Es geht um Tod und Leben. Und das auf vertrackte Weise. König Admetos, der sterben sollte, kann sein Leben retten, wenn er einen Menschen findet, der an seiner Stelle zu sterben bereit ist. Ein göttliches Spiel. Zeus ist schuld; Apollon trickst die Schicksalsgöttinnen aus. Und die Menschen müssens ausbaden. Wofür geht man in den Tod? Freiwillig?
Im Regelfall als Held, für eine Idee; oder als Märtyrer, für seinen Glauben. Und hier? Nichts von alledem. Eine Frau, Alkestis, opfert sich, ohne viel zu fragen, in jungen Jahren, für einen, ihren, ganz normalen, ziemlich durchschnittlichen, ein wenig larmoyanten und labil erscheinenden Mann. Ja, Raoul Schrott deutet in seiner Fassung von Euripides Stück an, dass sie ihn nicht einmal liebt, sondern auf diese Weise - loswerden kann. Schnoddrig respektfrei, unsentimental und dabei sensibel haben Raoul Schrott und Dieter Dorn in München diesen Schicksalstausch entmythisiert und in einer bannenden Bildersprache auf seine emotionalen Folgen hin überprüft. Ein theatralisches Experiment – mit großartigen Menschendarstellern.
Dabei wird die Möglichkeit, dass der gute Mann das ihm von finsteren Mächten zugedachte grausame Schicksal des frühen Todes durchaus selbst auf sich nehmen könnte, gar nicht erst erwogen. Ganz fraglos akzeptiert Admet diese Ungeheuerlichkeit, dass ihn ein unschuldiges Opfer 'erlöst'. Mehr noch: der eigentliche Schicksalsschlag ist für ihn die in Aussicht stehende lange Witwerschaft. Und das von Akestis als Gegenleistung für ihr Selbstopfer verlangte Versprechen, nicht wieder zu heiraten, gibt er widerwillig, ziemlich lax und nur bedingt glaubwürdig, erst nach langem Zögern und nachdem sich auch noch die Öffentlichkeit in Gestalt des Chores eingeschaltet hatte.
Am Anfang war, während am Gaze-Rundhorizont leuchtend eine Riesensonne aufging und die Morgennebel auflöste, der geflügelte schwarze Tod von oben auf das Dach des Admetschen Hauses gesegelt. Gestorben wird glanzlos, zwischendurch, nebenbei. Auf offener Bühne. Der Fokus liegt ganz auf Admet, dem Nutznießer dieses Opfers, der sich nun aber selbst als Opfer betrauert, ausgesetzt der sozialen Kontrolle und den enervierenden Durchhalteparolen des Chors, während ihm langsam dämmert, dass er sich auf ein ödes Restleben eingelassen hat. Da kommt ihm der zum Mittrauern herbeieilende Vater gerade recht, den er ohnehin, schon aus Altersgründen, für weitaus geeigneter zur Selbstaufopferung gehalten hatte als seine Frau. Doch der bissige Alte, eine Art gnomenhaft böser Kafka-Vater, verteidigt in einem wunderbaren Dialogduell sein Recht auf ein Restleben und fleddert gleich auch noch den Status des hochmütig Trauernden. Kein Trost. Eine Demütigung.
Und auch sonst will sich keine elegische Trauerstimmung einstellen, erscheint doch nun auch noch, gerade im falschen Augenblick, ein fröhlich aufgedrehter Herkules mit dem burschikosen Charme eines Skilehrers, sonst ein gern gesehener Gast des Hauses. Schrott und Dorn feiern nun nicht etwa das auch im Extremfall geltende Gastrecht, nein: Herkules wird verdruckst angelogen, erfährt erst spät, fröhlich zechend und auf den Dächern des Hauses randalierend, wer da zu Grabe getragen wurde. Und, ja "rächt" sich womöglich? Mit einem hier jedenfalls höchst zweifelhaften Gastgeschenk. Er entreißt Aklestis dem Hades, bringt die fast noch Leichenstarre als tief verschleierte Fremde zurück. Und verlässt das gastliche Haus. Admetos ist, wie sollte es anders sein, aufs Neue verstört. Als er die wiedergewonnene, kaum wiedererkannte, stumme Gattin zurück ins dunkle Innere des Hauses geleitet, schließt sich die Tür hinter beiden wie eine Gruft.
Schrott und Dorn zusammen ist es gelungen, uns dieses sperrige Stück ohne aktualisierende Zutaten in filigranen, klar konturierten Situationen zugänglich zu machen: psychologisch genau ohne zu psychologisieren. Und dabei, ohne eine Figur zu denunzieren, einige Selbstverständlichkeiten unseres Sozialverhaltens ins Licht zu rücken: Egomanie, Fun und feuchtfröhliche Feste als Freundschaftsbasis, mangelndes Einfühlungsvermögen, Selbstmitleid, Gefühlsarmut und durchgängig eine fordernde Haltung anderen gegenüber. Ein Meisterstück.
