Das Freitagsgebet im konservativen Istanbuler Stadtteil Fatih läuft erst mal noch ganz normal ab. Aber die Spannung liegt in der Luft. Danach entlädt sich die Wut:
"Nieder mit Israel", rufen die Menschen, "nieder mit Amerika" steht auf ihren Plakaten. Sie verbrennen die israelische Flagge und schwenken die palästinensische. Ein konservativer islamischer Verein hatte landesweit zu Großdemonstrationen aufgerufen - zum Kudüs Cuma’si, zum Jerusalem-Freitag.
Wut auf "Terrorstaat" Israel und Amerika
In Istanbul haben sich von den Tausenden Betenden aber nur ein paar Hundert angeschlossen.
Schon am Vortag hatte es vor dem US-Konsulat in Istanbul und der US-Botschaft in Ankara Proteste gegeben. Der junge Student Mustafa sagt:
"Wir müssen reagieren. Natürlich muss es Reaktionen geben. Aber die Demonstrationen müssen im Rahmen bleiben. Wir fordern Respekt, also müssen wir auch respektvoll demonstrieren, nicht mit Gewaltaktionen."
Auch Musa aus Ankara treibt das Thema um. Demonstrieren alleine reicht ihm nicht:
"Die muslimische Welt schläft. Das ist eine Schweinerei. Die islamischen Staaten hätten sich längst versammeln und tagen müssen. Unter der Führung unseres Staatspräsidenten müssen alle muslimischen Länder zur Sondersitzung beordert werden, damit die eine Lösung finden."
Jerusalem: umstritten bei drei Religionen
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Mitgliedsstaaten der OIC für nächsten Mittwoch nach Istanbul zu einem Sondergipfel in Sachen Jerusalem eingeladen. OIC steht für Organisation für Islamische Kooperation. In ihr sind 57 Länder zusammengeschlossen, darunter Saudi-Arabien und der Iran. Die Türkei hat turnusgemäß im Moment den Vorsitz. Erdogan präsentiert sich als eine Art Wortführer. Jerusalem sei die rote Linie der Muslime, sagte er. Musa übernimmt das Bild:
"Jerusalem ist der erste Ort in der Geschichte des Islam, in dessen Richtung sich die Muslime zum Gebet verneigt haben. Auf Jerusalem können wir nicht verzichten. Das ist für alle Muslime eine rote Linie. Dafür würden wir unser Leben geben."
Auch der junge Student Mustafa versucht zu erklären, was Trumps Entscheidung bedeutet:
"Ich als Muslim denke: Jerusalem ist ein heiliger Ort für alle drei Religionen. Für uns Muslime ist er unter anderem wichtig, weil unser Prophet von dort aus in den Himmel aufgestiegen ist. Ich kann es nicht hinnehmen, dass ein Terrorstaat wie Israel einen auch für die Muslime so heiligen Ort wie Jerusalem, wo einst wir verwalteten, für sich als Hauptstadt vereinnahmt."
"Wir fürchten uns vor nichts"
Natürlich macht er sich Gedanken, wie es weitergehen wird - zwischen Israel und den USA und den muslimischen Ländern. Musa lässt das Thema gar nicht mehr los. Immer wieder legt der kleine Mann noch mal nach:
"Warum sollten wir Angst haben - ach was. Natürlich wollen wir keinen Krieg. Aber wir sind die Nachfahren der Osmanen, wir fürchten uns vor nichts. Und notfalls gehen wir drauf zu."
Dabei streicht er einem kleinen Mädchen über den Kopf, das neben ihm steht und zuhört. Musa versucht, sich nicht weiter aufzuregen, gemäßigtere Worte zu finden. Aber die Arroganz von Trump ärgert ihn einfach zu sehr.