Am Internationalen Museumstag gibt es freien Eintritt in Museen der griechischen Hauptstadt. Gelegenheit für die Athener, mal wieder im Akropolismuseum bei den Parthenon-Skulpturen vorbeizuschauen.
Im obersten Stockwerk sind sie maßstabsgetreu an einem imaginären Tempel angebracht. Aber viele der Reliefs sind Kopien aus Gips. Auf den Schildern steht lapidar "BM". Weil sie im "Britischen Museum" ausgestellt sind. Allerhöchste Zeit, dass Großbritannien die Skulpturen zurück gibt, finden die Besucher.
"Sie gehören hierher und sind unrechtmäßig entfernt worden", so die Studentin Elena. "Mit dem Museum hier haben wir die geeignete Infrastruktur, um sie unterzubringen. Und sie können im Zusammenhang mit allen anderen Ausstellungstücken des Museums gezeigt werden."
"Sie müssen an ihren Ursprungsort zurückkehren", meint auch dieses Pärchen. "Damit die Griechen und die Touristen sie hier sehen können. Hier liegt ihre Geschichte."
"Elgin hat sie uns geklaut", sagt diese ältere Dame. Die griechische Regierung müsse sich viel mehr anstrengen, damit sie zurückkehren.
Griechische Ansprüche sind immer noch aktuell
Anfang des 19. Jahrhunderts ließ der britische Lord Elgin, damals Botschafter in Konstantinopel, eine Fülle von Skulpturen vom Parthenon und anderen Tempeln auf der Akropolis herausbrechen und nach Großbritannien bringen. Weil Elgin notorisch pleite war, bot er die Kunstschätze 15 Jahre später dem britischen Parlament zum Kauf an. Vor 200 Jahren entschied ein Parlamentsausschuss, die "marbels" für das britische Museum zu erwerben.
Seit der Unabhängigkeit Griechenlands im Jahr 1830 gab es viele Anläufe, die Marmorskulpturen zurückzubekommen. In den 1980er-Jahren kämpfte die legendäre Kulturministerin Melina Merkouri dafür. Bei den Briten stießen solche Forderungen bisher auf Granit. Die griechischen Ansprüche seien aber nach wie vor aktuell, sagt der amtierende Kulturminister Aristidis Baltás im Gespräch mit der ARD.
"Die Zerstörung der antiken Stadt Palmyra durch den Islamischen Staat ist tragisch. Das führt uns wieder vor Augen, wie wichtig es ist, historische Monumente intakt zu halten. Wir glauben, dass jetzt ein günstiger Moment ist, das Thema erneut auf internationaler Ebene zu behandeln."
Über das Thema nur zu reden, sei aber nicht genug, findet Alexis Mantheakis, Mitgründer eines Internationalen Komitees, das sich seit Jahren für die Rückgabe der Parthenonskulpturen einsetzt.
"Bis jetzt war es immer war der Ansatz gewesen, mit den Briten freundlich zu verhandeln. Das vernachlässigt die Tatsache, dass sie niemals etwas zurückgeben werden, wenn sie nicht dazu gezwungen sind. Wir brauchen ökonomischen und politischen Druck, um die Briten an den Verhandlungstisch zu bringen."
Mehr als 200 Jahre nach dem dreisten Kunstraub sei die Rückkehr nach Athen so drängend wie nie zuvor, meint der frühere Schauspieler und Romanautor Mantheakis.
Akropolisaktivisten mobilisieren im Netz
Die Skulpturen müssen in ihrem Kontext gezeigt werden. Das ist ein religiöser Ort – der heilige Felsen, wie die Griechen die Akropolis nennen. Es ist ein Gesamtkunstwerk, und deswegen sollten die Skulpturen an ihrem Ursprungsort ausgestellt sein.
Und nicht in einem von hunderten anonymen Räumen im britischen Museum.
Im Internet kursiert ein Film der Akropolisaktivisten. Eine der sogenannten Koren ist darin zu sehen. "Ich wurde in Griechenland geboren", legen die Macher der Mädchenstatue in den Mund, die Lord Elgin aus dem Erechteion geklaut hatte. Und weiter: "Meine Schwestern sind dort, helft mir, wieder nach Hause zu kommen."
Auch ganz ohne Emotionen: Griechenland hätte wohl gute Chancen, die Marmorkunst von der Akropolis zurückzubekommen, wenn es vor einem internationalen Gericht auf deren Rückgabe klagen würde. Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten aus dem vergangenen Jahr, dessen vollständiger Text gerade erst veröffentlicht wurde.
Regierung verzichtet bislang auf Klage
In Sachen gestohlene Kulturgüter habe sich das internationale Recht in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend weiterentwickelt, schreibt ein internationales Juristenteam, darunter auch Jamal Clooney, die Frau von Oskarpreisträger George Clooney. Die Aussichten für Griechenland seien so günstig wie nie.
Dennoch will die griechische Regierung den Klageweg derzeit nicht beschreiten, sagt Kulturminister Baltás im ARD-Interview.
"Wir ziehen eine Kombination verschiedener Instrumente vor – emotional, politisch, juristisch, auf der Ebene der Weltkulturorganisation. Jedes dieser Instrumente ist gut, und wir arbeiten an einer logischen Kombination. Eine Klage steht aber nicht unmittelbar bevor."
Das Gutachten rät Griechenland dagegen, die Sache mit den Parthenonskulpturen möglichst schnell juristisch klären zu lassen. Weiter abzuwarten, könnte die griechische Position schwächen – nachdem Großbritannien eine Vermittlung durch die Weltkulturorganisation Unesco im vergangenen Jahr abgelehnt hat.