Im Regelfall als Held, für eine Idee; oder als Märtyrer, für seinen Glauben. Und hier? Nichts von alledem. Eine Frau, Alkestis, opfert sich, ohne viel zu fragen, in jungen Jahren, für einen, ihren, ganz normalen, ziemlich durchschnittlichen, ein wenig larmoyanten und labil erscheinenden Mann. Ja, Raoul Schrott deutet in seiner Fassung von Euripides Stück an, dass sie ihn nicht einmal liebt, sondern auf diese Weise - loswerden kann. Schnoddrig respektfrei, unsentimental und dabei sensibel haben Raoul Schrott und Dieter Dorn in München diesen Schicksalstausch entmythisiert und in einer bannenden Bildersprache auf seine emotionalen Folgen hin überprüft. Ein theatralisches Experiment – mit großartigen Menschendarstellern.
Dabei wird die Möglichkeit, dass der gute Mann das ihm von finsteren Mächten zugedachte grausame Schicksal des frühen Todes durchaus selbst auf sich nehmen könnte, gar nicht erst erwogen. Ganz fraglos akzeptiert Admet diese Ungeheuerlichkeit, dass ihn ein unschuldiges Opfer 'erlöst'. Mehr noch: der eigentliche Schicksalsschlag ist für ihn die in Aussicht stehende lange Witwerschaft. Und das von Akestis als Gegenleistung für ihr Selbstopfer verlangte Versprechen, nicht wieder zu heiraten, gibt er widerwillig, ziemlich lax und nur bedingt glaubwürdig, erst nach langem Zögern und nachdem sich auch noch die Öffentlichkeit in Gestalt des Chores eingeschaltet hatte.
Am Anfang war, während am Gaze-Rundhorizont leuchtend eine Riesensonne aufging und die Morgennebel auflöste, der geflügelte schwarze Tod von oben auf das Dach des Admetschen Hauses gesegelt. Gestorben wird glanzlos, zwischendurch, nebenbei. Auf offener Bühne. Der Fokus liegt ganz auf Admet, dem Nutznießer dieses Opfers, der sich nun aber selbst als Opfer betrauert, ausgesetzt der sozialen Kontrolle und den enervierenden Durchhalteparolen des Chors, während ihm langsam dämmert, dass er sich auf ein ödes Restleben eingelassen hat. Da kommt ihm der zum Mittrauern herbeieilende Vater gerade recht, den er ohnehin, schon aus Altersgründen, für weitaus geeigneter zur Selbstaufopferung gehalten hatte als seine Frau. Doch der bissige Alte, eine Art gnomenhaft böser Kafka-Vater, verteidigt in einem wunderbaren Dialogduell sein Recht auf ein Restleben und fleddert gleich auch noch den Status des hochmütig Trauernden. Kein Trost. Eine Demütigung.
Und auch sonst will sich keine elegische Trauerstimmung einstellen, erscheint doch nun auch noch, gerade im falschen Augenblick, ein fröhlich aufgedrehter Herkules mit dem burschikosen Charme eines Skilehrers, sonst ein gern gesehener Gast des Hauses. Schrott und Dorn feiern nun nicht etwa das auch im Extremfall geltende Gastrecht, nein: Herkules wird verdruckst angelogen, erfährt erst spät, fröhlich zechend und auf den Dächern des Hauses randalierend, wer da zu Grabe getragen wurde. Und, ja "rächt" sich womöglich? Mit einem hier jedenfalls höchst zweifelhaften Gastgeschenk. Er entreißt Aklestis dem Hades, bringt die fast noch Leichenstarre als tief verschleierte Fremde zurück. Und verlässt das gastliche Haus. Admetos ist, wie sollte es anders sein, aufs Neue verstört. Als er die wiedergewonnene, kaum wiedererkannte, stumme Gattin zurück ins dunkle Innere des Hauses geleitet, schließt sich die Tür hinter beiden wie eine Gruft.
Schrott und Dorn zusammen ist es gelungen, uns dieses sperrige Stück ohne aktualisierende Zutaten in filigranen, klar konturierten Situationen zugänglich zu machen: psychologisch genau ohne zu psychologisieren. Und dabei, ohne eine Figur zu denunzieren, einige Selbstverständlichkeiten unseres Sozialverhaltens ins Licht zu rücken: Egomanie, Fun und feuchtfröhliche Feste als Freundschaftsbasis, mangelndes Einfühlungsvermögen, Selbstmitleid, Gefühlsarmut und durchgängig eine fordernde Haltung anderen gegenüber. Ein Meisterstück.