
Als Karnevalist steht Joachim Meyer ja irgendwie ein Stück weit über den Dingen. Das Leben werde weitergehen - Hooligans hin oder her - vermutet der Vizepräsident des organisiert-friedfertigen Narrentums. Und gibt dem Gast zum Abschied noch eine kleine Weisheit kund:
"Humor ist das Ventil, was man braucht, damit einem nicht der Kragen platzt!"