Im Corona-Hotspot Hildburghausen können sich seit Dienstag (01.12.2020) alle Kindergarten- und Schulkinder sowie Erziehungspersonal auf COVID-19 testen lassen. Im süd-thüringischen Kreis waren Ende November die Zahlen der Infektionen mit dem Coronavirus explodiert, Schulen und Kindertagesstätten wurden daraufhin geschlossen. Mit den Massentests, den ersten in dieser Größenordnung in Deutschland, soll den Kindern die baldige Rückkehr in die Schulen und Kitas ermöglicht werden. Rund 8.000 Kita- und Schulkinder, etwa 1.000 Pädagogen sowie Mitarbeiter aus Bildungseinrichtungen können sich freiwillig testen lassen, 11.000 Kits der Antigen-Schnelltests wurden bestellt. Für die Kinder, die negativ auf das Virus getestet seien, könne es bereits am darauffolgenden Tag wieder eine reguläre Betreuung geben, kündigte der Bürgermeister an, vorausgesetzt es steht ausreichend negativ getestetes Personal zur Verfügung.
Stärker im Fokus: Antigen-Schnelltests
Die Antigen-Schnelltests, seit dem vergangenen Oktober auf dem Markt, gelten als etwas weniger zuverlässig als die bewährten PCR-Tests. Dafür sind sie kostengünstiger und das Ergebnis liegt schon innerhalb weniger Minuten vor. Damit bieten sie eine schnelle Entscheidungshilfe im Alltag und eine mögliche Alternative zur mehrtägigen Quarantäne, etwa von ganzen Schulklassen und Lehrpersonal, solange die Lockdown-Maßnahmen im öffentlichen Leben andauern. Auch in Pflegeeinrichtungen oder an Flughäfen könnten sie zum Einsatz kommen.
Die Schnelltests, etwa für Lehrer, seien "ein wichtiger Baustein, um mit der Pandemie umzugehen", sagte Berlins Regierungschef Michael Müller und machte auch der ausgesperrten Kultur- und Veranstaltungsbranche Hoffnung. Der Berliner KitKat-Club bietet nun schon einmal Corona-Schnelltests in seinen Räumen an, unter dem Motto "Kommt nackt und seid wild" - eine ironische Anspielung auf die berüchtigten Techno-Partys im KitKat, die wegen des Lockdowns weiter ausfallen.
Massen-Schnelltest in Österreich - 10 Millionen Testkits
In Österreich ist am Dienstag ein großer, landesweiter Massentest mit zehn Millionen Testkits angelaufen. Geht es nach dem Willen der Regierung, dann soll ein möglichst großer Teil der kompletten Bevölkerung von knapp neun Millionen Menschen getestet werden, bevor der harte Lockdown in Österreich am kommenden Sonntag zu Ende geht.
Sollte der Antigen-Schnelltest positiv ausfallen, wird ein präziserer PCR-Test nachgeschoben. Erst wenn auch dieser positiv ausfällt, werden zehn Tage Quarantäne angeordnet.
Österreichs Politiker hoffen, dass sich die Zahl der täglich bestätigten Neuinfektionen, die aktuell bei etwa 3.000 liegt, durch die Massen-Schnelltests rasch weiter drücken lässt.
Mindestziel: Tests bei 60 bis 65 Prozent der Bevölkerung
Dr. Nikolas Popper von der TU Wien, der die österreichische Regierung bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie berät, glaubt, dass die Massen- oder Flächentests ein Beitrag sein könnten, das Infektionsgeschehen kontrollieren zu können. Voraussetzung dafür sei allerdings eine breite Beteiligung der Bevölkerung, in Höhe von 60 bis 65 Prozent, so Popper. Anderenfalls sei der Effekt zu gering.
