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Antidemokratische Dynamiken in der Klimabewegung
Politologe Mounk: Wegen der Klimakrise nicht die Demokratie infrage stellen

Nicht nur einige Klimaaktivisten, sondern breitere Teile der Bevölkerung hätten Zweifel, ob die Demokratie die richtige Staatsform für den Kampf gegen den Klimawandel sei, sagte der Politikwissenschaftler Yascha Mounk im Dlf. Das liege auch an einem falschen Narrativ zum Klimwandel.

Yascha Mounk im Gespräch mit Anja Reinhardt |
Transparente mit der Aufschrift "Klimanotstand anerkennen" (vorne) und "Demokratie updaten" liegen bei einer Demonstration unter dem Motto "Trauerzug der toten Bäume" von Extinction Rebellion (XR) unweit des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf dem Boden.
Die Klimabewegung "Extinction Rebellion" fällt mit radikalen Forderungen zur Bekämpfung des Klimawandels auf (dpa / Paul Zinken)
Immer wieder werde er gerade in seinen Vorträgen in Europa gefragt, ob die Demokratie angesichts einer so existenziellen Bedrohung wie des Klimawandels überhaupt die richtige Staatsform sei und ob sie nicht abgeschafft werden müsse, da sie mit der Klimakrise nicht umgehen könne, sagte der Politikwissenschaftler Yascha Mounk im Deutschlandfunk. "Es macht mir schon Angst, dass es nicht nur bei Aktivisten diese Strömung gibt, sondern auch in breiteren Teilen der Bevölkerung."
Eines der Grundprobleme in der Debatte über den Klimawandel sei seiner Ansicht nach – und da werde er sich "sicherlich unbeliebt" machen –, dass viele Aktivisten zu dem Thema, aber auch viele Politiker aus etablierten Parteien "keine sehr starken Argumente haben". Sie hätten ein Narrativ zum Klimawandel entwickelt, das "mehr oder minder heißt, wir haben uns gegen die Natur versündigt und jetzt müssen wir Buße tragen, indem wir leiden". Im Sommer werde es ein bisschen zu heiß sein in den Wohnungen, "weil eine Klimaanlage sowieso das Schlimmste ist. Und im Winter wird es uns ein bisschen zu kalt sein. Und in Urlaub sollen wir auch nicht fliegen."

Die Mehrheit der Bevölkerung überzeugen

"Es gibt aus meiner Sicht viel bessere Ansätze, wie man mit dem Klimawandel umgeht, wie man den Menschen versprechen kann, dass wir die Emissionen von CO2 – darum geht es ja letztlich – sehr stark reduzieren, ohne unseren Wohlstand zu reduzieren, ohne dass wir in 30 oder 60 Jahren unfähig wären, in den Urlaub zu fliegen und fähig wären, schön zu leben, unfähig wären, ein wohlhabendes Leben zu führen", sagte Mounk.
Das wirkliche Anliegen müsse sein, ein Narrativ zum Klimawandel zu entwickeln, das es erlaube, mit diesem riesigen Problemen umzugehen und auch eine Mehrheit der Bevölkerung zu überzeugen, anstatt anzufangen, an der Demokratie zu zweifeln.

"Dafür sorgen, dass die Menschen mit ihrem Leben zufrieden sind"

Die Zustimmung zur Demokratie sei immer schon sehr stark von den Leistungen der Regierung abhängig gewesen, sagte Mounk: "Die Leute messen ihre politische Grundform natürlich auch daran, ob es ihn materiell gut geht, ob sie in Frieden leben, ob sie freiheitlich leben können." Insofern sei es "eine der dringlichsten Aufgaben aller Demokraten und besonders derjenigen, die in der Demokratie politische Verantwortung haben, dafür zu sorgen, dass die Menschen mit ihrem Leben, mit den Umständen in ihrem Land zufrieden sind. "Denn wenn nicht, öffnet sich die Tür natürlich zu Populisten, Diktatoren und Schlimmerem."
Deutschland sehe er aber nicht in einer akuten Krise, sagte Mounk: "Ich mache mir über den Zustand der Demokratie insgesamt sehr große Sorgen. Besonders wenn ich mir anschaue, wie viele Länder mittlerweile von wirklich antidemokratischen Premierministern, Präsidenten regiert werden. Da stehen wir in Deutschland gerade im Vergleich zu anderen Demokratien doch ganz gut da. Und da kann man sich auch mal drüber freuen."