Am Boulevard Stirbei Voda, im Zentrum von Bukarest, stehen sich Kameramänner und Journalisten die Füße in den Bauch. Hier, einen guten Kilometer vom Ort des Protests entfernt, liegt die Behörde, auf die die Demonstranten ihre Hoffnungen setzen - und die die Politiker so fürchten.
Vor dem Haupteingang sirren die Übertragungswagen, die Journalisten lassen sich die Novembersonne ins Gesicht knallen. Sie warten heute auf eine ehemalige Tourismusministerin. Gegen sie wird wegen Vorteilsnahme ermittelt. Sie hat einen ungewöhnlich günstigen Kredit von einem befreundeten Topbanker bekommen, mehr als drei Millionen Euro.
Die Journalisten sind jeden Tag hier, erzählt die Beamtin Livia Saplacan, während sich durch die weitläufigen Flure der Behörde führt. Fast täglich werden hier Abgeordnete, Minister oder Bürgermeister vorgeladen.
"Für uns ist das sehr unangenehm, immer wenn wir in die Mittagspause gehen und die Tür öffnen, stürzen sie sich auf uns. Es könnte ja ein Politiker rauskommen."
Saplacan führt in das Büro ihrer Chefin, Laura Codruta Kövesi, Rumäniens oberste Korruptionsbekämpferin. Ihr Amtszimmer ist groß, aber spartanisch eingerichtet. Auf dem simplen Holzschreibtisch steht nichts außer einem Monitor und einem Drucker.
Die kahlen Wände ziert nur ein großes Logo der Behörde: Eine Justitia mit Waage und Schwert.
"Wir haben in den letzten Jahren bewiesen, dass wir unerbittlich sind – aber unabhängig arbeiten. Wir haben gegen Politiker aus allen Parteien, in allen Regionen ermittelt. Vor allem aber: 90 Prozent der Politiker, die wir anklagen, werden später auch verurteilt."
2002 hat die damalige Justizministerin Monica Macovei diese Behörde gegründet, um die Korruption an der Staatsspitze zu bekämpfen – und um Rumänien fit zu machen für die EU.
"Ich glaube, so wie wir hier arbeiten, sind wir ein Modell für Europa: Wir haben hier Staatsanwälte und Polizisten, die mir direkt unterstehen, nicht dem Innenminister - der ja selbst Politiker ist. Das hilft uns sehr."
"Sie lernen einfach nichts daraus!"
Die DNA ermittelt ausschließlich gegen Politiker und hohe Beamte. Damit haben wir hier leider genug zu tun, sagt Laura Kövesi fast resigniert. Die 42-jährige Spitzenjuristin beugt sich aus ihrem Sessel vor, streicht sich die schwarzen schulterlangen Haare aus dem Gesicht.
"Leider werden wir nicht überflüssig, im Gegenteil: Obwohl wir jedes Jahr immer mehr Politiker anklagen und verurteilen – sie lernen nicht daraus, sie bleiben korrupt. Man kann sich das ja kaum vorstellen: Die Hälfte unserer Bürgermeister wurde von uns vorgeladen, sind angeklagt oder verurteilt – und trotzdem lassen sich die anderen weiter bestechen."
Kövesi geht zu ihrem Rechner und druckt die neuesten Ermittlungserfolge aus. Bis Oktober dieses Jahres haben sie so viele Politiker angeklagt wie in keinem anderen Jahr zuvor.
"Also allein bis Oktober hatten wir hier 14 Parlamentsabgeordnete, vier Minister, zehn Bürgermeister von Großstädten und neun Landräte."
Ihren größten Coup aber habe sie noch gar nicht auf der Liste vermerkt, sagt Kövesi: Victor Ponta. Im September hat ihre Behörde den rumänischen Ministerpräsidenten wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung angeklagt. Vor sieben Jahren, so der Vorwurf, habe Ponta als Rechtsanwalt fiktive Leistungen in Rechnung gestellt und die Begründung für die Rechnungen gefälscht. Von diesen Honoraren habe er sich unter anderem zwei Wohnungen gekauft.
"Das war trotzdem eine Ermittlung wie jede andere, klar nach dem Prinzip: Keiner steht über dem Gesetz. Natürlich war das Interesse der Öffentlichkeit viel größer als in allen anderen Fällen. Wir wurden auch immer wieder vom Ponta-Lager angegriffen. Trotzdem haben wir die Ermittlungen schnell und effizient abgeschlossen – und Ponta angeklagt. Warten wir ab, wie das Gericht entscheidet."
Die Ermittlungen im Sommer, die Anklage im September – nichts davon konnte den Regierungschef damals zum Rücktritt bewegen. Erst der Protest der Straße hat Victor Ponta schließlich bezwungen. Kövesi will das – ganz Beamtin – nicht kommentieren.
"Ich kann dazu nur sagen, dass zum Teil sogar verurteilte Politiker nicht zurücktreten. Das ist nicht in Ordnung – und die Gesetzte müssen geändert werden. Wir haben hier Abgeordnete die wegen Korruption verurteilt sind und im Parlament verhindern, dass genau diese Gesetze geändert werden."
Mit dem Rücktritt Pontas könnte sich dies ändern – die Demonstranten, die Abend für Abend für Abend auf den Straßen Bukarests protestieren, sie wollen, dass genau diese Gesetze geändert werden. Doch auch dazu sagt Laura Codurta Kövesi ganz diplomatisch kein Wort – und zieht nur ihre dunklen Augenbrauen hoch.