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Anti-Terror-Koalition
Niederlande beteiligen sich am Kampf gegen IS

Die Niederlande gehörten eigentlich nicht zur Koalition von US-Präsident Barack Obama im Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS). Nun verkündete die Regierung von Ministerpräsident Mark Rutte jedoch die Teilnahme - die für das kleine Land auch eine Frage des Prestiges ist.

Von Kerstin Schweighöfer |
    Lodewijk Asscher, Vize-Premierminister der Niederlande und Verteidigungsministerin Jeanine Hennis-Plasschaert verkünden bei einer Pressekonferenz ihr Engagement im Kampf gegen IS
    Verteidigungsministerin Jeanine Hennis-Plasschaert und Lodewijk Asscher, Vize-Premierminister der Niederlande bei der Pressekonferenz: "Das Grauen muss ein Ende haben." (dpa/picture alliance/Valerie Kuypers)
    "Der Kampf gegen ISIS geht uns alle an - egal, ob Christen, Juden oder Muslime. Wir können nicht erwarten, dass andere für uns die Kohlen aus dem Feuer holen. Die Macht von ISIS muss gebrochen, das Grauen ein Ende haben. Deshalb hat die niederländische Regierung beschlossen, sich an diesem Kampf zu beteiligen."
    Der niederländische Vize-Premierminister Lodewijk Asscher letzte Woche auf einer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz in Den Haag. Während Ministerpräsident Rutte in New York vor dem UN-Sicherheitsrat bekannt machte, dass sich sein Land dem Kampf gegen ISIS anschließen wolle, informierte Asscher die niederländische Öffentlichkeit.
    Sechs F16-Kampfflugzeuge wollen die Niederländer einsetzen sowie 380 Soldaten, darunter 120 Ausbilder, die irakische und kurdische Soldaten in irakischen Kasernen schulen sollen. Auch die F16 sollen ausschließlich über irakisches Gebiet fliegen. Für die Luftangriffe über syrischem Gebiet fehle das nötige völkerrechtliche Mandat, erklärt der Rechtsexperte André Nollkaemper, ein externer Berater des Außenministeriums in Den Haag:
    "Die syrische hat dem im Gegensatz zur irakischen Regierung nicht zugestimmt, es liegt auch keine entsprechende UN-Resolution vor. Womit die Rechtsgrundlage für Gewalt gegen ISIS in Syrien fehlt."
    Rutte: "Wir haben unsere Lektion gelernt"
    Dass sich die niederländische Regierung von einem unabhängigen Experten beraten lässt, kommt nicht von ungefähr: 2003, während des Irak-Krieges, hatte sich die damalige Regierung unter dem christdemokratischen Premierminister Balkenende im Spagat geübt: Der Angriff der Amerikaner wurde zwar nicht militärisch, aber politisch, wie es hieß, "unterstützt". Obwohl dafür, so befand sieben Jahre später eine Expertenkommission, jegliche völkerrechtliche Grundlage fehlte. Die damals regierende Koalition hatte ohnehin mit Spannungen zu kämpfen, diese vernichtende Einschätzung der Kommission spielte bei ihrem Ende eine maßgebliche Rolle.
    Die Worte "politische Unterstützung" nimmt in Den Haag deshalb so schnell keiner mehr in den Mund - auch Ministerpräsident Mark Rutte nicht:
    "Wir haben unsere Lektion gelernt", sagte er diese Woche vor internationalen Korrespondenten in Den Haag. "Wir sind Teil der Koalition gegen IS, aber ausschließlich im Irak aktiv. Doch wir haben Verständnis für das, was die Amerikaner in Syrien tun, und wir akzeptieren es."
    Teil dieser Koalition zu werden, war sehnlichster Wunsch der Niederländer - und ist das Ergebnis einer fieberhaften diplomatischen Offensive der letzten drei Wochen. Denn zunächst standen die Niederlande nicht auf der Liste der Kernkoalition von Obama - und sie fühlten sich übergangen. Als kleines Land wollen sie nur allzu gerne beweisen, dass sie auf der weltpolitischen Bühne zu Großem fähig sind.
    Dieses Ansehen stand auf dem Spiel, die Beteiligung an Obamas Koalition wurde für Den Haag zur Prestigefrage.
    Sozialisten sind gegen das Engagement
    Einer Mehrheit im Parlament kann sich die Regierung dabei sicher sein. Der christdemokratischen Oppositionspartei CDA geht der Einsatz sogar nicht weit genug, sie wollen die niederländischen F16-Jets auch über Syrien fliegen lassen. Zu den wenigen Gegnern gehören die Sozialisten:
    Weil: "Wir halten nichts von Luftangriffen auf Terrorgruppen", so der sozialistische Abgeordnete Harry van Bommel. "Weil sich Terroristen auf diese Weise nicht bekämpfen lassen. Die mischen sich unters Volk, die sind kaum erkennbar. Außerdem stehen Luftangriffe einer politischen Lösung im Weg."
    Doch die Wähler konnte er damit nicht überzeugen: 70 Prozent aller Niederländer begrüßen es, dass sich ihr Land am Kampf gegen ISIS beteiligt. Auch wenn das Risiko von terroristischen Anschlägen Experten zufolge dadurch gestiegen ist. Premierminister Rutte begegnet solchen Ängsten niederländisch-nüchtern:
    "Wir sollten wachsam sein - doch ansonsten unser Leben einfach weiterleben."