"Hallo." - In der Ambulanz des Forschungszentrums Borstel begrüßt der Infektiologe Christoph Lange einen seiner Patienten. Sergej Kasparow stammt aus Armenien. Viele Jahre lang hat er versucht, seine Tuberkulose loszuwerden. Doch die Antibiotika, die er bekommen hat, konnten nichts gegen die Bakterien ausrichten, erzählt er. Olga Berezovskij, die neben ihm sitzt, übersetzt für ihn aus dem Russischen:
"Es war sehr schlimm, fast hoffnungslos. Nach 16 Jahren Therapie hat er verstanden es bringt nichts, es muss weitergehen und deswegen ist er extra nach Deutschland gekommen. Sich Hoffnung zu holen."
"Es war sehr schlimm, fast hoffnungslos. Nach 16 Jahren Therapie hat er verstanden es bringt nichts, es muss weitergehen und deswegen ist er extra nach Deutschland gekommen. Sich Hoffnung zu holen."
Sergej Kasparow hat eine extensiv-resistente Form der Tuberkulose, berichtet er. Fast alle verfügbaren Antibiotika sind dagegen machtlos. Ende des vorigen Jahres ist Sergej Kasparow zwölf Wochen lang auf der Infektionsstation des Forschungszentrums Borstel behandelt worden. Mit einer maßgeschneiderten Medikamenten-Therapie, die Christoph Lange und seine Kollegen genau auf die Erreger zugeschnitten haben, mit denen er infiziert war. Die individuelle Behandlung verhindert, dass die Bakterien weitere Resistenzen entwickeln, erklärt Christoph Lange, während er auf der Station die Liste der Patienten studiert.
"Wichtig ist, dass man die Diagnose frühzeitig stellen kann."
Bei jedem Patienten bestimmen die Ärzte dafür die Erbsubstanz des Erregers im Auswurf, dem so genannten Sputum. Für die Analyse nutzen sie einen kleinen schwarzen Automaten, der in einem Labor im gleichen Gebäude untergebracht ist, erklärt Lange.
"Das Gerät sieht aus, wie Sie das von einer Nespresso-Maschine kennen. Statt Nespresso-Kapseln kommt dann das Sputum des Patienten rein, dann klappen Sie zu. Das dauert etwas länger als bei einem guten Kaffee – nämlich etwa anderthalb Stunden – , aber nach anderthalb Stunden spuckt das Gerät dann eine Information raus, und sagt: 'Aha, Tuberkulose-Bakterien identifiziert - und mit Antibiotikaresistenz oder ohne'."
"Das Gerät sieht aus, wie Sie das von einer Nespresso-Maschine kennen. Statt Nespresso-Kapseln kommt dann das Sputum des Patienten rein, dann klappen Sie zu. Das dauert etwas länger als bei einem guten Kaffee – nämlich etwa anderthalb Stunden – , aber nach anderthalb Stunden spuckt das Gerät dann eine Information raus, und sagt: 'Aha, Tuberkulose-Bakterien identifiziert - und mit Antibiotikaresistenz oder ohne'."
Teure Kombinationstherapie mit Nebenwirkungen
Patienten mit einer extensiv resistenten Tuberkulose zahlen einen hohen Preis, um wieder gesund zu werden, sagt Christoph Lange. Bis zu zwei Jahre lang müssen sie viele so genannte Reserveantibiotika schlucken, von denen einige schwere Nebenwirkungen hervorrufen können. Diese Medikamente werden in einer individuell auf den Patienten abgestimmten Kombinationen verabreicht, um die resistenten Erreger abzutöten. Kosten: 100.000 Euro für einen Behandlungszyklus.
"Patienten, die besonders schwerwiegende Muster der Antibiotikaresistenz haben, die man XDR-TB also extensively drugresistant Tuberkulose nennt, also extreme antibiotikaresistente Tuberkulose, da kosten alleine die Medikamente schon knapp 100.000 Euro. Für einen Behandlungszyklus."
Auf der Infektionsstation nimmt Christoph Lange eines der Kästchen in die Hand, in denen die Schwestern die Medikamente für die Patienten vorbereitet haben.
Auf der Infektionsstation nimmt Christoph Lange eines der Kästchen in die Hand, in denen die Schwestern die Medikamente für die Patienten vorbereitet haben.
"Mal nachzählen: 1, 2, 3, 4, … 7, 8 das ist aber nicht einmal die Tagesdosis, sondern das ist nur ein Teil der Tagesdosis."
Elf Tabletten pro Tag, dazu drei Infusionen, die wie bei einer Chemotherapie direkt über einen Port, einen Zugang zum Herzen verabreicht werden.
12.000 Menschen mit multiresistenter Tuberkulose in der Ukraine
Christoph Lange und seine Kollegen in Borstel behandeln inzwischen jährlich etwa 120 Menschen, mit einer multi- oder extensiv-resistenten Form der Tuberkulose. In den letzten Jahren sei die Zahl der Fälle deutlich angestiegen, so der Infektionsforscher.
"Das ist für Deutschland derzeit keine Bedrohung, aber es ist für manche Länder ein erhebliches Problem und auch eine erhebliche Bedrohung für deren Gesundheitssysteme. Schauen wir in ein anderes EU-Anrainer-Land – die Ukraine – , die haben 12.000 Menschen mit multiresistenter Tuberkulose auf eine Population von etwas mehr als 40 Million Einwohner - das sind einfach viel, viel mehr Patienten."
"Das ist für Deutschland derzeit keine Bedrohung, aber es ist für manche Länder ein erhebliches Problem und auch eine erhebliche Bedrohung für deren Gesundheitssysteme. Schauen wir in ein anderes EU-Anrainer-Land – die Ukraine – , die haben 12.000 Menschen mit multiresistenter Tuberkulose auf eine Population von etwas mehr als 40 Million Einwohner - das sind einfach viel, viel mehr Patienten."
Doch in Ländern wie der Ukraine und anderen osteuropäischen Staaten fehlt es an ausgebildetem Personal, diagnostischen Geräten und nicht zuletzt an wirksamen Antibiotika, um Patienten mit multiresistenter Tuberkulose zu heilen. Ein Problem, das den Kampf gegen resistente Erreger auch in anderen Ländern fast unmöglich macht. Wer die Chance bekommt, in Borstel behandelt zu werden, hat Glück gehabt. Bisher konnten die Ärzte dort allen helfen. Auch Sergej Kasparow wird aller Voraussicht nach wieder ganz gesund werden. Das Röntgenbild, das die Ärzte heute von seiner Lunge gemacht haben, zeigt, dass die Tuberkulose fast ausgeheilt ist.
"Jetzt alles gut. Ist okay."
Zum Abschied, nimmt Christoph Lange seinen Patienten kurz in den Arm. Bald wird dieser in sein Heimatland Armenien zurückkehren können.
"Ciao, ciao, alles Gute!