Es ist die Tendenz, die Mitarbeiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beunruhigt. Ausgrenzung wegen Herkunft oder Hautfarbe nehme zu, beklagt der kommissarische Leiter der Stelle, Bernhard Franke.
"Wir haben im vergangenen Jahr mehr als 3500 Anfragen gehabt und der Anteil der Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft war dabei absolut gesehen und relativ gesehen sehr hoch."
Den Vorwurf hatte gestern auf der Pressekonferenz nach dem Integrationsgipfel auch Sylvie Nantcha erhoben, die Vorsitzende des African Network of Germany.
"Wir erleben den Rassismus gegen Muslime, wir erleben den Rassismus gegen Juden, wir erleben den Rassismus gegen Sinti und Roma, und oft wird der Rassismus gegen schwarze Menschen ignoriert."
Bekannte Fälle innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt
Der Vorwurf, die Diskriminierung nehme zu, lässt sich dabei nicht ganz zweifelsfrei belegen. Der Leiter der Antidiskriminierungsstelle Franke will konkrete Zahlen erst im Jahresbericht nennen. Nach Angaben des Familienministeriums lässt sich aber hochrechnen, dass sich die bekannten Fälle innerhalb von zehn Jahren wohl mehr als verdoppelt haben. Von 462 2010 auf 855 allein in den ersten zehn Monaten 2019. So klar der Befund, so unklar sind die Gründe dafür. Denn, so gesteht auch Bernhard Franke zu:
"Ich glaube, es ist einmal ein Wandel des gesellschaftlichen Klimas, der bestimmte Dinge sagbarer gemacht hat, die vorher nicht sagbar waren. Aber es ist auch glaube ich eine stärkere Bewusstseinsbildung bei Menschen, die sich diskriminiert fühlen, auch dagegen vorzugehen, zumindest diesen Vorfall zu melden und sich an Stellen wie die Antidiskriminierungsstellen oder auch andere Stellen zu wenden."
Vor einem Monat hatte die Stelle eine Umfrage und ein Rechtsgutachten speziell zur Wohnungssuche veröffentlicht. Demnach glaubten 15 Prozent der Befragten, selbst aus rassistischen Gründen diskriminiert worden zu sein. Das Gutachten kam zu dem Schluss, dass das deutsche Recht, gemessen an europäischen Vorgaben, zu lax sei. Dabei zählen auch Diskriminierungen aus Gründen der Ethnie bei der Vermietung zu dem, was das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG, verbietet. Für den FDP-Politiker Stephan Thomae reichen diese Regeln völlig aus:
"Da gilt, dass große Vermieter, die mehr als 50 Wohneinheiten vermieten, durchaus gebunden sind an das allgemeine Diskriminierungsverbot. Das heißt, dass zum Beispiel behinderte Menschen, Frauen oder Ausländer nicht benachteiligt werden dürfen. Es gibt aber auch Ausnahmen, die durchaus gerechtfertigt sind. Der Kleinvermieter, der eine oder zwei Wohnungen vermietet, vielleicht noch in dem Haus, in dem er selber auch wohnt, der muss schon auch wissen: Wer wohnt da eigentlich in meiner Wohung – vielleicht mit mir Tür an Tür, Wand an Wand?"
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt
Franke will gerade diese Ausnahmen für Kleinvermieter enger fassen. Das Bundesjustizministerium teilt eher verhalten mit, es gebe jetzt schon Urteile, die auf Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt reagierten. Das Gutachten werde man prüfen.
Die Antidiskriminierungsstelle will außerdem ein Verbandsklagerecht, um Verfehlungen selbst vor Gericht bringen zu können. Auch hier widerspricht der FDP-Mann Thomae:
"Ich bin grundsätzlich aus skeptisch, ob solche Verbandsklagerechte dazu beitragen, dass die Rechtssuchenden besser gestellt werden. Es kommt doch sehr auf den Einzelfall an. Und da ist es allemal besser, wenn der Betroffene selbst seinen Fall darlegen kann, als wenn man alles über einen Kamm schert."
Wobei auch Franke zugesteht: An sich sei der Schadenersatz bei Verletzungen des AGG in der Regel hoch genug, um auch Betroffene zur eigenen Klage zu motivieren. In der Beratungspraxis der Antidiskriminierungsstelle spielt neben der Wohnungs- auch die Arbeitssuche eine besondere Rolle. So würde Frauen, die sich mit Kopftuch bewerben, seltener eingeladen. Bei den so genannten Massengeschäften geht es vor allem um den Zugang zu Diskotheken, wo Männer mit Migrationshintergrund seltener eingelassen würden.