Darüber hinaus brauche es aber auch Verfahren für Bevölkerungsgruppen, die nicht selbst in die Testzentren kommen könnten: "Wir brauchen Screenings bei den Kranken, bei den sogenannten Vulnerablen, einen Schutz der Gefährdeten, etwa in den Pflegeheimen. Und wir müssen uns auch überlegen, wie kommen wir an die Menschen heran, die zur Ausbreitung beitragen, aber nicht kommen wollen oder können, wie zum Beispiel in den sozial schwierigen Beschäftigungsbereichen."
Popper, Experte für Computersimulationen, hat für die Massentests in Österreich mögliche Szenarien und Auswirkungen modelliert, etwa auf die Reproduktionszahl, den sogenannten R-Wert oder die täglichen Neuinfektionen. "Bei einer Beteiligung von 65 Prozent sehen wir im Modell, dass wir die Zahlen der täglichen Neuinfektionen kurzfristig auf ein Drittel bis ein Viertel drücken können."
Zentral seien aber auch flankierende Maßnahmen, so Popper. Es brauche einen nachhaltigen Prozess, der bis März aufrechterhalten werden müsse. Es müsse dafür gesorgt werden, dass kranke Menschen zu ihrer Therapie kommen, begleitet von einer wirksamen Kontaktverfolgung, damit Erkrankte und ihre Kontaktpersonen aus den Ausbreitungsnetzwerken rausgeholt werden könnten: "Wenn wir nichts an der Dynamik ändern, wird die Zahl auch relativ schnell wieder ansteigen." Das Testen, Tracing und Isolieren bleibe wichtig und deutlich zielgerichteter, vor allem bei der Nachverfolgung von Kontaktpersonen.
Wie viele andere Experten sieht auch Popper das Problem der eingeschränkten Aussagefähigkeit der Antigen-Schnelltests. Falsch positive Resultate würden zwar dadurch gelöst, dass mit PCR-Tests nachgetestet wird, doch erhöhe dies wiederum den Ressourcenbedarf.
Andererseits dürften sich die Menschen bei einem negativen Testergebnis nicht in Sicherheit wiegen, warnte Popper. Dies sei ein wichtiger Aspekt in der Kommunikation rund um die Massentests. "Ein negativer Test entbindet in keinster Weise von einer Reduktion bei den Kontakteinschränkungen, das darf in keinster Weise passieren. Wenn man den Menschen oder den Entscheidungsträgern in den Bundesländern jetzt kommuniziert, das löst jetzt unser Problem, dann ist das brandgefährlich."
Die Massentests seien nur ein Mittel und Teil einer Gesamtstrategie, über die wirkliche evidenzbasierte Effektivität und über den Ressourceneinsatz sollte man im Nachgang diskutieren, so Popper: "Wir schauen uns jetzt an, wie effektiv kann es sein, wenn viele mitmachen. Und wenn dann die Menschen auch die Kontaktpersonen dazu motivieren, zu Hause zu bleiben." Wichtig sei es, dass die Menschen dazu bewegt werden, überhaupt wieder mitzumachen, sagte Popper: "Ich glaube, wir haben in vielen Ländern das Problem, dass die sogenannte Adhärenz, das heißt das Maß, wie die Menschen sich beteiligen, stark gesunken ist."
Massentests für bestimmte Bevölkerungsgruppen zielführend
Massentests für bestimmte Bevölkerungs- oder Berufsgruppen, wie aktuell für Kinder und Lehrpersonal im Corona-Hotspot Hildburghausen, hält Popper grundsätzlich für zielführend und effektiv. "Der Effekt ist natürlich dort, wo Prävalenz und Inzidenz höher sind, absolut gesehen für die eingesetzten Ressourcen besser. Bei COVID-19 sind das Regionen, wo wir eine hohe Prävalenz und Inzidenz haben, und andererseits bestimmte Personengruppen, zum Beispiel das Gesundheitspersonal. Eine Zielrichtung auf die Bevölkerungsgruppen nach Regionen, wo viel passiert, oder nach Berufen ist sehr wichtig und sicher zielführend."