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Antibiotika in der Landwirtwirtschaft

Eine Infektion mit Salmonellen kann gefährlich werden, vor allem bei Menschen, die ohnehin gesundheitlich angeschlagen sind. Besonders gefährlich wird es, wenn die Keime resistent sind gegen Antibiotika. Experten schätzen die Zahl solcher Erkrankungen beim Menschen auf etwa 250 Fälle pro Jahr. Rund zehn Prozent davon enden tödlich. In Berlin geht heute eine Konferenz zum Thema Antibiotika in der Tierzucht und ihre Folgen für den Menschen zu Ende.

Von Markus Rimmle |
    Nur kurze Zeit bleibt ein neu entwickeltes Antibiotikum uneingeschränkt wirksam. Bereits drei bis fünf Jahre nach seiner Einführung in die klinische Nutzung treten erste resistente Bakterien auf. Mit der Zeit werden es mehr, und das Medikament kann immer weniger ausrichten. Beispiel Salmonellen: Die Statistik spricht von bisher 250 so genannten Therapieversagern in Deutschland und zwanzig Todesfällen. Und das Problem der Antibiotikaresistenz verschärft sich noch durch den Kontakt mit unseren Nutztieren, sagt Jürgen Wallmann vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit BVL:

    Das Thema Tier kommt da rein, weil genau wie beim Menschen beim Tier auch diese Substanzen, sprich Antibiotika, eingesetzt werden auf der einen Seite, auf der anderen Seite, dass wir Menschen eben Lebensmittel vom Tier aufnehmen und es von daher rein theoretisch die Möglichkeit gibt, dass solche unempfindliche Bakterien gegenüber Antibiotika übertragen werden können.

    Antimikrobiell wirksame Substanzen finden Verwendung in der Veterinärmedizin, aber auch um das Wachstum der Tiere zu fördern. Je mehr Antibiotika eingesetzt werden, desto mehr resistente Bakterien entstehen. Ganze Gencluster, die für die Unempfindlichkeit gegenüber den Wirkstoffen verantwortlich sind, gehen mit Leichtigkeit von Bakterienspezies auf Bakterienspezies über. Die Folge sind Mehrfachresistenzen und ein Problem auch der Humanmedizin. Wissenschaftler und Zulassungsbehörden wollen diesen Prozess eindämmen, und das zunächst einmal mit einem ganz einfachen Mittel, nämlich dem sparsameren Einsatz von Antibiotika. Reinhard Kroker, zuständig für die Zulassung von Tierarzneimitteln im BVL:

    Wir können bei der Zulassung von Tierarzneimitteln selbst restriktive Maßnahmen ergreifen. Wir können Indikationen einschränken. Wir können also genaue Angaben, ab wann also bestimmte kritische Antibiotika verwendet werden dürfen, ab wann nicht, ob die Anwendung erst dann erfolgen soll, wenn andere Antibiotika versagen etc… Also wir haben auf vielen Ebenen bereits Maßnahmen etabliert, die das Problem tatsächlich nicht so frappierend bezeichnen, wie das gerade geschildert worden ist.
    Nicht so frappierend, aber nur dann, wenn die Verantwortlichen wirklich handeln, sowohl in der Tier- als auch in der Humanmedizin. Und verantwortlich sind da auch die Ärzte. Studien aus Kanada zeigen, dass etwa die Hälfte aller Einsätze von Antibiotika medizinisch nicht gerechtfertigt ist, nämlich in Fällen, bei denen überhaupt keine bakterielle Infektion vorliegt.

    Worauf es nun ankomme, so Reinhard Kroker, sei zunächst einmal eine statistische Erfassung des Einsatzes von Antibiotika bei gleichzeitiger Beobachtung der Resistenzentwicklung. Nur durch ein solches Monitoring, das in Deutschland nur auf freiwilliger Basis stattfindet, könnten klare Bezüge hergestellt werden zwischen Einsatz und Wirkungsverlust der Substanzen:

    Was wir gerne wollen, ist, dass gesetzlich etabliert wird, dass diese Monitoring-Programme, diese Überwachungsprogramme, dass die tatsächlich auch gesetzlich vorgeschrieben werden. Wir fordern auch von der Wissenschaft verschiedene Antworten über die Dynamik der Resistenzausbreitung. Wir brauchen Resistenzdaten, ab denen wir tätig werden sollten als Zulassungsbehörde. Da gibt es ja keine klaren Zahlen. Insofern können wir das System weiter optimieren, indem wir von verschiedenen Seiten aus auch das das Ganze fortführen und noch etwas verbessern.

    Panik sei nicht angebracht, so Kroker. Immerhin steige das Bewusstsein für die Resistenzproblematik. Auch in den Viehställen kämen Antibiotika mittlerweile weniger und gezielter zum Einsatz. Außerdem entwickelt die Wissenschaft laufend neue Substanzen, die die alten nicht mehr ganz so wirkungsvollen ersetzen können. Dann ist immerhin wieder drei bis fünf Jahre Zeit, bis die ersten Bakterien resistent reagieren. Oder auch länger, bei einem behutsamen Gebrauch.